Die SPD ringt um die Kanzlerkandidatur. Boris Pistorius gilt vielen Sozialdemokraten als letzte Rettung vor einer krachenden Wahlniederlage. Doch Pistorius hat wie Kamala Harris große Schwächen.
Der SPD droht im Februar eine dramatische Niederlage. Die Umfragen sind nicht nur schlecht, sie sind katastrophal. Könnte
Der US-Wahlkampf hat gezeigt, dass ein übereilter Kandidatenwechsel kurz vor der Wahl große Risiken birgt. Der viel zitierte Kamala-Harris-Effekt war in Wahrheit ein gewaltiger Fehlschlag. Auch Pistorius offenbart bei genauer Betrachtung Schwächen.
Die Schwächen des Boris Pistorius
Erstens ist Pistorius kein sonderlich guter Wahlkämpfer. Als er beim innerparteilichen Wettbewerb um den Parteivorsitz öffentlich wahlkämpfen musste, fiel er geradezu dramatisch durch. Nur 14,61 Prozent der SPD-Mitglieder wollten ihn seinerzeit als Vorsitzenden. Er landete weit abgeschlagen auf Platz 5, selbst
Zweitens ist Pistorius bislang auch als Minister überschaubar erfolgreich. Mit markigen Worten verkündet er zwar eine starke Bundeswehr - aber das von ihm wirklich Erreichte ist noch dürftig. Die Personal- und Beschaffungsprobleme der Bundeswehr, ihre chronische Unterfinanzierung, die lächerliche Mini-Ausstattung mit Drohnen hat Pistorius nicht wirklich bessern können. Die Truppe schrumpft unter seiner Ägide sogar, anstatt zu wachsen. Ende September 2024 dienten nur noch 170.942 Berufs- und Zeitsoldaten. Das sind gut 4.000 weniger als zu Beginn der Ampelregierung. All das würde im Wahlkampf plötzlich thematisiert - und das Bild des strahlenden Verteidigungsministers würde sich eintrüben, seine Tat- und Durchsetzungskraft hinterfragt.
Drittens hat Pistorius ein ähnliches Problem wie
Pistorius als riskante Notlösung der SPD
Das Dilemma der SPD bei diesem Thema liegt darin, dass sie einerseits die militärische Zeitenwende propagiert und die Ukraine-Unterstützung mit markigen Worten verteidigt. Andererseits lieber eine offensive Friedensstifter-Politik in Angriff nehmen würde. Mit Pistorius wäre die Friedensstifternummer erledigt, was insbesondere Sahra Wagenknecht im Wahlkampf lautstark intonieren würde. "Bomben-Boris" und "Panzer-Pistorius" wären vorhersehbare BSW-Wahlkampfschlager.
Insgesamt bedeutet ein hektischer Kandidatenwechsel das offene Eingeständnis, dass die bisherige Führung gescheitert ist. Die SPD würde ihren eigenen Kanzler stürzen, demütigen und damit die letzte Aura von Stärke, Verlässlichkeit und Erfolg ruinieren. Im US-Wahlkampf konnte man gut beobachten, dass ein Einwechselkandidat wie ein Insolvenzverwalter der eigenen Politik wirkt. Pistorius hätte von der ersten Wahlkampf-Sekunde an ein Rechtfertigungsproblem mit der ungeliebten Ampel. Bislang wirkt er so, als habe er mit der Ampel nur am Rande zu tun. Das wäre bei einer Kandidatur schlagartig anders.
Fazit: Pistorius ist zwar ein Politiker mit freundlicher Verbindlichkeit und menschlicher Nahbarkeit, er hat eine geländegängige Sprache, er wirkt integer und seriös. In diesem Wahlkampf aber würden diese Stärken kaum zur Geltung kommen. Die strategischen Probleme der SPD, die zu lange schon zu diffus mitregiert, wird er nicht lösen können. Zudem dürfte es in diesem Winterwahlkampf vor allem um die Frage gehen, wer Deutschlands Wohlstand und Wirtschaft zukunftssicher machen und die Migrationskrise endlich lösen kann. Bei beiden Themen ist das Zutrauen der Bevölkerung in die SPD nicht mehr sehr ausgeprägt. Pistorius würde dies kaum ändern können - sondern wahrscheinlich wie Kamala Harris einfach im Wechselstimmungs-Strudel untergehen.
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