Trumps Besitzansprüche haben das abgeschiedene Grönland ungefragt in den Fokus der Welt gerückt. In der Hauptstadt Nuuk fragen sich seitdem viele, wie die Zukunft ihrer Insel wohl aussehen mag.

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Die Menschen auf Grönland sind eigentlich ein ruhiges Dasein am vermeintlichen Ende der Welt gewohnt. Doch seit US-Präsident Donald Trump Anspruch darauf erhoben hat, ihre Insel zu kontrollieren und zu amerikanischem Territorium machen zu wollen, finden sich die Grönländer plötzlich im Fokus der Weltöffentlichkeit wieder. In der Hauptstadt Nuuk stellen sich seitdem viele die Frage: Was geschieht mit uns und unserer Zukunft?

"Natürlich haben wir Angst, dass die USA auf irgendeine Weise unser Land übernehmen", sagt beispielsweise Kirsten Pedersen, als sie an einem Hotel vorbeigeht, vor dem Trump-Sohn Donald Jr. bei einem Kurzbesuch jüngst werbewirksam "Make America Great Again"-Mützen verteilen ließ. Die Grönländerin versucht wie viele andere in Nuuk, die Drohungen aus Washington nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen. Ähnlich sieht es Einar Lundblad. "Wir wollen selbst über uns bestimmen", sagt der Wirtschaftskontrolleur.

Angst und Aufmerksamkeit

Manche können dem Interesse für die Insel durchaus etwas abgewinnen, die 22-jährige Handelsschülerin Naja zum Beispiel. "Die Leute in der Welt wissen nicht sonderlich viel über Grönland", sagt sie. "Ich fühle mich gerade fast ein wenig wie eine Prinzessin. Wenn ich Nachrichten aus anderen Ländern bekomme, dann fragen die Leute nun, ob ich wirklich aus Grönland komme. Manche wussten nicht mal, dass hier Menschen wohnen."

Melissa Zeeb von der örtlichen Bank mag dieses Weltinteresse nicht: "Mir wäre es lieber, wenn Grönland keine Aufmerksamkeit bekommen würde, damit wir unser Leben so weiterführen können, wie es war, bevor Trump all diese Dinge gesagt hat."

"Wir wollen keine Amerikaner sein"

Der grönländische Regierungschef Múte B. Egede bemüht sich bei all diesen Meinungen um Geschlossenheit und auch darum, die Fronten nach außen hin zu klären. "Wir wollen keine Dänen sein. Wir wollen auch keine Amerikaner sein. Wir wollen Grönländer sein", wiederholte er mehrmals vor dänischen, grönländischen und internationalen Reportern.

Selbst vom Trump-Sender Fox News ließ er sich interviewen, um seine Position klarzumachen: Grönland entscheide selbst über seine Zukunft und sei unverkäuflich, aber durchaus interessiert an einer stärkeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit - etwa beim Abbau von Bodenschätzen.

Lukrative Bodenschätze

Diesbezüglich hat Grönland in der Tat viel zu bieten, vor allem hinsichtlich seiner Vorkommen Seltener Erden. Das sind Metalle, die etwa für die Produktion von Elektrogeräten, E-Autos oder Windkrafträdern benötigt werden. Entsprechend heiß begehrt sind sie in der EU - und auch in den USA, die die chinesische Vorherrschaft bei diesen Mineralen brechen wollen.

Vor der Nordküste Grönlands werden zudem riesige unerschlossene Öl- und Gasreserven vermutet. Für Trump mit seiner "Drill, baby, drill"-Maxime dürfte auch das verlockend klingen. Kirsten Pedersen hat das längst durchschaut. "Wir wissen, dass er nur ans Geld denkt", sagt sie. Trump sei bloß hinter den Rohstoffen her - gut für die Menschen auf Grönland wäre er nicht sein, ist sie sich sicher.

Kann Trump Grönland einfach kaufen?

