Wenn es nach immer mehr SPD-Mitgliedern geht, soll Boris Pistorius anstelle des amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz bei den Neuwahlen im Februar 2025 als Kanzlerkandidat antreten. Was zeichnet den Verteidigungsminister aus?
Seit Monaten liegt
"Wir haben einen Bundeskanzler, und der ist der designierte Kanzlerkandidat", sagte er am Montag. "Ich sehe niemanden in der Partei, der daran etwas verändern möchte."
Das stimmt für die Parteiführung, die sich diese Woche demonstrativ hinter Scholz stellte. Angesichts von SPD-Umfragewerten von mageren 15 bis 16 Prozent trauten sich in den letzten Tagen aber einige Kommunal- und Landespolitiker aus der Deckung - nun sprach sich auch erstmals ein Bundestagsabgeordneter öffentlich für Pistorius aus. SPD-Fraktionschef
Schon im September hatte Pistorius aber vor dem "Irrglauben" gewarnt, jemand könne als "Messias" einen Umschwung bringen. Dies wecke Erwartungen, die im Zweifel einer alleine gar nicht erfüllen kann.
Der Wechsel nach Berlin ging schnell
Dass Pistorius schnell umschalten kann, zeigt aber sein Wechsel nach Berlin. Tags zuvor noch Innenminister in Niedersachsen, wurde er am 19. Januar 2023 als Nachfolger der unglücklich agierenden Verteidigungsministerin Christine Lambrecht vereidigt.
Er absolvierte darauf einen Truppenbesuch nach dem anderen und fand vier Jahrzehnte nach seinem Wehrdienst sichtlich Gefallen daran, wieder in Bundeswehr-Parka über Truppenübungsplätze zu stapfen. Ruhig, hemdsärmelig, geerdet - dieses Bild brachte ihn auch in den Umfragen auf den Spitzenplatz.
Als neuer Verteidigungsminister machte sich Pistorius sofort daran, das seit Jahren als träge kritisierte Beschaffungswesen der Bundeswehr und die Strukturen in der Truppe zu straffen - eine Reform, an der sich seine Vorgängerinnen und Vorgänger die Zähne ausgebissen haben und die auch Pistorius bis heute beschäftigt.
Eine Aussage von Pistorius sorgte für Kritik
Kaum ein halbes Jahr im Amt kündigte er zur Überraschung vieler die dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade mit bis zu 5.000 Soldaten in Litauen an - ein ehrgeiziges Projekt, mit dem Pistorius Deutschlands Willen demonstrieren will, Russland nach dem Überfall auf die Ukraine die Stirn zu bieten.
Kritik gerade aus der SPD gab es an Pistorius' Äußerung von Ende 2023, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden. Pistorius wollte damit aufrütteln - auch um nach der Ausschöpfung des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für genug Haushaltsmittel für die Bundeswehr zu werben.
Aufgewachsen in einem Osnabrücker Arbeiterviertel, trat Pistorius schon als Jugendlicher der SPD bei. Seine Mutter war lange SPD-Abgeordnete im niedersächsischen Landtag. Nach dem Abitur absolvierte Pistorius in Osnabrück zunächst eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann und war nach der Juristenausbildung 1990 kurz als Rechtsanwalt tätig.
Sechseinhalb Jahre war Pistorius dann Oberbürgermeister in seiner Geburtsstadt Osnabrück. 2013 wurde er in Niedersachsen Landesminister für Inneres und Sport. Pistorius erwarb sich einen Ruf als "roter Sheriff" - er verfolgte unter anderem gegenüber islamistischen Gefährdern und bei Abschiebungen eine harte Linie.
Pistorius gilt als konservativ
Pistorius gilt nicht nur deshalb für SPD-Verhältnisse als Konservativer. In der Partei rückte er erst spät in den engeren Führungskreis vor: Ende 2017 kam der Niedersachse in den SPD-Bundesvorstand. Als im Oktober 2019 eine neue Doppelspitze per Mitgliederbefragung gewählt wurde, trat Pistorius zusammen mit der damaligen sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping an - landete aber auf den hinteren Rängen.
Mit seiner 2015 verstorbenen ersten Ehefrau Sabine hat Pistorius zwei Kinder. Für bundesweites Aufsehen sorgte 2016 bis 2022 seine Beziehung mit Doris Schröder-Köpf, der früheren Ehefrau von Altkanzler Gerhard Schröder. Ende 2023 heiratete er die Politologin Julia Schwanholz.
Die wäre sicher eine gute Ratgeberin, wenn Pistorius eine Kanzlerkandidatur ernsthaft erwägen würde. Selbst SPD-Mitglied, analysiert sie neben ihrer Universitätsarbeit in ihren "Politische Pausen Podcasts" schon seit Jahren das Auf und Ab der deutschen Politik. (AFP/bearbeitet von jum)
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