In Sachsen und Brandenburg reicht es für SPD und CDU nicht zu gemeinsamen Regierungskoalitionen - die Traditionsparteien haben drastisch an Stimmen verloren und sind auf Bündnisse mit Dritten angewiesen. Welchen Einfluss hatte die Berliner Große Koalition auf die Wahlergebnisse in den ostdeutschen Ländern?

Ein Interview

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Mit dem Kasseler Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schroeder sprachen wir über Ursachen und Folgen der Wahlergebnisse.

Herr Professor Schroeder, in Sachsen kommen CDU und SPD gemeinsam auf knapp unter, in Brandenburg auf knapp über 40 Prozent - für Regierungsbündnisse im Stil der Berliner Großen Koalition reicht das nicht. Trägt Berlin Schuld an den Wahlergebnissen im Osten?

Prof. Wolfgang Schroeder: Ein schlechtes Image der Bundesparteien zieht die Ergebnisse der jeweiligen Landesparteien nach unten - das kann selbst eine Landesregierung mit guten Leistungen nur bedingt kompensieren. In Brandenburg wie auch in Sachsen hatten die regierenden Parteien einerseits mit dem schlechten Image der Bundesparteien zu kämpfen, in beiden Ländern hatten sie andererseits aber Vorteile durch das positive Image und die Bekanntheit ihrer Landesvorsitzenden.

Wie stark schätzen Sie also die Auswirkungen beispielsweise des Streits in der CDU um die Qualifikation von Annegret Kramp-Karrenbauer ein?

Für das Image wirkte diese anhaltende Diskussion über die Führungskompetenz von AKK zweifellos negativ, ohne aber für die Landespartei in dieser Wahl eine entscheidende Rolle zu spielen.

Und wie steht es mit der Tatsache, dass die SPD nach wie vor ohne Führung dasteht und durch die permanente Diskussion um die Kandidatenwahl belastet ist?

Hier gilt dasselbe: Das Führungsproblem bei den Sozialdemokraten spielt für den Wahlausgang eine Rolle, weil es Teil des Gesamtimages ist; aber andere Faktoren wie die Stärke des Ministerpräsidenten und der Wille, eine Dominanz der AfD zu verhindern, waren letztlich entscheidend für den Wahlausgang.

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Die politische Öffentlichkeit ist auf Landesebene recht begrenzt. Wir wissen, dass die Menschen in den Ländern nur wenige politische Akteure aus der Bundespolitik gut kennen und deren Aktivitäten verfolgen. Wenn dagegen die Politiker im jeweiligen Bundesland ihren Job gut machen, wenn sie motiviert wirken, wenn ihre Partei hinter ihnen steht, dann wirkt sich das insgesamt positiv aus.

Die Volksparteien haben ein Imageproblem

Trotzdem ist doch auch in den Ländern die Ansicht verbreitet, dass in der Bundespolitik nichts vorangeht…

Das ist ein Teil des Imageproblems der Volksparteien. Sie haben einen enormen Reputationsverlust erlitten, der nicht unbedingt mit Fakten begründbar ist. Die Große Koalition war ja tätig, hat innerhalb von 15 Monaten 60 Prozent ihrer Vorhaben abgearbeitet - aber das wurde nicht so wahrgenommen. Die durchaus beeindruckende reale Arbeitsbilanz der Großen Koalition kommt nicht rüber bei den Wählern, weil sie überlagert wird von Personalkonflikten und dem Streit zwischen den Parteien.

Wird nur das wahrgenommen, was nicht klappt?

Wahrgenommen wird ein permanenter Reformstau. Energie, Verkehr, Auto, Digitalisierung, Integration - es wird weniger gesehen, was klappt, sondern was noch nicht geleistet wurde. Die Leute haben den Eindruck, da geht nichts voran. Entscheidend ist die reale Diskrepanz zwischen den großen Herausforderungen und den kleinteiligen Schritten, die das politische System verantwortet.

Eine Wahrnehmung, die den Populisten nur gefallen kann…

… und aus der die Populisten ihre Erfolge machen: Sie skandalisieren hemmungslos, weil vieles wirklich nicht funktioniert. Sie schrauben aber vor allem die Erwartungshaltung an die Politik hoch und geben der Politik dann die Schuld daran.

Wenig reflektiert wird das Verhältnis von Politik und Markt, Politik und Wirtschaft. Ein kleines Beispiel ist der Fall des Berliner Flughafens: Es sind ganz, ganz große internationale und deutsche Unternehmen, die da ihren Job nicht schaffen, aber die tauchen in der Kritik nicht auf, es taucht nur die Verantwortung des Staates auf.

Kurzfristig keine Auswirkungen auf die GroKo

Bis jetzt haben wir davon geredet, wie sich die Arbeit der Großen Koalition auf die Wahlergebnisse in den Ländern auswirkt. Werden sich umgekehrt die Wahlergebnisse in den Ländern auf die Große Koalition auswirken?

Zugespitzt ausgedrückt: Kurzfristig gar keine Auswirkungen! Das Wahlergebnis war ja vorauszusehen, und die beiden Regierungsparteien haben zumindest das Ziel erreicht, dass in einem starken Finish die AfD nicht stärkste Partei geworden ist. Vielleicht hat die Partei damit tatsächlich schon ihren Zenit überschritten.

Die jetzigen Landtagswahlergebnisse stehen einerseits für eine weitere Stabilisierung der AfD. Andererseits zeigt sich aber auch, dass deren Bäume nicht in den Himmel wachsen und ihre inneren Schwierigkeiten eher zu- als abnehmen werden.

Aber der Trend zur Destabilisierung könnte anhalten - es sind ja auch überraschend viele junge Wähler zur AfD gegangen.

Ich bin Ihnen dankbar für diese Frage! Besorgniserregend ist das Alter der Wähler. Es sind nicht die Alten, sondern eher die jüngeren, die AfD gewählt haben. Und dann die Tatsache, dass gerade die Arbeiterschaft in überproportional starkem Maße der AfD zuneigt.

Die AfD ist stark bei den Erwerbstätigen zwischen 20 und 60. Hier wirkt sich aus, dass die Wirtschaft im Osten weniger produktiv ist als im Westen, dass es weniger Betriebe mit eigener Forschungs- und Entwicklungsabteilung gibt und dass viele Erwerbstätige zu niedrigen Stundenlöhnen arbeiten. Das führt zu einer negativen sozialen Befindlichkeit: Obwohl der Osten nahezu Vollbeschäftigung hat, kommt die Bevölkerung nicht aus diesem Tunnelgefühl heraus.

Ist das ein Gefühl, dem mit politischen Mitteln überhaupt beizukommen ist?

Kurzfristig nicht. Denn dahinter steht ein weitreichender Vertrauensverlust. Es muss jetzt mühsam wiederaufgebaut werden, was im Transformationsprozess zerbröselt ist. Dafür braucht es aber auch erkennbare Signale nach dem Motto: Wir haben verstanden.

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