Mitte Juli haben die Republikaner ihr Wahlprogramm verabschiedet. Unter dem Titel "America First" finden sich viele erwartbare Forderungen, doch es gibt auch Überraschendes: Die Ukraine wird mit keinem Wort erwähnt. Was dahinterstecken könnte und was Trump in seinem Programm fordert, analysiert Expertin Lisa-Marie Geltinger.
Es ist ein altbekannter Satz, der über Trumps Wahlprogramm steht: "America First" – "Amerika zuerst". Das Wahlprogramm, das die Republikaner Mitte Juli verabschiedet haben, schlägt schon zu Beginn alarmistische Töne an: "Wir sind eine Nation im ernsthaften Niedergang" steht im dritten Absatz in Großbuchstaben geschrieben. Die Zukunft, Identität und Lebensweise der USA sei so sehr bedroht wie nie zuvor.
Auf den dann folgenden 16 Seiten stellt Trump vor, wie er Amerika wieder "großartig" machen will. Dafür hat er etwa 20 Kernforderungen formuliert. Worum sich die wichtigsten davon drehen, hat Politikwissenschaftlerin Lisa-Marie Geltinger schnell erkannt: "Die bestimmenden Wahlthemen für Trump sind die Inflation, die Sicherheits- und Außenpolitik und Migration", sagt sie.
Die an prominenter Stelle platzierte erste Forderung lautet "Grenzen dichtmachen und die migrantische Invasion stoppen". Das republikanische Wahlprogramm führt aus, man werde die Politik der offenen Grenzen der Demokraten beenden. Diese habe die Kosten für Miete, Bildung und Gesundheit für amerikanische Familien in die Höhe getrieben.
Trump will die Mauer zu Mexiko zu Ende bauen und die Grenze stärker überwachen. "Tausende Truppen, die derzeit in Übersee stationiert sind, werden wir an unsere eigene südliche Grenze verlegen", kündigt er an. Bevor man die Grenzen anderer Länder verteidigen könne, müssten die eigenen Grenzen gesichert werden.
"Trump spricht von der größten Deportation oder Abschiebung von Immigranten in der amerikanischen Geschichte", sagt Geltinger. Abschieben will Trump auch "Christen-hassende Kommunisten, Marxisten und Sozialisten".
Wirtschaft: Inflation im Fokus
Im Bereich Wirtschaft konzentriert Trump sich vor allem auf die Inflation. Die liegt laut "YCharts" in den USA aktuell bei etwa drei Prozent. Im Juni 2022 hatte sie mit 9,1 Prozent einen Höchststand seit 40 Jahren erreicht. Trumps Rezept: Weniger Regulation, weniger Steuern, niedrigere Energiepreise. Steuern auf Trinkgeld sollen ganz wegfallen.
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"Die Arbeiterschaft wird den Kürzeren ziehen, Trump setzt sich vorrangig für die Wohlhabenden innerhalb der Gesellschaft ein", ist sich jedoch Expertin Geltinger sicher. Sie erkennt in den Forderungen Trumps eine populistische Taktik: Einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten.
Handelspolitik: Strafzölle again
In der Handelspolitik steht der Umgang mit China als aufsteigender Macht im Fokus. Trump kündigt im Wahlprogramm an: "Wir werden China davon abhalten, amerikanische Immobilien und Industrien zu kaufen." Außerdem werde man den Import von chinesischen Autos verhindern. Den protektionistischen Kurs setzt das Wahlprogramm auch an anderer Stelle fort: "Kauf amerikanisch, stell amerikanisch ein", lautet Trumps Devise.
"Trump setzt im Handelsbereich auf eine Politik des maximalen Drucks", analysiert Geltinger. Bei einer Präsidentschaft sei mit Strafzöllen gegen China zu rechnen, die weitreichender als die vorherigen seien. Zuletzt war Medienberichten zufolge von bis zu 60 Prozent die Rede. "Die Zölle könnten sich auch auf Produkte wie Pharmazeutika und Stahl beziehen, auch Europa wird es wahrscheinlich treffen", so die Expertin. Im Wahlprogramm ist von "Grundzöllen auf im Ausland hergestellte Waren" die Rede.
