Nach drei Spieltagen brennt in Dortmund schon gewaltig der Baum. Es hagelt gegenseitige Schuldzuweisungen – dabei tragen alle Beteiligten ihre Verantwortung für den missratenen Start.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Aus Wut neue Energie zu entfachen, das Erlebte umdrehen in eine "Jetzt erst recht"-Haltung: Das war der Plan des Dortmunder Sommers. Der Niederschlag am letzten Spieltag der abgelaufenen Saison sollte gleichzeitig auch der Startpunkt sein für eine Erfolgsgeschichte, der Gewinn der deutschen Meisterschaft nur vertagt.

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Nun ist dieses große Ziel nach nur drei gespielten Runden weiterhin zu erreichen. In der aktuellen Verfassung von Mannschaft, Trainerteam, sportlicher Leitung und überhaupt des gesamten Vereins aber wird das nichts anderes als ein reines Wunschdenken bleiben.

Borussia Dortmund steckt in der ersten handfesten Krise der jungen Saison. Für viele Beobachter kommt das überraschend, dabei waren einige Anzeichen für einen unter Umständen holprigen Start schon vor Wochen zu erkennen.

Die ungewöhnliche Vorbereitung

Die Reise in die USA war von vornherein kritisch gesehen worden. Der BVB reiste viel und trainierte vergleichsweise weniger als andere Mannschaften oder als das noch in den Jahren zuvor in Bad Ragaz – im gewohnten Ambiente, an einem Ort – der Fall war.

Für Edin Terzic und sein Trainerteam waren das trotz aller Beteuerungen und den verweisen auf die optimalen Bedingungen in den Staaten keine günstigen Voraussetzungen. Dazu kamen während der Vorbereitung einige Verletzungen von wichtigen Spielern, die die Arbeit an den Inhalten zusätzliche erschwerten.

Der diskutable Transfersommer

Sebastian Kehl wurde nicht müde, die Zweifel über den angeblich eher mauen Transfersommer immer wieder zu entkräften. Im größeren Kontext der letzten beiden Transferperioden habe der BVB gezielt und sehr gut eingekauft, eine gute Mischung gefunden. Für die letzten Wochen aber ließe sich auch ein gegenteiliges Bild zeichen.

Der Transfer von Niclas Füllkrug auf den quasi letzten Drücker hat eine der Baustellen noch geschlossen, im Angriff ist der BVB mit nun drei gelernten Mittelstürmern und zwei verschiedenen Spielerprofilen für drei Wettbewerbe vermeintlich gut aufgestellt. Mit nur drei Innenverteidigern in die lange Saison zu gehen und der überschaubaren Auswahl auf den Außenverteidigerpositionen, ist mindestens ein Wagnis. Die Geräusche um Felix Nmecha mit all ihren Widersprüchen zu den Werten des Klubs sind vorerst verstummt – von der Agenda sind sie aber noch lange nicht.

Der BVB hat abgesehen vom Nmecha-Transfer den Fokus auf gestandene, bundesligaerfahrene Spieler gelegt, Füllkrug ist da nur ein letztes Puzzleteil. Die offensichtlichen Lücken im Kader sind aber nicht optimal gefüllt. Im defensiven Mittelfeld fehlt es an einer kreativen Lösung, in der Innenverteidigung womöglich schon bald an der nötigen Breite und auf den Außen an einer hochwertigen Qualität, die eine Mannschaft aus dem Spitzensegment auf Strecke benötigt.

Wunsch und Wirklichkeit

Edin Terzic wollte die Abgänge von Jude Bellingham und Raphael Guerreiro mit mehreren Spielern und einer etwas veränderten taktischen Ausrichtung auffangen. Das hat bislang allen falls in Nuancen funktioniert. Zum wiederholten Mal stellte Terzic nach der Partie gegen Heidenheim am Freitag seine Mannschaft in den Senkel, der Wortlaut kam mehr als bekannt vor.

