• Im November stehen in den USA Zwischenwahlen an.
  • Das Ergebnis könnte darüber entscheiden, ob Joe Biden politisch gelähmt wird oder durchregieren kann.
  • Doch wie sind die Chancen aktuell verteilt? Und was bedeutet das Ergebnis für die politische Stabilität der USA? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Worum geht es bei den Kongresswahlen?

In den USA bilden der Senat und das Repräsentantenhaus gemeinsam den gesetzgebenden Kongress der USA. Bei den sogenannten Midterm-Elections, die - wie der Name schon sagt - in der Halbzeit zwischen zwei Präsidentenwahlen stattfinden, wählen die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger das komplette Repräsentantenhaus mit 435 Abgeordneten, ein Drittel der Senatoren im US-Senat und in 36 der insgesamt 50 Bundesstaaten einen neuen Gouverneur.

Wann findet die Kongresswahl statt?

Die Midterm-Elections finden zwei Jahre vor der folgenden Präsidentschaftswahl und zwei Jahre nach der vorangegangenen statt. In diesem Jahr ist das Datum der Wahl der 8. November. Zahlreiche Amerikaner werden jedoch schon in den Wochen zuvor ihre Stimme abgegeben haben, etwa per Briefwahl. Außerdem finden vor den Midterms noch Vorwahlen statt (Primaries), in denen die Republikaner und Demokraten ihre Kandidaten festlegen, die für den Posten der Senatoren und Gouverneure antreten. Der neue Kongress wird dann am 3. Januar 2023 erstmals zusammentreten.

Wer ist aufgestellt?

Im amerikanischen System sind eigentlich nur zwei Parteien von großer Bedeutung: die Demokraten und die Republikaner. Kleinere Parteien sind außerdem die Green Party, die Constitution Party oder die Libertarian Party. Bei den Gouverneurswahlen spielen zudem einzelne Köpfe eine Rolle: In 36 Staaten wird dieser Posten neu besetzt. In diesen halten die Demokraten derzeit 16 und die Republikaner 20 Gouverneurssitze.
Am 8. November geht es aber nicht ausschließlich um Personen oder Parteien. In zahlreichen Bundesstaaten finden zeitgleich auch Abstimmungen über Sachthemen statt, etwa über die Legalisierung von Marihuana oder die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs.

Wann ist mit dem Ergebnis zu rechnen?

Das ist nicht ganz klar und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bei den Zwischenwahlen 2018 wurden zwar die meisten Ergebnisse noch in der Nacht, nach dem Schließen der Wahllokale, bekanntgegeben. Nachdem es bei den allgemeinen Wahlen jedoch keinen eindeutigen Sieger gegeben hatte, mussten in Bundesstaaten wie Georgia oder Louisiana Stichwahlen abgehalten werden, weshalb sich das offizielle Wahlergebnis bis in den Januar des folgenden Jahres verzögerte. Auch dieses Jahr wird es vermutlich Stichwahlen geben, allgemeine Trends werden sich jedoch bereits am Abend des 8. November oder in den frühen Morgenstunden des 9. November ablesen lassen. Fest steht auch, dass am 3. Januar der neu gewählte Kongress zusammentritt - spätestens dann gibt es auch ein amtliches Wahlergebnis.

Welchen Einfluss haben die Midterm-Elections auf die Politik?

Das wichtigste Ergebnis der Zwischenwahlen ist die zukünftige Zusammensetzung von Repräsentantenhaus und Senat - dem gesetzgebenden Kongress der USA. "The House", wie das Repräsentantenhaus auch genannt wird, ist mit 453 Abgeordneten die größere der beiden Kammern und vergleichbar mit dem Deutschen Bundestag. Die Abgeordneten stimmen über Gesetze ab, kontrollieren den Präsidenten und können sogar ein Amtsenthebungsverfahren einleiten.

Mit rund 100 Mitgliedern ist der Senat deutlich kleiner als das Repräsentantenhaus. Er vertritt als Länderkammer die Interessen der Bundesstaaten und ist von der Zusammensetzung mit dem Bundesrat in der deutschen Legislative vergleichbar. Operativ hat der Senat aber deutlich mehr Befugnisse als sein deutsches Pendant. Auch er kontrolliert den Präsidenten, stimmt über die Ernennung von Ministern ab und ratifiziert internationale Verträge.

