1994 sorgte Michael Schumacher mit einem kontroversen Manöver für die WM-Entscheidung und jede Menge Diskussionen. 30 Jahre später besucht sein damaliger Rivale Damon Hill die schicksalhafte Stelle in Adelaide – und wird emotional.

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Damon Hill kann verzeihen. Er kann vergeben. Doch der frühere Formel-1-Weltmeister kann nicht vergessen. Wie auch?

Zu einschneidend war der 13. November 1994. Das letzte Saisonrennen in Adelaide, in dem er den Titel an Michael Schumacher verlor. 1995 fand dort noch ein Rennen statt, seitdem war er nie wieder (!) am Ort des Geschehens. Bis jetzt, denn vor dem anstehenden WM-Lauf in Melbourne stattete er der Ecke Flinders Street/Hutt Street einen Besuch ab. Dort in Adelaide, wo es zur ebenso legendären wie folgenreichen Kollision der beiden Titelrivalen kam.

"Das ist die Stelle. Das ist die Kurve, in der alles passiert ist", sagte Hill, als er für einen Beitrag des britischen Senders Sky in die australische Küstenstadt zurückkehrte. Damals war es nur eine Sekunde, ein Fehler, eine Kollision in der 36. Runde, die über Titel und Tragödie entschied. Was nicht verwundert, denn Schumacher und Hill fuhren damals mit dem Messer zwischen den Zähnen, auf der buchstäblich letzten Rille, am Limit. Und gingen auch ein wenig darüber hinaus – vor allem Schumacher.

Michael Schumacher fliegt durch die Luft, nachdem er beim Großen Preis von Australien in Adelaide am 13. November 1994 mit dem Briten Damon Hill auf der linken Seite kollidierte. © dpa/ASSOCIATED PRESS/MARK BROCK

Schumacher vs. Hill: Absicht oder Rennunfall?

Denn bis heute ist unklar, ob die entscheidende Szene Absicht oder einfach nur ein Rennunfall war. Schumacher lag ausgangs Kurve fünf in Führung, als er mit beiden rechten Rädern in die Mauer rauschte. Die Lenkung war verbogen, was im Grunde gleichbedeutend mit seinem Aus war. Hill jedoch hatte in seinem Williams als Zweiter Schumachers Crash nicht gesehen, sondern nur, dass Schumacher neben der Strecke war. Der wiederum wusste, dass der Brite kommen würde.

Die "Falle" schnappte zu. Hill dachte, Schumacher würde straucheln und sich gerade wieder fangen wollen, als der Benetton hin und her zuckte. Er wollte die sich ihm bietende Chance nutzen, griff in der nächsten Rechtskurve an. Doch Schumacher fuhr beim Einlenken mit dem rechten Hinterreifen über das linke Vorderrad des Williams und landete in den Reifenstapeln – Schumacher war raus, Hill schleppte sich in die Box.

Schumacher wurde zum ersten deutschen Formel-1-Weltmeister

Die Zuschauer sahen live im Fernsehen, wie die Mechaniker verzweifelt versuchten, den Williams zu reparieren, bei dem die Aufhängung beschädigt war. Vergebens. Hill schüttelte immer wieder den Kopf. Er konnte es nicht fassen, dass der Titel futsch war. Parallel dämmerte auch Schumacher, was Sache war: Er war der erste deutsche Formel-1-Weltmeister. Er hatte Geschichte geschrieben.

Die Briten hingegen schäumten, die Medien verunglimpften Schumacher heftig und auch Hill fragte sich nach dem Studium der TV-Bilder, ob die Aktion nicht doch Absicht war. Hinzu kam der Eindruck, dass Schumacher kurz vor dem Knall in den Rückspiegel geschaut hatte. Er selbst betonte, Hill nicht gesehen zu haben.

"Was können wir also daraus lernen? Die Tragödie des einen ist der Sieg des anderen?"

Damon Hill

"Alles [ist] vorbei. Aber das ist Geschichte. Das liegt jetzt im Archiv", sagte Hill in einem Instagram-Video. Etwas ausführlicher reflektierte er die Szene, die für einen Skandal sorgte und Geschichte schrieb, in einem Post auf Instagram. "Es hat 30 Jahre gedauert (wenn man das Jahr 1995 nicht mitzählt!), bis ich mir die schicksalhafte Szene eines der umstrittensten Vorfälle in der Formel 1 noch einmal vor Augen geführt habe", schrieb Hill.

Für junge Fans sei es vielleicht schwer, den Wirbel zu verstehen, den dieser "sportliche" Moment ausgelöst habe, sagte er: "Es wäre keine Übertreibung zu sagen, dass es weltweit Empörung und Kontroversen gab. Natürlich waren die Fans von Schumacher und Benetton begeistert! Was können wir also daraus lernen? Die Tragödie des einen ist der Sieg des anderen? Oder gibt es so etwas wie einen angeborenen Sinn für Recht und Unrecht, den wir auf unsere Kosten ignorieren? Wie auch immer, es war vielleicht ein vorhersehbares Ende einer zerrissenen und tragischen Saison. Die meisten von uns bei Williams waren froh, dass es vorbei war."

Kein Protest nach Imola

Denn das Jahr war damals auch ohne das Finale schlimm genug, aufgrund des schwarzen Rennwochenendes von Imola, als Roland Ratzenberger und Ayrton Senna ums Leben kamen. Ein Rennwochenende, das auch das Finale noch im Griff hatte. Der frühere Williams-Teilhaber Patrick Head verriet später einmal, man sei sich sicher gewesen, dass es ein Schumacher-Foul gewesen sei, habe aber aufgrund der schrecklichen Ereignisse in Imola auf einen Protest verzichtet, nachdem die Rennleitung den Crash als Rennunfall bewertet hatte.

"Da 1994 ein so schreckliches Jahr war – wegen des Todes von Ayrton Senna in einem unserer Autos in Imola –, dachten wir, dass es nicht richtig gewesen wäre, wenn Damon Weltmeister geworden wäre, schon gar nicht auf dem grünen Tisch, also sparten wir uns den Protest", sagte er dem Magazin F1 Racing. "Seinen" WM-Titel holte Hill 1996. Seinen Frieden mit 1994 machte er erst sehr viel später.

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Teaserbild: © dpa/ASSOCIATED PRESS/MARK BROCK