"Wir haben immer wieder genau diese Spiele angesprochen", sagte Terzic. "Und jetzt passieren sie uns wieder." Allerdings fällt jede noch so berechtigte Kritik an den Spielern auch auf den Trainer und sein Trainerteam zurück. Es ist Terzic' Verantwortung, die Mannschaft inhaltlich und mental auf Linie zu bekommen. In den ersten rund 200 Minuten der Saison konnte der BVB aber allenfalls 50 oder 60 Minuten überzeugen. Und das gegen die vermeintlichen Underdogs aus Köln, Bochum und Heidenheim.

Entgegen der an sich guten Daten – der BVB gehört jedenfalls auf dem Papier bisher zu den lauf- und sprintstärksten Mannschaften der Liga – bleibt aber auch das Gefühl, dass die nicht alle Spieler der Mannschaft topfit und für 90 oder 100 Minuten Bundesligafußball austrainiert sind. Die Schlussphasen gegen Bochum und vor allen Dingen Heidenheim schürten jedenfalls erhebliche Zweifel an der körperlichen Verfassung der Mannschaft.

Julian Brandts öffentliche und schonungslose Kritik nach dem Bochum-Spiel kam wohl nicht von ungefähr. "Jeder ist selbst dafür verantwortlich, am Anfang der Saison sich dahin zu arbeiten, dass man auf seinem Peak und in einer guten Verfassung ist. Dass man das leistet, wozu man imstande ist. Da haben wir momentan einfach zu wenige von", sagte Brandt.

Die lernresistenten Mannschaften

Borussia Dortmund und die Probleme in den sogenannten "kleinen Spielen": Das scheint sich auch in dieser Saison nahtlos fortzusetzen. Bereits in der Vorbereitung zeigten sich ein paar Motivationsprobleme gegen unterklassige Gegner, dagegen zeigte die Mannschaft gegen namhafte Größen des europäischen Fußballs auf der USA-Reise dann vernünftige Vorstellungen. Diese etwas laxe Einstellung setzt sich nun auch in den Pflichtspielen fort.

"Wir haben ein Gesicht gezeigt, das wir in den vergangenen Jahren sehr häufig gezeigt haben. Das darf einem Top-Team mit derart hohen Ambitionen nicht passieren. Es geht darum, alles dem Sieg unterzuordnen. Das ist uns wiederholt nicht gelungen. So wird es schwer sein, irgendwann mal was zu feiern", sagte Terzic nach Heidenheim.

Auch hier drängt sich schon wieder der Verdacht auf, dass die Mannschaft nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit an ihre Aufgaben geht – und einmal in diesem negativen Fahrwasser gefangen, dann auch den Schalter nicht mehr entscheidend umlegen kann.

Die offenbar angespannte Gesamtlage

Ein paar Meinungsverschiedenheiten zwischen Trainer und Sportdirektor bei der Auswahl geeigneter Zukäufe gehören zum Geschäft dazu und sind kaum zu vermeiden. Am Samstag drangen aber auch Gerüchte an die Öffentlichkeit, dass es im Klub ordentlich rumoren würde. "Sport1" berichtete von "atmosphärischen Störungen" in der Chefetage, es herrsche eine "toxische und hochexplosive Lage" bei der Borussia.

Nun muss der Klub diesen offenbar angespannten Zustand wegen der Länderspielpause in den nächsten 14 Tage wohl aushalten. Gelegenheit für Korrekturen oder eine Kehrtwende sportlicher Natur gibt es jedenfalls nicht. Und das nächste Spiel hat es nach dem leichten Auftaktprogramm dann auch gleich in sich: Der BVB muss zum SC Freiburg. Und die haben nach der deftigen 0:5-Klatsche im Derby in Stuttgart einiges gutzumachen.

Verwendete Quellen:

  • spox.com: Ratloser BVB taumelt in die erste Krise der Saison
  • sport1.de: Dieses Interview hat es in sich
  • spox.com: "Atmosphärische Störungen" in der BVB-Chefetage?
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