Der Politikwissenschaftler Christian Hacke ist vom Wahlsieg Donald Trumps überzeugt. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt er, was die Amerikaner am "Kotzbrocken" Trump schätzen, warum US-Vizepräsidentin Harris ihre Aufholjagd in den Umfragen nicht fortsetzen konnte und warum Deutschland im Falle eines Trump-Sieges über eigene Atombomben nachdenken müsste.
Herr Hacke,
Christian Hacke: Die Leute wissen, was sie an ihm haben. Das ist ein Kotzbrocken, das ist bekannt. Und viele Amerikaner sind auch persönlich nicht mit ihm einverstanden, selbst bei den Republikanern.
Aber?
Bei den Themen, die die Amerikaner berühren, wird ihm mehr Kompetenz als
Harris: Verwandlung zu Cinderella "klappt nur im Märchen"
Wie fällt Harris' Bilanz in ihren Augen aus?
Es gibt dieses berühmte Interview, in dem sie Monate nach der Amtseinführung gefragt wird, warum sie noch nicht an der Südgrenze war. Da antwortet sie: 'Ich war doch auch noch nicht in Europa'. Das war völlig weird. Das wird ihr heute noch vorgehalten und Trump schlachtet das natürlich gnadenlos aus. Er brandmarkt sie als "Grenzzarin" - obwohl sie ja keine offiziellen Befugnisse an der Grenze hatte. Harris war gewissermaßen das Aschenputtel in der Biden-Administration. Sie wurde nicht ernst genommen und war bei den Wählern nicht sehr beliebt.
Nach ihrer Nominierung schwamm sie dennoch auf einer Sympathiewelle und holte in Umfragen gegenüber Trump auf. Zuletzt lagen beide gleichauf. Warum hat sie Welle nicht länger reiten können?
Die Leute wissen im Positiven und Negativen, was sie an Trump haben, aber sie wissen eigentlich nicht, was sie an Harris haben. Sie bleibt sachpolitisch blass und bleibt verbunden mit den Problemen der Biden-Administration: deutlich gestiegene Lebenshaltungskosten und gesunkene Kaufkraft, riesige Probleme an der Grenze, der desaströse Rückzug aus Afghanistan und der teure Krieg in der Ukraine. Die Leute sind extrem verunsichert. Die Verwandlung vom Aschenputtel zu Cinderella – das klappt nur im Märchen.
"Der Rassismus wird gewinnen"
Harris wäre die erste Präsidentin der USA und nach Barack Obama das zweite Staatsoberhaupt mit afro-amerikanischen Wurzeln. Ist das Land reif dafür?
Darüber wird natürlich nicht gerne gesprochen. Ich denke, dass die acht Obama-Jahre nachwirken. Dass sie schwarz und eine Frau ist, das gefällt einigen nicht. Das kostet sie vielleicht ein paar Prozentpunkte. Auf der einen Seite die lächelnde Kamala, auf der anderen Seite der teils offene Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft. Ich fürchte, dass der Rassismus gewinnen wird.
Trump ist offenbar kein lupenreiner Demokrat. Sind die Amerikaner demokratiemüde?
Die Fundamente der Demokratie sind ihnen heute weniger wichtig als die Sicherheit im umfassenden Sinne. Die wirtschaftliche Sicherheit, die Sicherheit, in Frieden zu leben. Die Amerikaner trauen Trump zu, ihre Probleme zu lösen. Das ist ihnen unter Umständen wichtiger als die Wahrung der Demokratie. Das beunruhigt mich, denn ähnliche Tendenzen gibt es ja auch in Europa.
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Ist die US-Demokratie grundsätzlich in Gefahr, wenn Trump gewinnen sollte? Er sagte, er wolle "ein Diktator an Tag eins" sein und gegen "Feinde im Innern" notfalls auch das Militär einsetzen.
Nach allem, was wir wissen, plant ein Teil der Republikaner seit vielen Jahren einen "parteipolitischen Umbau" der zentralen politischen Institutionen mit dem Ziel totaler Kontrolle und des Ausschaltens unabhängiger oder oppositioneller Kräfte. Er könnte auch mit Blick auf die Medien erfinderisch werden, um deren Unabhängigkeit zu beschränken oder gar aufzuheben.
Diskussion über deutsche Nuklearwaffen "unausweichlich"
Teilen Sie die Meinungen, die Trump als Faschist bezeichnen?
Trump ist eine Gefahr für die Demokratie, aber er ist kein Faschist im historisch-politischen Sinne. Vergleiche mit Hitler oder Mussolini gehen in die falsche Richtung. Vielmehr ist Trump ur-amerikanisch. Sein protektionistischer, rassistischer Nationalismus hat eine lange Tradition, die bis zu seinem Vorbild Präsident Andrew Jackson zurückgeht. Trump ist kein Kriegspräsident, aber in dieser oben genannten Tradition vertritt er eine aggressive Wirtschaftspolitik, wie wir es dann vielleicht bald gegenüber China und gegenüber Europa erleben werden.
Was würde eine zweite Präsidentschaft Trump für Deutschland bedeuten?
Das wäre die neue Zeitenwende. Europa wird für den Ukraine-Krieg mehr zahlen müssen, weil die Amerikaner sich zurückziehen, vor allem die Deutschen. Können Sie sich einen Außenminister Richard Grenell (der frühere Botschafter in Deutschland – d. Red.) vorstellen, mit einer Außenministerin Baerbock? Sie kriegt da kein Bein an Land. Kalte Höflichkeit wird ihr entgegenschlagen, wenn sie empfangen wird. Und es besteht für Deutschland eine große Gefahr.
Welche denn?
Dass ein Präsident Trump die nukleare Abschreckungsgarantie verwässert oder gar preisgibt. Da alle europäischen Alternativen intellektuellen Glasperlenspielen gleichen, ist eine Diskussion über deutsche Nuklearwaffen unausweichlich.
Über den Gesprächspartner
- Christian Hacke (Jg. 1943) war als Professor an der Universität der Bundeswehr Hamburg und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn tätig. Der renommierte Politikwissenschaftler befasst sich u.a. mit amerikanischer Geschichte und Außenpolitik sowie den transatlantischen Beziehungen.
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