Wirtschaft, Nato, Fake News: Vier Jahre hat Donald Trump regiert. War es eine Zeit der wirtschaftlichen Blüte und des Friedens? Oder standen Amerika und der Westen am Abgrund? Ein Rückblick.

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Die Demokraten sagen: Gewinnt Donald Trump, ist Amerikas Demokratie in Gefahr. Ein früherer Stabschef des Republikaners nennt ihn faschistisch. In Nato-Staaten herrscht Untergangsstimmung. Doch Trump kann nicht nur auf seine MAGA-Bewegung bauen. Abermillionen weitere Wähler finden, dass er als Präsident zwar genervt, das Land aber vorangebracht habe. Unermüdlich verkündet der frühere Präsident, in seiner Amtszeit habe die Wirtschaft gebrummt, und kein Widersacher hätte es gewagt, einen Krieg zu beginnen. Wie war das also zwischen 2017 und 2021?

Die brummende Wirtschaft haben sich die Amerikaner nicht eingebildet – aber es war ein kurzes Vergnügen. Trumps Regierung betrieb Deregulierung. Umweltauflagen wurden abgeschafft, nicht zuletzt das Fracking boomte. Als die Republikaner dann auch noch üppige Steuersenkungen auf Pump beschlossen, fiel die Arbeitslosenquote 2019 auf den niedrigsten Stand seit fünfzig Jahren. Auch Afroamerikaner profitierten sehr davon. Das erklärt, warum die Demokraten schwer durchdringen mit ihrem Hinweis, dass überwiegend Reiche und Unternehmen entlastet wurden.

Wirtschafswunder oder Strohfeuer?

Viele Ökonomen hielten Trumps Steuersenkungen ohne Ausgabenkürzungen für ein allzu teures Strohfeuer. Dass es schon nach Monaten erlosch, lag dann aber an der Pandemie. Als Trump 2021 das Weiße Haus verließ, hatten drei Millionen Amerikaner weniger eine Arbeit als bei seinem Amtsantritt. Die zum Ausgleich von Trump begonnenen und von Biden ausgedehnten Konjunkturprogramme halfen – und trugen maßgeblich zur zwischenzeitlich hohen Inflation in Bidens Amtszeit bei. In der Trump-Zeit war die Teuerung kein Thema gewesen.

Nun warnen die Demokraten, dass unter Trump die Preise vieler Konsumgüter steigen würden, da er Importe mit hohen Zöllen belegen will. Doch gerade die Wende der Republikaner in der Handelspolitik gefiel vielen Arbeitern. Sie sahen nicht die gesamtwirtschaftlichen Vorteile von Handelsabkommen wie dem NAFTA-Pakt mit Mexiko und Kanada, sondern nur die Abwanderung von Fabriken. Trump zog die USA aus der Transpazifischen Partnerschaft zurück, beendete die TTIP-Gespräche mit der EU, ließ NAFTA unter Drohungen neu aushandeln und begann einen Handelskrieg mit China. Importe aus dem Land wurden besonders belastet, Pekings Gegenmaßnahmen schadeten amerikanischen Exporteuren, etwa Farmern. Unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit belegte Trump auch Stahl- und Aluminiumeinfuhren aus verbündeten Staaten mit zusätzlichen Zöllen. Das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten aber wuchs noch. Unterm Strich gewann das Land auch keine Industriearbeitsplätze hinzu.

Was wurde aus der Mauer?

Viele Trump-Wähler rechnen ihm dennoch an, dass er im Kampf gegen die Globalisierung hart blieb, und viele geben seine Eigenwerbung wieder, dass er als erster Präsident der Geschichte alles gemacht habe, was er ankündigte. Dabei blieb Trumps Versprechen leer, Obamas Gesundheitsreform durch etwas "viel Tolleres" zu ersetzen – Obamacare ist weiter in Kraft. Auch ein Infrastrukturpaket brachte nicht Trump, sondern erst Biden durch den Kongress.

Und die Mauer? Von der mehr als 3000 Kilometer langen Grenze zu Mexiko war nach vier Jahren Trump nur unwesentlich mehr durch Barrieren bewehrt als vorher, vielerorts wurden aber marode Zäune ersetzt. Mexiko hat dafür nichts bezahlt; vielmehr erklärte Trump einen Notstand, um gegen den Willen des Kongresses auf Sondermittel des Pentagons zurückgreifen zu können – was Gerichte später für rechtswidrig erklärten.

Besser funktioniert hatte die Abschreckung: Während Millionen illegal eingewanderter Menschen nach Trumps Sieg in Angst vor "Massendeportationen" lebten, kamen zunächst monatlich "nur" um die 50.000 irreguläre Einwanderer hinzu. Zu den 2016 wie heute versprochenen Deportationen aber kam es nie; unter Obama waren jährlich mehr Menschen abgeschoben worden. 2019 wurden die Zuwanderungszahlen denn auch wieder sechsstellig. Auch diesem Boom setzte die Pandemie ein vorläufiges Ende.

