- Es sind noch knapp zwei Wochen bis zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 14. März.
- Am Montagabend trafen die Kontrahenten um das Amt des Ministerpräsidenten vor den Kameras des Südwestfunks aufeinander.
- Susanne Eisenmann (CDU) hatte es schwer gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne).
Ein "TV-Duell" konnte die Veranstaltung naturgemäß nicht werden – zumal die Hälfte der Zeit mit dem Pandemie-Thema vergeudet wurde, das die beiden Kandidaten bisher eher gemeinsam verantwortet haben, ohne sich dabei groß zu unterscheiden. Auch die anstehenden Lockerungen wollen sie beide.
Weil es da für seine Kontrahentin – Eisenmann sitzt als Kultusministerin mit an Kretschmanns Kabinetttisch – in der Sache wenig zu widersprechen gab, konnte sie ein paar Spitzen, nicht auf inhaltlicher, sondern lediglich auf formaler Ebene loswerden.
Kretschmanns Öffnungskonzept sei an ihr "vorbeigesegelt", beschwerte sie sich, sie habe davon erst aus der Zeitung erfahren. Kretschmann konterte gelassen, in dem Papier stehe ohnehin "nichts drin, was die CDU nicht will".
Sein nächstes Argument traf besser ins Schwarze: "Wir machen nichts anderes als die Bundesländer ohne Wahlkampf".
In der Tat: Landauf, landab feilschen Koalitionen um Öffnungskonzepte und damit um Details einer gemeinsam angestrebten Richtung. Man muss es wohl eher dem SWR vorhalten als den beiden Politikern, dass dem Corona-Thema nichts wahlentscheidendes abzugewinnen war.
Die Redaktion hätte auch ahnen können, dass es womöglich mehr interessiert, was nach Corona kommen könnte. Anstatt das seit Monaten in Dutzenden von Talkshows ausgebreitete, immergleiche Thema der Pandemie-Maßnahmen ein weiteres Mal zu erläutern und dafür die Hälfte der Diskussionszeit zu verbrauchen.
Für eine Überraschung sorgte der Sender selbst im TV-Duell
Immerhin sorgte der Sender zwischendurch selbst für die Überraschung des Abends: Als Moderator Fritz Frey sich die verbrauchte Gesprächszeit der beiden Kandidaten anzeigen ließ, war es angeblich nicht Kretschmann, der mehr geredet hat, sondern Eisenmann.
Ein Ergebnis, das der Wahrnehmung beider Kandidaten wie auch der des Moderators widersprach. Und das, wie sich später herausstellt, schlichtweg falsch war. Peinlich und nicht wiedergutzumachen – Kretschmann wird am Ende mit zweieinhalb Minuten Vorteil aus der Sendung gehen.
Glücklicherweise war dann aber auch noch für anderes Zeit. Zum Beispiel für die Frage, ob es in Ordnung sei, dass die Stuttgarter Autobauer Staatsgelder als Corona-Hilfe einstreichen, dass Daimler-Benz aber gleichzeitig seinen Aktionären eine satte Dividende von 3,6 Milliarden Euro auszahlt.
Kretschmann ist zwar der Ansicht, die Autoindustrie habe sich schon durch den Dieselskandal "viel Vertrauen verspielt", ging aber nicht weiter auf Freys Frage ein, lobte stattdessen die vielen Ladestationen für E-Autos, die es im Ländle gibt. Auf Freys Nachfrage entgegnete er, die Konzerne müssten es sich schon selbst überlegen, wie sie sich in dieser Sache entscheiden.
Kretschmann vs. Eisenmann: Zu wenig Opposition schafft Langeweile
Schade, dass es in großen Koalitionen meist zu wenig Opposition gibt – vielleicht wäre ja ein wenig Stimmung aufgekommen, wenn ein Linker oder wenigstens ein SPD-Vertreter dabei gewesen wäre. Denn auch Frau Eisenmann hatte dem nichts hinzuzufügen.
Sie hätte gerne Tesla nach Baden-Württemberg geholt, anstatt den Autobauer nach Berlin ziehen zu lassen, und rügte damit Kretschmanns Industriepolitik. An Daimlers Dividenden aber hatte auch sie nichts auszusetzen.
Es ist zwar nichts Neues, dass Kretschmer sich schwertut mit Kritik am wichtigsten Arbeitgeber des Landes, aber dass diese Angelegenheit nicht einmal im Wahlkampf Thema sein darf, erklärt, warum auch der Nicht-Corona-Teil des sogenannten "Duells" beträchtlich zur Langeweile tendierte. Und dafür kann man die SWR-Redaktion nun wirklich nicht verantwortlich machen.
So grundsätzlich sind die Differenzen zwischen Kretsch- und Eisenmann einfach nicht, dass sie eine spannende Auseinandersetzung generieren könnten. Und wo es doch ein bisschen Gelegenheit zu Knatsch geben könnte, hat die Kultusministerin zu wenig Biss.
Mag sein, dass die koalitionsinterne Stimmung tatsächlich so gut war und ist, dass die beiden Kandidaten es nicht schaffen, einen richtigen Streit vom Zaun zu brechen. Mag sein, dass Kretschmann zu dominant seine Chef-Rolle mit ins Studio gebracht hat.
Eisenmanns Angriffe blieben auch harmlos, als es um grüne Verkehrspolitik (jeder zweite Weg soll per Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden) oder grüne Landwirtschaft ging.
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Zur echten Diskussion kommt es nicht
Dass die CDU-Kandidatin forderte, man brauche auch in Zukunft nicht nur ökologische, sondern auch konventionelle Landwirtschaft, dass sie die Landwirte gegen "populistische" Vorwürfe verteidigte und deren "Wertschätzung" forderte – solche Statements sind nicht kontrovers genug, um wirklich relevante politische Gegensätze deutlich zu machen. An Kretschmann prallen solche Sätze ohnehin ab: Er konterte, genau das sei ja seine Politik.
Und als es gegen Schluss um Baupolitik ging und um den Vorwurf, grüne Politiker wollten auch im Land der Häuslebauer das Einfamilienhaus abschaffen, als Susanne Eisenmann plötzlich sehr engagiert von Modellen zukünftigen Arbeitens und Wohnens und von zukünftiger Mobilität sprach – als also eine fundierte Diskussion beginnen konnte – da war die Zeit schon fast um.
Kretschmann durfte schnell noch bestreiten, dass er schon jetzt über einen Nachfolger während seiner nächsten Regierungszeit nachdenkt, Eisenmann durfte ihn deshalb herzlich auslachen. Doch Kretschmann blieb gelassen und strich in Ruhe seinen Amtsbonus ein. Dass er wieder regieren wird, hat in diesem "Duell" nicht einmal Susanne Eisenmann so richtig bestritten.
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