Friedrich Merz elektrisiert derzeit die CDU. Im Dezember könnte er zum Parteivorsitzenden gewählt werden, Teile der Christdemokraten erhoffen sich durch ihn eine konservative Kurskorrektur. Doch sowohl Parteifreunde als auch Experten sehen das kritisch. Einer warnt vor einer ähnlichen Entwicklung wie bei Martin Schulz.

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Mit Jens Spahn und Friedrich Merz stehen gleich zwei Bewerber um den CDU-Parteivorsitz für einen konservativeren Kurs als in den vergangenen Jahrzehnten unter Merkel.

Merz hat aktuellen Umfragen zufolge auch gute Chancen auf den Wahlsieg auf dem Parteitag im Dezember. Demnach liegt er in einigen Umfragen sogar leicht vor der aktuellen CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, die als Merkel-Vertraute gilt. Gesundheitsminister Spahn ist hingegen abgeschlagen.

Warnung vor einem Rechtsruck

Ein möglicher Rechtsruck birgt aus Sicht des Politologen Stefan Marschall aber große Risiken. Eine solche Verschiebung biete kurzfristig keine Garantie, Stimmen von der AfD zurückzuerobern, sagte der Düsseldorfer Professor der Deutschen Presse-Agentur. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass Stammwähler aus der Mitte abwanderten.

"Wahlen werden immer noch in der Mitte gewonnen, allerdings ist die Mitte breiter geworden", sagt er. Auch die Grünen zählten nun dazu. Die klassischen Wählerlager gebe es nicht mehr. "Alles ist beweglicher geworden."

Ähnlich sieht das Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungs-Institut Forsa: Im Interview mit der "Berliner Zeitung" warnt er, dass eine konservative Kurskorrektur nicht automatisch mehr Wähler bringe.

"Das haben wir in Bayern gesehen. Dort ist die CSU eingekracht, sie hat die liberale Mitte verloren. Das würde auch der CDU passieren. Sie würde die Wähler verlieren, die sie durch Merkels richtigen Kurs in der Mitte gewonnen hat."

Prominente CDU-Politiker raten ihrer Partei ebenfalls von einem Kurswechsel ab. Vergangene Woche hatte dies Partei-Vize Armin Laschet getan und gefordert, dass auch eine neue Führung, den Kurs der Mitte nicht verlassen dürfe.

Am Wochenende sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther: "Der Kurs der Vergangenheit war richtig - in der Mitte orientiert."

Ähnlich äußerte sich nun auch die stellvertretende Parteivorsitzende Julia Klöckner im ZDF-"Morgenmagazin. "Die CDU muss weder nach rechts rücken oder nach links rücken", sagte sie. Die Partei müsse stattdessen "breiter werden".

Ereilt Friedrich Merz das gleiche Schicksal wie Martin Schulz?

Zudem sieht sie den aktuellen Umfrage-Hype um Merz kritisch: "Natürlich elektrisiert Friedrich Merz", weil er kein Teil der großen Koalition sei und weil er aus der Wirtschaft komme. "Wir werden ja auch sehen, welche Phasen das haben wird, erst ein Hype - dann suchen die einen oder anderen was, was sie kritisieren können."

Forsa-Chef Güllner erklärt das Merz-Hoch wie folgt: Er "profitiert davon, dass viele denken, er komme von außerhalb der Politik." Das heiße aber nicht, dass er im Dezember tatsächlich Chancen auf den Parteivorsitz hat, meint der Meinungsforscher - und zieht einen Vergleich: "Ihm könnte eine ähnliche Entzauberung blühen wie Martin Schulz, wenn die Leute registrieren, wie lange er im Zentrum der Politik stand."

Schulz war als SPD-Kanzlerkandidat in Umfragen extrem stark gestartet, auf einem "Spiegel"-Titel war schließlich von "Sankt Martin" die Rede. Das Ende ist bekannt, Schulz verlor nicht nur die Bundestagswahl, sondern am Ende auch den SPD-Parteivorsitz.

Über Merz war kurz nach Bekanntgabe seiner Kandidatur "Friedrich, der Große" getitelt worden. Güllner erinnert daran, dass Merz' Umfragewerte als aktiver Politiker keinesfalls berauschend gewesen seien. "Man wird zudem kritisch hinterfragen, was er danach beruflich gemacht hat."

Seit seinem Rückzug aus der aktiven Bundespolitik 2009 saß Merz in den Führungsetagen zahlreicher Unternehmen. Vor allem seine Mandate als Aufsichtsratsvorsitzender bei der US-amerikanischen Fondsgesellschaft BlackRock sowie bei der HSBC-Bank, die mit Cum-Ex-Geschäften in Verbindung gebracht wird, sorgten für deutliche Kritik. (cai)

Verwendete Quellen:

  • dpa
  • B.Z.: Interview mit Forsa-Chef Güllner: "Friedrich Merz könnte eine Entzauberung blühen wie Martin Schulz"
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