Versprochen hatte Trump auch einen "totalen Muslim-Bann". Im dritten Anlauf setzte er Einreiseverbote für die meisten Bürger von sechs Ländern der islamischen Welt durch, in denen Sicherheitsprüfungen schwer machbar seien. Frühere Versionen des Dekrets waren vor Gericht gescheitert, weil sie offen auf Diskriminierung beruhten. Nicht nur Islamophobie, auch eine Nähe zu Antisemiten wurde Trump trotz seiner Nähe zu Israels Regierung oft vorgehalten. Den Neonazi-Aufmarsch 2017 in Charlottesville wollte der Präsident nicht konsequent verurteilen ("gute Leute auf beiden Seiten").

Unberechenbarkeit als Kraft des Friedens

So sehen viele europäische Regierungen in Trump einen Politiker, der die Werte des Westens verrät, der autoritäre Herrscher demokratischen Verbündeten vorzieht und durch seine impulsive Art jederzeit Krisen oder Kriege anzuzetteln droht. Trumps Fürsprecher aber verkaufen dessen Unberechenbarkeit als Stärke, da sie Amerikas Feinde verunsichere. Man dürfe Trump nicht an seinem Ton, sondern nur an seinen Taten messen.

In der Abschreckungspolitik ist das nicht leicht zu trennen. Immer wieder ließ Trump als Oberbefehlshaber Zweifel daran aufkommen, dass die USA jeden Nato-Partner verteidigen würden. Nach Aussage hoher Mitarbeiter brachte er mehrmals einen Nato-Austritt ins Spiel. Zum einen wollte Trump die Alliierten so nötigen, mehr in ihre Verteidigung zu investieren – was gelang. Zum anderen wird über Trumps Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin spekuliert. Für den von vielen Demokraten auf dünner Indiziengrundlage erhobenen Vorwurf, Moskau habe in Abstimmung mit Trump in den Wahlkampf 2016 eingegriffen, fand ein Sonderstaatsanwalt keine Beweise. Trump allerdings bestritt, dass sich Moskau überhaupt eingemischt habe. Er nahm Putins Dementi ernster als die Einschätzung der US-Dienste.

Trumps Bedingung an Selenskyj

Die Kongress-Republikaner drängten Trump zu einer strengeren Russlandpolitik, etwa durch Sanktionen gegen die russisch-deutsche Gasleitung Nordstream 2. Die Sicherung der Nato-Ostflanke wurde in den Trump-Jahren deutlich verstärkt; die Ukraine erhielt Panzerabwehrwaffen. Sympathie für Kiew ließ Trump aber nie erkennen. Die Auszahlung der vom Kongress bewilligten Unterstützung knüpfte der Oberbefehlshaber 2019 daran, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj ihm belastendes Material über Joe Biden liefere, dessen Sohn Hunter in der Ukraine Geschäfte gemacht hatte. Damit handelte Trump sich ein Amtsenthebungsverfahren ein; der Senat sprach ihn frei. Wie Trumps Verhältnis zu Russland ist also auch das zur Ukraine sehr von seiner innenpolitischen Auseinandersetzung mit den Demokraten geprägt.

Mehrere Leute aus Trumps innerem Zirkel haben berichtet, dass der Präsident immer wieder "fahrlässig" Nuklearschläge ins Spiel gebracht habe. Amerikas Verhältnis zu Berlin und Brüssel litt auch unter dem Rückzug aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und aus dem Atomabkommen mit Iran. Trump wollte Teheran durch Sanktionen in die Knie zwingen, doch die Partner zogen nicht mit, und Teheran ist der Atombombe nun deutlich näher. In Trumps Lager wird dagegen argumentiert, der Nukleardeal habe Teheran das Geld verschafft, das bei der Hamas gelandet sei und den großen Angriff auf Israel ermöglicht habe.

Trump hatte gelobt, im Nahen Osten Frieden zu schaffen ("der unmögliche Deal"). Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, zu der viele Evangelikale Trump gedrängt hatten, hatte nicht die unmittelbaren katastrophalen Folgen, die Kritiker in der eigenen Regierung ihm ausgemalt hatten. Im Zuge der von Amerika vermittelten "Abraham-Abkommen" schloss Israel zunächst Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrein.

Liebesbriefe an Kim Jong-un

Unberechenbar war Trump auch für Verbündete und eigene Minister. Den Rückzug aus Syrien auf Kosten kurdischer Partner befahl er 2018 so plötzlich, dass Verteidigungsminister James Mattis zurücktrat. Den schon von Obama und Trump versprochenen Abzug aus Afghanistan vollzog zwar erst Biden – unter katastrophalen Bedingungen. Unter Trumps Regierung war freilich das für die Amerikaner demütigende Abkommen mit den Taliban ausgehandelt worden, deren Vertreter Trump zunächst sogar nach Camp David einladen wollte.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un drohte Trump erst einen Atomschlag an ("Feuer und Zorn"), um dann "Liebesbriefe" mit ihm auszutauschen und sich zu zwei Gipfeltreffen zu verabreden. Es folgte sogar eine Stippvisite auf nordkoreanischem Boden – doch erreichen konnte Trump nicht mehr als seine Vorgänger mit ihrer herkömmlichen Diplomatie. Kim Jong-un hat weiter aufgerüstet. Trump aber sagt, Kim sei für Amerika weniger gefährlich als "der Feind im Inneren".

