Der Wechsel von Julian Nagelsmann zum FC Bayern setzt Maßstäbe. Nicht nur sportlich, sondern auch wegen der höchsten Ablösesumme, die in der Bundesliga jemals für einen Trainer gezahlt worden ist. Dabei war es längst überfällig, dass Vereine auf der wichtigsten Position im modernen Fußball Geld in die Hand nehmen, um sich für die Zukunft zu rüsten.
Plötzlich ging doch alles ganz schnell. Nach einer wochenlangen Hängepartie um die Zukunft von Coach Hansi Flick präsentierte der FC Bayern am Dienstag mit Julian Nagelsmann einen Nachfolger für die neue Saison. Mancher rümpfte dabei vor allem wegen der für einen Trainer astronomisch hohen Ablösesumme die Nase.
FC Bayern: Nagelsmann teuerster Bundesliga-Trainer aller Zeiten
Wie viel die Münchner genau nach Leipzig überweisen werden, blieb zunächst unklar. Irgendwo zwischen 15 und 25 Millionen Euro dürfte der Fixpreis liegen. Plus möglicher Boni im Erfolgsfall. Ja, das sind neue Dimensionen. Aber überhöht ist das nicht.
Die Rolle von Trainern insbesondere in den europäischen Top-Ligen hat sich in den vergangenen Jahren extrem gewandelt und ausdifferenziert. Ein Trainer muss fachlich auf der Höhe der Zeit sein, er muss eine Mannschaft und einen immer größeren Staff motivieren und führen können, er muss eine Kultur schaffen, die nicht nur Spielern Höchstleistungen ermöglicht, sondern im Idealfall auch Millionen Fans mitreißt.
Er muss eine Mannschaft weiterentwickeln können. Individuell und Kollektiv. Ein Trainer muss interkulturelle Kompetenz mitbringen und nebenbei noch drei- bis fünfmal pro Woche vor zahlreichen Kameras Rede und Antwort stehen und den eigenen Arbeitgeber adäquat nach außen vertreten.
In welchem Job gibt es ein solch komplexes Anforderungsprofil? Am ehesten vielleicht noch bei einem CEO eines Großkonzerns.
Nagelsmann ist längst kein Talent mehr
Nur wenige beherrschen weltweit diesen Beruf in all seinen Ausprägungen auf allerhöchstem Niveau. Es spricht viel dafür, dass
All das ist kein Zufall. Nagelsmann ist längst mehr als ein außergewöhnliches Trainertalent. Und deshalb ist es folgerichtig, dass der FC Bayern in einer für ihn schwierigen Lage nach der Rücktrittsbitte von Flick tief in die Tasche gegriffen hat, um diesen Mann zu holen.
Erfolg garantieren kann keiner, doch die Voraussetzungen, die Nagelsmann mitbringt, sind herausragend. Fraglich ist einzig, ob er, der bisher vor allem mit jungen, entwicklungsfähigen Spielern zusammengearbeitet hat, auch bei gestandenen Stars wie Manuel Neuer, Thomas Müller oder Robert Lewandowski sofort Gehör findet. Das muss sich zeigen. Gleichzeitig ist die Spielergeneration 30+ heute eine andere als vor zehn oder 20 Jahren. Die eigene sportliche Weiterentwicklung und die Aussicht auf maximalen Erfolg stehen über allem. Hier wird Nagelsmann mit Akribie und Know-how punkten können.
Trainer bekommen immer höheren Stellenwert
In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Ablösesummen für Spieler sukzessive erhöht. Viele Klubs haben dabei wahnsinnig viel Geld verbrannt. In der Größenordnung 15 bis 25 Millionen, die jetzt für Nagelsmann aufgerufen wurde, finden sich allein in der Bundesliga deutlich mehr Flops oder durchschnittliche Spieler als echte Klasse, die den jeweiligen Verein über Jahre weitergebracht hat.
Hinzu kommt, dass der Markt für Abwehr- oder Mittelfeldspieler deutlich breiter ist, als für Spitzentrainer. Welcher deutschsprachige Trainer wäre außer Nagelsmann für die Flick-Nachfolge in Frage gekommen? Klopp und Tuchel sind gebunden. Bliebe ein Name wie Erik ten Hag von Ajax Amsterdam. Viel mehr ist da nicht.
Insofern haben die Bayern richtig gehandelt. Kein öffentliches Pokerspiel, das am Ende eine Lösung gefährdet hätte, sondern eine entschlossene Investition in einen guten Trainer und damit in die eigene Zukunft. Und nebenbei zeigt man so auch den Spielern, dass man es Ernst meint mit dem Trainer. Und zwar langfristig.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.