Noch-Geschäftsführer Watzke lenkt ein und stellt den umstrittenen Millionenvertrag mit dem Rüstungskonzern zur Abstimmung - im kompletten Verein. Er verhält sich damit klüger als sein größter Rivale damals beim Katar-Deal.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Die BVB-Mitglieder haben auf ihrer Jahreshauptversammlung mehrheitlich gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall als Vereinssponsor gestimmt. Es ehrt Noch-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, dass er die Gegenstimmen hört und nicht ignoriert. Und das, obwohl das Votum aus dem Bauch des Vereins nicht bindend ist. Watzke, ein bekennender CDU-Sympathisant hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, Waffengeschäfte nicht abzulehnen.

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Watzke will "komplettes Meinungsbild"

Er möchte jetzt trotzdem alle Mitglieder befragen, wie sie zu diesem Deal stehen, und seine Entscheidung nicht von den 1.205 anwesenden Mitgliedern abhängig machen, die ja immer nur ein Bruchteil der über 200.000 sind. "Ich wünsche mir, dass wir uns ein komplettes Meinungsbild unserer 218.000 Mitglieder einholen", sagte der Geschäftsführer am Montag bei der Hauptversammlung der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA vor den Aktionären.

Ja, Politik hat sich grundsätzlich aus dem Sport herauszuhalten – sagt man. Aber das ist Unsinn. Alles, was ein Verein in seiner Stadt tut, und erst recht bei einem Millionenvertrag mit einem Rüstungskonzern, findet sein Echo zuerst bei den Menschen vor Ort und dann bei der Politik. Man kann der Debatte nicht ausweichen. Also sollte man sich ihr stellen. Und sei es mit einem Mitgliedervotum. Genau das ist Demokratie. Und genau das tut Watzke jetzt.

Das Vorgehen ist nur folgerichtig. Man kann ja nicht einerseits immer wieder die Einzigartigkeit des deutschen Vereinswesens im internationalen Profifußball herausheben (Stichwort 50+1) und andererseits das Hohelied des Kapitalismus singen, wenn es um die Kohle gibt. Borussia Dortmund braucht das Geld, gar keine Frage. Aber wenn man stolz auf seine Werte ist, gehören die Konsequenzen dazu. Und notfalls auch Geldverzicht.

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Katar-Deal des FC Bayern als Gegenbeispiel

Bei der Mitgliederbefragung steht deswegen mehr auf dem Spiel als ein äußerst lukrativer Sponsorenvertrag mit Rheinmetall. Es geht um Werte und damit um das Selbstverständnis beim größten Klub des Ruhrgebiets. Die Bayern haben damals auf die Volksmeinung in ihren Reihen gepfiffen und den umstrittenen Katar-Vertrag durchgeboxt, damit sie die Millionen kassieren konnten. Der Streit um Katar stellte Bayern München vor eine Zerreißprobe.

Der damals neue Vereinspräsident Herbert Hainer, vorher Lenker des Weltkonzerns Adidas, war bei der Mitgliederversammlung heillos überfordert und brach die emotionale Diskussion über das Katar-Sponsoring kurzerhand ab. Qualitätsmedien wie die Deutsche Welle sprachen von einem "Eklat bei der Jahreshauptversammlung". Der FC Bayern war blamiert - und blieb seinen Geschäftspartnern in Katar trotzdem treu.

Borussia Dortmund wiederholt den Bayern-Fehler offenbar nicht. Mehr noch: Es spricht für den BVB, wenn man aus dem Bayern-Fehler lernt und auf die Leute im Verein hört. Man wird deswegen im Klub nicht einer Meinung sein, es wird womöglich hitzig zugehen. Aber wo, wenn nicht in einem erfolgreichen Verein, will die Gesellschaft solche Zukunftsfragen ausdiskutieren? Eines sollte Watzke jedoch ausdrücklich betonen: Dass er sich dem Ergebnis der Stimmangabe verpflichtet fühlt.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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