• Beim "Kanzlergespräch" können Bürgerinnen und Bürger Olaf Scholz Fragen stellen.
  • In der vierten Ausgabe dieser Gesprächsreihe im niedersächsischen Gifhorn reagiert der Kanzler allerdings ziemlich erstaunlich auf die Sorgen eines Bürgers.
  • Für die Opposition ist ein Videoschnipsel des Abends, das sich viral verbreitet, ein gefundenes Fressen.

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Bürgernähe ist eine gefragte Eigenschaft von Politikerinnen und Politikern. Auch Olaf Scholz stellt sich regelmäßig in der Reihe "Kanzlergespräch" persönlich, von Angesicht zu Angesicht, in allen 16 Bundesländern den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern.

Vergangenen Dienstag stand Scholz im niedersächsischen Gifhorn zum vierten Mal seit seinem Amtsantritt Rede und Antwort. Gekommen waren 130 Gäste.

Die Anwesenden hatten einen bunten Strauß an Fragen im Gepäck – vor allem zum Thema Energieversorgung und zum Krieg in der Ukraine, aber auch zum Thema Ehrenamt, zum Schlafrhythmus des Kanzlers bis hin zum Nachfolger des 9-Euro-Tickets.

Vorwurf von Ziemiak an Scholz: "Der Bundeskanzler lacht die Menschen aus"

Im Gedächtnis bleiben wird die Veranstaltung allerdings wegen einer Bürgersorge, mit der Scholz nicht im Gespräch mit den Bürgern in Gifhorn konfrontiert wurde, sondern von der er von selbst anfing zu erzählen.

Genauer gesagt war es Scholz' Reaktion auf die ihm vorgetragene Sorge: ein unangebracht erscheinendes, spöttisches Lachen, das sich in den vergangenen Tagen als kurzes Videoschnipsel viral in den sozialen Medien verbreitet.

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak teilte den Clip auf seinem Twitteraccount, versehen mit seiner Bewertung: "Der Bundeskanzler lacht die Menschen aus."

Auch Mario Voigt, CDU-Landesvorsitzender in Thüringen, verbreitete den Ausschnitt bei Twitter mit den Worten: "Respektlos. Für die Sorgen, für die Probleme und Ängste der Bürger hat der Bundeskanzler #Scholz zwar keine Lösungen parat, aber #Häme dafür schon."

Der von den CDU-Politikern geteilte Clip zeigt allerdings nur eine kleine Sequenz einer längeren Antwort des Kanzlers auf die Doppelfrage eines anwesenden Bürgers. (Das komplette Kanzlergespräch ist auf der Website der Bundesregierung als Video abrufbar.)

Bürger sorgen sich wegen horrender Energiepreise

Demnach lief der Dialog folgendermaßen ab. Der Bürger stellt sich zunächst vor: "Ich bin Unternehmer. Und bitte erschrecken Sie jetzt nicht, ich habe 'ne Bäckerei. Aber darum geht es jetzt nicht, es geht mir um das Thema Bürokratie." Er führt aus, welche bürokratischen Anforderungen er mit seinem Betrieb erfüllen müsse und fordert von Scholz eine Begrenzung.

Dann kommt er zu seinem zweiten Thema: "Ist der Politik eigentlich bewusst, dass der Mittelstand einen Großteil des Geldes erwirtschaftet, das dann, auch aufgrund von Forderungen, die Politik wieder ausgeben kann?" Er sei als Unternehmer an einem Punkt, an dem das Ganze keinen Spaß mehr mache und forderte von Scholz, die Unternehmen mehr einzubeziehen.

Darauf lautet die Antwort des Kanzlers: "Zunächst mal: Toll, dass Sie eine Bäckerei haben." Es folgt eine kurze Pause und ein verschmitztes Grinsen des SPD-Politikers. Dann versucht er, die Sorge des Bürgers zu zerstreuen. "Ich hoffe, dass wir mit dem, was jetzt beschlossen ist und mit dem, was wir morgen auf den Weg bringen werden, auch die Grundlagen geschaffen werden, dass Sie mit den furchtbar hohen Energiepreisen umgehen können." Scholz verweist also auf den Doppel-Wumms der Ampelregierung, die 200 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Energiekrise aufbringen will – so weit so erwartbar.

Scholz lacht bei den Worten "Da wusste ich gar nicht, wie traurig ich gucken sollte"

Doch dann folgt die Passage, die bei vielen, auch neutralen Betrachtern für Verstimmung sorgt. Scholz erzählt von Nöten, die kürzlich an ihn herangetragen worden seien. "Neulich kam jemand zu mir und sagte: 'Herr Scholz, ich habe meinen Elektroofen gerade auf einen Gasofen umgestellt' – und da wusste ich gar nicht, wie traurig ich gucken sollte." Traurig gucken als Reaktion eines Kanzlers auf die Sorgen seiner Bürger?

Neben der verwirrenden Wortwahl des Kanzlers erstaunt auch seine ungewöhnliche Reaktion, während er von der Begegnung erzählt. Scholz grinst, kann sich ein Lachen nur schwer verkneifen und wirkt, als mache er sich tatsächlich lustig über den Vorfall.

Gasheizungen sind immer noch kostengünstiger als Stromheizungen

Wichtig zu wissen in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass eine Gasheizung trotz der drastisch gestiegenen Preise nach wie vor kostengünstiger ist als eine Elektroheizung. Ob der Kanzler deshalb so amüsiert war?

Während Scholz kaum mehr an sich zu halten können scheint, macht der Bürger im Raum eine Zwischenbemerkung, die nicht hundertprozentig zu hören ist, aber die der Autor dieser Zeilen folgendermaßen versteht: "Ich kann da nicht lachen, muss ich ehrlich sagen."

Dafür spricht die sich verändernde Mimik des Kanzlers und sein Wechsel zurück in einen ernsten Tonfall, verbunden mit der Aussage: "Ja, aber es ist ehrlicherweise schon eine große Herausforderung, da will ich nur sagen: Da machen wir jetzt was."

Nachzugucken ist diese Antwort in dem etwas längeren Ausschnitt, den der User Timo Konrad, Beschäftigter in der Staatskanzlei der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), zur Verteidigung von Scholz und als Replik auf Ziemiaks Vorwurf postete.

Ob diese längere Version des Dialogs Scholz nun be- oder entlastet, dürfte im Auge des Betrachters liegen. Einig ist sich die Twittergemeinde nur dahingehend, dass sich der Kanzler diese Reaktion besser gespart hätte.

Verwendete Quellen:

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