Grönland und die Trump-Debatte
Maria Ackren. © dpa / Steffen Trumpf

Könnte Trump - wie von ihm bereits 2019 vorgeschlagen - Grönland einfach so von Dänemark abkaufen? "Nein", sagt die Politikwissenschaftlerin Maria Ackrén von der grönländischen Universität Ilisimatusarfik klipp und klar. "Das ist gesetzlich verboten. Man kann heutzutage nicht einfach Territorium kaufen. Das ist schließlich keine Immobilie", sagt sie.

In einem höchst theoretischen Szenario könnte die grönländische Regierung ein Referendum ansetzen, in dem sich die Bevölkerung zwischen den USA und Dänemark entscheiden müsste. Würde sich eine Mehrheit darin für die US-Übernahme aussprechen, würden Nuuk und Kopenhagen Verhandlungen zur Auslegung eines solchen Votums aufnehmen, wie Ackrén erläutert.

Realistisch ist dieses Szenario nicht. Die Grönländer würden Trump nach heutigem Stand ohnehin eine klare Absage erteilen: In einer für eine 57.000-Einwohner-Insel repräsentativen Umfrage sprachen sich jüngst 85 Prozent von knapp 500 Befragten dagegen aus, aus der sogenannten Reichsgemeinschaft mit Dänemark auszutreten und stattdessen Teil der USA zu werden. In der Befragung im Auftrag der Zeitungen "Berlingske" (Dänemark) und "Sermitsiaq" (Grönland) waren nur sechs Prozent für eine Übernahme durch die USA, neun Prozent waren unentschlossen.

Mögliche Unabhängigkeit statt USA

Ein anderes Referendum mit weitreichenden Folgen für die grönländische Zukunft könnte dagegen womöglich schon in einigen Jahren stattfinden: Grönland arbeitet seit Jahren auf eine Unabhängigkeit von seiner einstigen Kolonialmacht Dänemark hin, und tatsächlich steht dieser Prozess vor dem Hintergrund von Trumps Begehrlichkeiten im Zentrum des Wahlkampfs vor der anstehenden Parlamentswahl am 11. März.

Grönland ist heute weitgehend autonom, finanziell aber weiterhin stark von Kopenhagen abhängig. Das macht den Weg in die Unabhängigkeit - nach jetzigem Stand - äußerst schwierig. Wie er dennoch aussehen könnte, haben Dänemark und Grönland bereits 2009 in einem Gesetz geregelt: Darin ist verankert, dass die Grönländer selbst einen Entschluss über die Unabhängigkeit ihrer Insel treffen werden. "Diese Entscheidung muss von hier kommen und nicht aus Kopenhagen", sagt auch Ackrén in Nuuk.

Trumps Schatten

Grönland bewegt sich also langsam in Richtung Unabhängigkeit statt in Richtung USA - und doch hängt der Schatten der Trump-Debatte weiter über den verschneiten Straßen von Nuuk. Zwar sind die "Maga"-Caps vom Kurzbesuch von Trump Jr. rasch wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden. Doch einzelne, vor allem junge Grönländer hegen eine gewisse Faszination für Trump: Robert Nathanielsen zum Beispiel findet Amerika und Trump - im Gegensatz zu Dänemark - richtig gut, wie er sagt. Er wünscht sich eine stärkere Zusammenarbeit Grönlands mit den USA.

Melissa Zeeb hält dieses Trump-Interesse für falsch. "Die Jungs denken häufig an die USA, so wie wir sie aus den Filmen kennen. Aber die echten USA sind etwas anderes", sagt die Grönländerin, die selbst einmal in den Staaten gelebt hat. Ihr Wunsch für die Zukunft ihrer Insel? "Ich würde es bevorzugen, Teil Dänemarks und der EU zu sein - und beschützt von der Nato." (Von Steffen Trumpf, dpa/bearbeitet von fab)

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