Bleichmittel gegen Corona

Zu Beginn der Corona-Pandemie spielte Trump nach eigenen Worten die Gefahr der Seuche bewusst herunter. Später erklärte er sich zum "Kriegspräsidenten" im Kampf gegen das "China-Virus". Dann wieder schürte er den Kulturkampf zwischen den (links verorteten) Vorsichtigen und den (freiheitsliebenden) Maßnahmengegnern. Viele Demokraten geben Trump eine Mitschuld an Hunderttausenden Todesfällen allein im ersten Pandemiejahr. Sie erinnern daran, dass er laut darüber nachdachte, Covid-Patienten Bleichmittel zu spritzen. Republikaner dagegen schreiben es Trump gut, dass es Ende 2020 bereits Impfstoffe gab.

In das von Corona aufgewühlte Amerika fiel auch die Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten. Die gewaltsame Eskalation einiger Antirassismusproteste nahm Trump zum Anlass, die ganze Black-Lives-Matter-Bewegung als extremistisch zu brandmarken und den Einsatz der Armee gegen Demonstranten zu erwägen. Verteidigungsminister Mark Esper half das zu verhindern und trat nach der Wahl im November 2020 zurück, weil er offenbar befürchtete, dass der Oberbefehlshaber militärische Hilfe anfordern könnte, um seinen Verbleib im Amt zu ermöglichen. General a. D. John Kelly, Trumps erster Heimatschutzminister und zweiter Stabschef, sagt, der 45. Präsident erfülle die "Definition eines Faschisten". Wiederholt habe Trump Hitler zugebilligt, "auch gute Dinge getan" zu haben.

Trump ist überzeugt, von einem "tiefen Staat" behindert worden zu sein. Zu Beginn seiner Amtszeit hat er die "Fake-News-Medien" – einschließlich der meisten großen Sender und Zeitungen – als "Feinde des amerikanischen Volkes" verunglimpft. Früh prägte seine Regierung das Wort von den "alternativen Fakten"; das Weiße Haus verteidigte die Verbreitung erfundener Behauptungen, wenn sie eine "richtige Botschaft" enthielten.

Am Ende ein Putschversuch

Trump ernannte mehr als 230 meist erzkonservative Bundesrichter, 54 davon an Berufungsgerichten und drei am Supreme Court. Jeder Präsident versucht, der Rechtsprechung so für Jahrzehnte seinen Stempel aufzudrücken; die religiöse Rechte hat ihr Werben für den unreligiösen Rechten nicht bereut. Doch Trump hat auch versucht, FBI und die Bundesstaatsanwaltschaft für persönlichen Zwecke einzuspannen. Um seine Niederlage von 2020 in einen Sieg umzumünzen und Joe Bidens Wähler zu entrechten, setzte er republikanische Politiker in vielen Bundesstaaten ebenso unter Druck wie eigene Minister, Mitarbeiter im Weißen Haus und seinen Vizepräsidenten. Hemmungslos und wissentlich hatte er schon vor der Wahl Desinformation verbreitet und dafür gesorgt, dass viele Amerikaner dem Wahlsystem nicht mehr trauen. Am 6. Januar 2021 schürte er den Hass vieler seiner Anhänger auf Vizepräsident Mike Pence und ermunterte sie zum Sturm auf das Kapitol. Die Ermittlungen wegen seiner putschähnlichen Bestrebungen tut er als Hexenjagd ab – und den "Hexenjägern" droht er mit Rache.

Vieles spricht dafür, dass Trump seine Ziele in einer zweiten Amtszeit leichter durchsetzen könnte. 2017 und 2018 dominierten die Republikaner zwar den Kongress, aber die Fraktionen waren viel Trump-skeptischer als heute. Der Präsident hievte politisch unerfahrene Familienmitglieder in hohe Positionen im Weißen Haus und hatte anfangs viele Minister und Berater, die ihn einzuhegen trachteten; in Europa ist man diesen "Erwachsenen im Raum" bis heute dankbar. Als Trump immer mehr von ihnen, meistens per Twitter, gefeuert hatte, bekam er im Oval Office zwar seltener Kontra. Dafür eroberten 2018 die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus und durchkreuzten viele Vorhaben.

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Nun hat Trump die Partei auf Linie gebracht, und rechte Vorfeldorganisationen haben Dekrete und Gesetzentwürfe vorbereitet. Es gibt Datenbanken mit linientreuen Bewerbern für Tausende Regierungsposten. Wenn dann auch noch die Republikaner im Kongress das Sagen haben sollten, hätte Trump freie Bahn.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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