Mit einem Knall endete das monatelange Kompetenzgerangel beim Hamburger SV. Nun scheint der Weg für Ex-Profi Marcell Jansen frei - und damit auch für Gönner und Investor Klaus-Michael Kühne?

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Wenngleich derzeit alles ungewiss ist, die Welt vor einem Berg an ungelösten Problemen steht und niemand weiß, wie das alles eigentlich wann weitergehen soll. Wenn sich also ein großes Nichts auftut, weil alles sich verändert, dann gibt ein bisschen Konstantes doch etwas Halt.

Der Hamburger SV zum Beispiel hat sich in den letzten Jahren vehement zu einer echten Skandalnudel des deutschen Fußballs entwickelt, die sich von so einem Virus ganz sicher nicht beirren lässt. Während also anderswo die Zeit stillsteht und Strategien für die Zeit nach der Lethargie gesucht werden, ist beim HSV mal wieder großes Theater im Hier und Jetzt.

Gremium auf fünf Mitglieder dezimiert

Am Samstagnachmittag entschied sich ein seit Monaten aufbrausender Machtkampf und forderte einmal mehr gleich mehrere Opfer. Über vier Stunden beriet der Aufsichtsrat auf einer außerordentlichen Sitzung und kam zu einem ziemlich explosiven Ergebnis: Das siebenköpfige Kontrollgremium stellte den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann mit sofortiger Wirkung von seinem Amt frei. Die beiden verbleibenden Vorstände Frank Wettstein und Jonas Boldt führen den Club als Vorstandsduo weiter.

Unmittelbar nach der Entscheidung traten Aufsichtsratschef Max-Arnold Köttgen und Vizepräsident Thomas Schulz von ihren Ämtern im Aufsichtsrat zurück. Das auf fünf Mitglieder dezimierte Gremium wird ab sofort von Marcell Jansen als Aufsichtsratsvorsitzenden geleitet.

Damit folgte auf die langen Grabenkämpfe und Querelen in der Führungsetage nun der große Knall. "Wir können uns in dieser schwersten Krisenzeit des gesamten Profifußballs keine Energieverluste und belastete Vertrauensverhältnisse leisten. Der volle Fokus muss auf die HSV-Interessen gerichtet sein", ließ sich Jansen auf der Homepage des HSV zitieren - was natürlich ein letzter heftiger Seitenhieb gegen Hoffmann war, suggeriert die Aussage doch, Hoffmann habe im Zweifel eher sein eigenes als das Wohl des Klubs im Blick gehabt.

Bernd Hoffmann legte sich mit allen an

Schon letzten Mittwoch mussten die Streithähne Hoffmann, Wettstein und Boldt einzeln beim Aufsichtsrat antreten und ihre Sicht der Dinge schildern. Danach war klar, dass weder Wettstein noch Boldt bereit waren, weiter mit Hoffmann zusammenzuarbeiten.

Der war erst vor rund zwei Jahren zum HSV zurückgekehrt, musste aber von Beginn an unter anderem gegen Wettstein antreten. Der hat als Finanzchef den Niedergang des Klubs als einzig verbliebene Konstante in den letzten über fünf Jahren begleitet und bleibt auch nach dieser neuerlichen Kampfabstimmung im Amt.

Boldt dagegen ist erst seit letztem Sommer im Klub, rasselte aber auch recht schnell mit Hoffmann aneinander. Als es galt, mit dem Verkauf des einzigen rentablen Spielers Douglas Santos dringend benötigte Erlöse zu erzielen, soll Hoffmann am Sportvorstand Boldt vorbei einen Spielervermittler ins Boot geholt haben.

Kompetenzüberschreitungen und Alleingänge wie diese hätten sich in den Monaten danach gehäuft, zuletzt stritten Boldt und Hoffmann sich über mögliche Winterzugänge. Auch mit Trainer Dieter Hecking geriet Hoffmann nach einigen ziemlich flapsigen Kommentaren zur sportlichen Lage der Mannschaft aneinander.

Er hätte den HSV sehr gern aus dieser Krise geführt, sagte Hoffmann nach der Sitzung. "Ich muss aber akzeptieren, dass der Aufsichtsrat sich für einen anderen Weg entschieden hat."

Bald kann der Weg für Klaus-Michael Kühne frei sein

Diesen wird nun Jansen vorgeben und er dürfte dabei Unterstützung, Rat und vielleicht auch ein bisschen Druck von der grauen Eminenz des Klubs bekommen, die Hoffmann so gut dies eben möglich war auch in Zukunft aus allem raushalten wollte. Jansen ist als Aufsichtsrastchef und Präsident des HSV e.V. nun der neue mächtige Mann und gilt - ganz anders als Hoffmann - als Vertrauter von Klaus-Michael Kühne.

Der Gönner und Investor hatte zuletzt mit einer Ablösung Hoffmanns kokettiert, der ihm die gewünschte Änderung der Rechtsform der Profiabteilung verwehrte. Die Kühne Holding AG hält derzeit 20,6 Prozent der Aktien, der Milliardär würde aber gerne noch größer bei seinem Klub einsteigen.

Auch weitere Kredite Kühnes an den notorisch klammen HSV lehnte Hoffmann immer strikt ab. Nun könnte der Weg frei sein für eine Rechtsformänderung und weiteres frisches Kühne-Geld. Dafür fehlte noch eine weitere Rochade an der Führungsspitze.

Macht es Marcell Jansen wie Bernd Hoffmann?

Hoffmann selbst fand vor rund zwei Jahren durch das "Hintertürchen" im e.V. letztlich seinen Weg zurück an die Spitze der HSV Fußball AG. Damals ging der 57-Jährige als Präsident ins Rennen, schaffte es schnell auf den Posten des Aufsichtsratschefs. Dann kam er am Ziel an: Als Vorstandsvorsitzender hatte Hoffmann die größtmögliche Entscheidungsbefugnis im Klub.

Jansens Weg zeichnet nun - vorerst - exakt denselben Verlauf, vom Präsidenten des eingetragenen Vereins ist er seit Samstagnachmittag in einer Doppelfunktion auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden gerutscht. Mit einem weiteren Aufstieg Jansens ins Amt des Vorstandsvorsitzenden und Wettstein als treuem Wegbegleiter wären die entscheidenden Positionen des Klubs mit Kühne-Leuten besetzt.

Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis Kühne wieder mehr mitsprechen wird und mit neuem Geld subventioniert. Nur: Gebracht haben die Maßnahmen in den letzten Jahren auch herzlich wenig.

Verwendete Quellen:

  • HSV: "HSV-Aufsichtsrat stellt den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann frei
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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