Die meisten Vorlagen für neue Gesetze werden in den Ausschüssen sowohl des Repräsentantenhauses als auch des Senats diskutiert. Erst wenn beide Kammern zugestimmt haben, werden die Vorlagen dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt.

Die politische Bedeutung der jeweiligen Kräfteverhältnisse ist deshalb kaum zu überschätzen, sie haben großen Einfluss auf die Regierbarkeit der USA. Sofern die Präsidentenpartei keine Mehrheit im Senat hat, ist es beispielsweise deutlich schwerer, Gesetze durch die Länderkammer zu bekommen. Stellt die Präsidentenpartei hingegen eine Mehrheit in beiden Kammern, kann sie praktisch "durchregieren". Möglich ist auch, dass die Oppositionspartei in beiden Kammern eine Mehrheit hat. Das Regieren mithilfe neuer Gesetze wird dann für den Präsidenten praktisch unmöglich, er kann nur noch Dekrete erlassen, die von seinem Nachfolger zügig rückabgewickelt werden können. Bei einem solchen Verlust von innenpolitischer Handlungsfähigkeit ist von einer "lame duck" (lahme Ente) die Rede.

Was sagen die aktuellen Umfragen über das Ergebnis?

Die Umfragen zur Kongresswahl schwanken seit dem Frühjahr stark. Während manche Umfrageinstitute im Frühjahr 2022 ein Plus von bis zu zehn Prozentpunkten bei den Republikanern sahen, liegen seit September die Demokraten häufiger vorne. Insgesamt handelt es sich jedoch um ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen beiden Parteien.

Im Repräsentantenhaus, wo alle Sitze neu vergeben werden, verfügen die Demokraten mit 222 zu 213 aktuell über eine hauchdünne Mehrheit. In den vergangenen Jahren zeigte sich jedoch, dass die Präsidentenpartei bei den Zwischenwahlen fast immer Sitze im Repräsentantenhaus einbüßen musste. Frühe Umfragen deuten darauf hin, dass es sich bei diesen Wahlen ähnlich verhalten könnte. 211 Sitze werden aktuell sicher den Republikanern zugerechnet, in zahlreichen Bundesstaaten ist das Rennen noch komplett offen. In den vergangenen Wochen haben die Republikaner ihren Vorsprung jedoch ausgebaut, für realistisch halten viele Umfrageinstitute derzeit eine hauchdünne Mehrheit für sie.

Seit den Präsidentschaftswahlen 2020 haben Demokraten und Republikaner jeweils 50 Sitze im Senat. Bei einem Patt hat die Vizepräsidentin die entscheidende Stimme: die Demokratin Kamala Harris. Politisch bedeutet das eine knappe Mehrheit für die Demokraten. Von den aktuell 35 neu zu wählenden Sitzen werden aktuell 14 von Demokraten und 21 von Republikanern gehalten. Laut Fachleuten gelten aktuell nur sieben Sitze als umkämpft. Umfrageportale sehen derzeit eine hauchdünne Mehrheit für die Demokraten, zuletzt konnten die Republikaner aber aufholen.

Was sagt die Wahl über die Zufriedenheit mit Joe Biden aus?

Die Midterm-Wahlen sind aufgrund ihres zeitlichen Abstands zur letzten und zur nächsten Wahl auch eine Art Zwischenzeugnis für den amtierenden US-Präsidenten - und mit dem sind die meisten Amerikaner unzufrieden. Während im März 2021 noch 55 Prozent der Wähler für Joe Bidens Politik Zustimmung signalisierten, liegt der Wert heute bei 42 Prozent. Gründe dafür sind beispielsweise die hohe Inflation, der übereilte Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan oder der Umgang mit der Corona-Pandemie.

Auffallend ist, dass sich Biden, entgegen der Tradition, bislang im Wahlkampf zurückhält. Bis auf vereinzelte Besuche bleibt er in Washington, sein Vorgänger Barack Obama begibt sich hingegen auf eine regelrechte Wahlkampftournee. Viele Kommentatoren werten diese Zurückhaltung als Beleg dafür, dass Joe Biden mit einem allzu forschen Auftritt die Chancen der Demokraten noch mehr dezimieren könnte.

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