Beim Spiel zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und RB Leipzig kommt es zur kartenreichsten Partie in dieser Saison. Dennoch steht der Schiedsrichter nicht in der Kritik. Und das aus gutem Grund: Er beweist Umsicht und zeigt Konsequenz.
Wenn in einem Bundesligaspiel gleich zehn Spieler verwarnt werden und einer des Feldes verwiesen wird, kann das im Wesentlichen zwei Gründe haben: Entweder sind die Akteure kaum zu besänftigen - oder der Unparteiische ist bei der Kartenvergabe unangemessen freigiebig.
Wer die Partie am Mittwochabend zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und RB Leipzig (2:3) gesehen hat, wird zu dem Schluss kommen: Es waren die Spieler selbst, die für die farbenfrohste Begegnung dieser Saison gesorgt haben. Sie ließen dem Schiedsrichter Tobias Stieler keine andere Wahl, als elfmal in die Brust- oder Gesäßtasche zu greifen.
Immer wieder kommt es zu Fouls, Handgreiflichkeiten und Wortgefechten. So wie nach einer halben Stunde, als der Mainzer Jhon Cordoba und der Leipziger Diego Demme im Mittelfeld einen Zweikampf führen, der einem Ringkampf ähnelt. Cordoba greift Demme dabei in den Unterleib, aber wohl eher unabsichtlich als mit Vorsatz.
Fünfmal Gelb in acht Minuten
Upamecano sieht schließlich die Gelbe Karte. Das wirkt fürs Erste - auch weil der Schiedsrichter besonnen auftritt und gleichzeitig vermittelt, dass er nicht bereit ist, Unsportlichkeiten durchgehen zu lassen.
Nach einer torlosen ersten Hälfte gehen die Gäste bald nach dem Wechsel mit 2:0 in Führung. Durch einen berechtigten Strafstoß - Demme hat Giulio Donati gefoult - kommen die Mainzer jedoch heran, und plötzlich wird es richtig hektisch.
Zwischen der 71. und 78. Minute muss Stieler gleich fünf Gelbe Karten zeigen. Vier davon sehen die Mainzer, die jetzt alle erlaubten und unerlaubten Mittel einsetzen, um den überlegenen Leipzigern den Schneid abzukaufen.
Als in der 81. Minute das 1:3 fällt, scheint das Spiel jedoch entschieden. Zu allem Überfluss aus Mainzer Sicht sieht Philippe Gbamin kurz vor dem Ablauf der regulären Spielzeit für ein böses Foul an Rani Khedira auch noch völlig zu Recht die Rote Karte.
Der Platzverweis als logische Konsequenz
Der Platzverweis ist die logische Konsequenz aus einer immer rabiater werdenden Begegnung. Fast niemand hatte ernsthaft damit gerechnet, dass am Ende dieser Partie noch alle 22 Spieler auf dem Platz stehen werden.
Für die Hausherren scheint die Unterzahl allerdings eher ein Ansporn zu sein - und tatsächlich gelingt ihnen in der Nachspielzeit der erneute Anschlusstreffer. Was folgt, ist bis zum Abpfiff ein wüstes Hin und Her - und weitere Schwerstarbeit für den Unparteiischen.
Einen Konter der Mainzer bremst Stefan Ilsanker im Mittelfeld mit einem rustikalen Foul an Jairo. Das bringt ihm genauso eine Verwarnung ein wie Pablo De Blasis, der den Leipziger mit Anlauf umschubst.
Auch Donati sieht dafür, dass er Demme in einer Spielunterbrechung einfach umreißt, noch den Gelben Karton. Als der Referee das Spiel nach 94 Minuten beendet, dürfte er geradezu erleichtert gewesen sein, endlich Feierabend zu haben.
Keine Kritik ist auch ein Kompliment
Tobias Stieler gebührt ein Lob dafür, in der hitzigen und hektischen Partie ruhig geblieben zu sein und Augenmaß gezeigt zu haben. Immer wieder ging er dazwischen, wenn sich nach Fouls eine Spielertraube bildete, er behielt stets den Überblick und scheute sich nicht, Konsequenzen zu ziehen. Bei den Spielern war er akzeptiert.
Man mag argumentieren, dass der eine oder andere weitere Platzverweis denkbar gewesen wäre. Doch ein guter Schiedsrichter kennt auch seine Ermessensspielräume und weiß sie sinnvoll zu nutzen.
Aktionen wie die von Upamecano und De Blasis beispielsweise lagen in der Grauzone zwischen Unsportlichkeit und Tätlichkeit. Dafür, sie noch als (gelbwürdige) Schubser einzustufen und nicht schon als (rotwürdige) Stöße, gibt es nachvollziehbare Argumente.
Ilsankers Foul an Jairo war zwar ebenfalls heftig, aber von geringerer Intensität und Härte als das gesundheitsgefährdende Foul von Gbamin. Auch in Donatis Handgreiflichkeit gegen Demme muss man keinen tätlichen Angriff sehen. Der Referee verfolgte hier eine klare Linie, die er durchhielt. Für die Spieler war er jederzeit berechenbar.
Deshalb stand er weder während des Spiels noch nach dem Schlusspfiff in der Kritik, auch nicht bei den Verlierern. Nach einem solchen Spiel ist das für einen Schiedsrichter allemal ein Kompliment.
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