Außenpolitik: Kein Wort über die Ukraine
Trump fordert in seinem Wahlprogramm die "modernste, tödlichste und mächtigste Armee in der Welt". Man wolle in neue Technologien investieren, etwa in ein "Iron-Dome-Raketenabwehrschild".
Gleichzeitig weist er auf eine altbekannte Forderung hin: Die Pflichten, die die Verbündeten erfüllen sollen. Damit spielt Trump auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato an, welches nicht alle Mitgliedstaaten erfüllen. Auch Deutschland gehörte in der Vergangenheit dazu, erfüllt das Ziel aber mittlerweile.
Trump bekundet auch seine Solidarität mit Israel: "Wir werden an der Seite von Israel stehen und für Frieden im Mittleren Osten sorgen", heißt es. Die Ukraine erwähnt er allerdings wörtlich nicht. Trump hatte sich in der Vergangenheit bereits als Dealmaker angekündigt, der den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden wird. Wie er das tun will, bleibt aber auch in seinem Wahlprogramm offen. Expertin Geltinger sieht darin eine Taktik.
"Das Wahlprogramm buchstabiert bewusst nicht aus – vor allem im außen- und sicherheitspolitischen Bereich –, was Trump will", sagt sie. Damit mache sich Trump weniger angreifbar. Allerdings gebe es zusätzlich zum Wahlprogramm noch eine Trump-Agenda auf seiner Webseite, die größte Rolle spielten ohnehin seine Wahlkampfreden.
Darin habe Trump bereits klargemacht: "Er und sein Vize-Präsidentschaftskandidat Vance halten nichts von der aktuellen US-amerikanischen Unterstützung der Ukraine", sagt Geltinger. Mit Trump als Präsident würde man vermutlich eine Einstellung der Waffenlieferungen und der finanziellen Unterstützung für die Ukraine sehen. "Das würde dem Zusammenhalt der Nato-Mitgliedstaaten nicht guttun", fürchtet die Expertin. Ein Deal, so ist sie sich sicher, würde den Abverkauf großer Teile der Ukraine bedeuten.
Internationale Abkommen: Nato-Austritt?
Ohnehin sei es möglich, dass Trump aus internationalen Abkommen und Organisationen zurücktritt – etwa der Welthandelsorganisation. "Ein solches Szenario wäre jedoch mit erheblichen negativen Konsequenzen für die USA verbunden. Denn das würde auch bedeuten, dass die USA ihre globale Führungsrolle als große Handelsnation ein Stück weit aufgeben. Infolgedessen könnten China und andere Kräfte mehr Einfluss gewinnen", sagt Geltinger.
Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit angekündigt, aus der Nato auszutreten. Die Nato und die Biden-Regierung haben sich jedoch ein Stück weit abgesichert: Mittlerweile bräuchte Trump dafür eine Zweidrittelmehrheit im Senat oder die Zustimmung beider Kongresskammern.
Abtreibung und Transgender-Rechte
In seinem Wahlprogramm hetzt Trump gegen die "woke" Kultur und schreibt in Anspielung auf Transgender-Personen: "Wir werden Männer aus dem Frauensport heraushalten." Außerdem will er die Finanzierung von Operationen zur Geschlechtsumwandlung durch den Steuerzahler verbieten und vom Steuerzahler finanzierte Schulen daran hindern, Geschlechtsumwandlungen "zu fördern".
"Ein Stück weit überraschend spielt das Thema Abtreibung aber gar nicht so eine große Rolle", sagt Geltinger. Einzig der Satz "Wir werden uns gegen Spätabtreibungen einsetzen" findet sich im Wahlprogramm. Geltinger sieht darin erneut kalkuliertes Vorgehen: "Die Republikaner innerhalb der Partei und ihre potenzielle Wählerschaft sind bei diesem Thema durchaus gespalten. Trump ist hier vorsichtig, um niemanden zu verprellen." Kamala Harris werde das Thema für sich besetzen können.
Verwendete Quellen
- Committee for a Responsible Federal Budget: Donald Trump’s 60% Tariff on Chinese Imports
- ycharts.com: US Inflation Rate
- The American Presidency Project: 2024 Republican Party Platform
Über die Gesprächspartnerin
- Lisa-Marie Geltinger ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen der Universität Regensburg.
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