Ralph Brinkhaus wagt einen Vorstoß in Sachen Wahlrechtsreform, doch seine Fraktionskollegen in der CDU hat er offenbar vorher nicht gefragt. 39 Abgeordnete werfen ihm den "denkbar schlechtesten Vorschlag aller bisherigen Vorschläge" vor. Trotzdem hat er erreicht, dass endlich Bewegung in die Debatte kommt; drei Modelle werden diskutiert.
Die Diskussion über eine Wahlrechtsreform, mit der ein weiteres Aufblähen des Bundestags verhindert werden soll, nimmt immer mehr Fahrt auf.
Die Spitze der Unionsfraktion will dazu an diesem Dienstag in der Fraktionssitzung (17:00 Uhr) drei Modelle zur Debatte stellen, wie die Deutsche Presse-Agentur in Berlin nach einer Sitzung des Fraktionsvorstands aus Unionskreisen erfuhr.
Ziel sei ein Meinungsbild der Abgeordneten, mit dem Fraktionschef
Brinkhaus-Plan: Ab 750 Abgeordneten wird gekappt
Zuvor hatte sich Brinkhaus ziemlich unbeliebt in seiner Fraktion gemacht. Offenbar ohne sich mit seinen Kollegen abzustimmen oder zumindest deren Meinung abzuklopfen, preschte der CDU-Mann vor.
Sein Modell eines Notfallmechanismus für die Bundestagswahl 2021 sieht ab einer Zahl von 750 Abgeordneten eine Kappung vor. Danach soll im Wechsel je ein Überhangmandat nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert und ein Direktmandat gestrichen werden - bis man bei der Höchstzahl von 750 Sitzen angelangt ist.
Von 2025 an sieht dieses Modell eine Reduzierung der Wahlkreise von jetzt 299 auf 280 vor, sieben Überhangmandate sollen ausgleichslos bleiben.
Kritik an Brinkhaus aus eigener Fraktion: "Denkbar schlechtester Vorschlag"
Mit seinem Vorschlag stieß Brinkhaus aber auf ziemlich heftigen Widerstand in der eigenen Fraktion. "Dieser Vorschlag stellt aus unserer Sicht keine geeignete Grundlage für eine verfassungskonforme und sinnvolle Wahlrechtsänderung dar", heißt es in einem Brief, der von mindestens 39 Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion unterzeichnet worden sei, wie verschiedene Medien berichten.
"Es ist leider der denkbar schlechteste Vorschlag aller bisherigen Vorschläge", schreiben die Abgeordneten demnach weiter.
Wie unsere Redaktion exklusiv aus Unionskreisen erfuhr, war Brinkhaus vollkommen bewusst, dass er für seinen Vorstoß Kritik ernten würde. Sein Ziel, endlich Bewegung in die seit langem in einer Sackgasse steckende Diskussion um die Reform des Wahlrechts zu bringen, habe er aber erreicht - und nur darum sei es ihm gegangen.
Grüne und FDP lehnen Vorschlag ab
Das zweite Modell sieht ein Vorziehen der Reduzierung der Zahl der Wahlkreise auf 280 schon für 2021 vor, der Notfallmechanismus würde entfallen. In Unionskreisen hieß es, dieses Modell sei technisch schwierig umzusetzen, aber möglich.
Das dritte Modell entspricht dem CSU-Vorschlag vom Montag: Es beinhaltet die einmalige Anwendung einer Höchstgrenze für 2021 von 699 Abgeordneten - 299 Wahlkreiskandidaten und maximal 400 Listenmandate.
Bei einem Überschreiten der Höchstgrenze solle die Zahl der Abgeordneten im Verhältnis der Fraktionen reduziert werden. Ab 2025 würde die Größe des Bundestages durch eine Kombination von ausgleichslosen Überhangmandaten und einer Reduzierung der Zahl der Wahlkreise begrenzt.
Grüne und FDP hatten den CSU-Vorschlag allerdings am Montag umgehend als verfassungswidrig zurückgewiesen. Einer der prominentesten Sozialdemokraten im Bundestag, dessen Vizepräsident Thomas Oppermann, drohte damit, für den Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken zu stimmen, wenn die Koalition sich nicht einigen könne.
Bundestag könnte bei nächster Wahl noch größer werden
Die Fraktionen hatten sich schon in der vergangenen Wahlperiode nicht auf eine Reform einigen können. In der Folge wurde das Parlament bei der Wahl 2017 mit 709 Abgeordneten so groß wie nie zuvor.
Die Sollgröße des Parlaments beträgt 598 Sitze. Für die Bundestagswahl 2021 wird ohne Wahlrechtsänderung ein Anwachsen auf 800 oder noch mehr Abgeordnete befürchtet.
Bislang liegt dem Bundestag nur ein einziger Gesetzentwurf vor, der dies verhindern will. Ihn haben FDP, Grüne und Linke gemeinsam eingebracht. Er sieht auch eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 vor.
Die drei Oppositionsfraktionen bestehen darauf, dass der Entwurf am kommenden Freitag, dem letzten Sitzungstag vor der parlamentarischen Sommerpause, abschließend beraten und zur Abstimmung gestellt wird.
Der Bund der Steuerzahler übte scharfe Kritik wegen der Verzögerung der Wahlrechtsreform. "Ich halte es für unsäglich, dass die Fraktionen eine dringend nötige Reform des komplizierten Wahlrechts mit seinen Überhang- und Ausgleichsmandaten verschleppen - das Nachsehen haben die Wähler und Steuerzahler", sagte der Präsident der Interessenvereinigung, Reiner Holznagel, der "Welt" (Dienstag). (hub/dpa)
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