6.106 Zuschauer*innen schauten vergangene Woche den Saisonauftakt Turbine Potsdam gegen Bayern. Während der Fußball der Frauen sich immer mehr als Profigeschäft etabliert, sind die Trikots der Turbine-Spielerinnen vorne immer noch leer: ein Hauptsponsor fehlt.

Tamara Keller
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Tamara Keller (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Ist das die Schlange für das Spiel Turbine gegen Bayern?", fragt mich eine Besucherin zehn Minuten vor Spielbeginn ganz aufgeregt. Vor dem Karl-Liebknecht-Stadion haben sich zwei riesige Schlangen gebildet.

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Wer sich eine halbe Stunde vor Spielbeginm eingereiht hat, muss jetzt bangen, dass der Anpfiff verpasst wird. Egal ob mit Ticket oder ohne – es geht nur schleppend voran. Und die Menschenmassen blockieren die Straße. Vorhin hatte ein Linienbus noch Glück, der kam noch durch. Jetzt sind da nur Menschen, die unbedingt den Saisonauftakt der ersten Bundesliga der Frauen sehen wollen.

Gebeutelt und erholt?

Es ist ein bisschen so, als wäre für Turbine Potsdam ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen: Endlich wieder ein volles "Karli" – wie das Stadion liebevoll von den Einheimischen genannt wird. "So viele Zuschauer*innen hatten wir zuletzt als wir Champions League gespielt haben", sagt ein Fan ein bisschen stolz zu mir. 6.106 wird die Anzeigetafel als Besucher*innenzahl später anzeigen.

Turbine kann den Auftrieb gut gebrauchen. Gebeutelt ging man aus der Saison 2022/23, als der Traditions- und reine Frauenverein – der in der ewigen Tabelle der Bundesliga der Frauen Platz 2 belegt – zum ersten Mal in seiner Historie abstieg. Danach das Behaupten in der zweiten Liga und der direkte Wiederaufstieg.

Ein bisschen Fußballromantik in Potsdam

Kinder halten Schilder hoch "Giuli schenk mir dein Trikot", "Ich habe heute Geburtstag, bekomme ich ein Trikot": Richten tun sich die Schilder natürlich an die Spielerinnen des FC Bayern. Der hochkarätige Kader, der auch mit vielen Nationalspielerinnen bestückt ist, hat eindeutig ein neues Publikum angelockt – das bis dato weder Turbine-Urgestein Jennifer Cramer noch Valentina Limani und Co. kennt.

Zu erkennen unter anderem an Trikots die mit "Ballack" oder "Beckenbauer" bedruckt sind. Stören tut das nicht, im Gegenteil, mit seinen vielen Stehplätzen wirkt das Karli so, als wäre es noch möglich, hier den wahren Kern des Fußballs zu erleben – wegen des Sports. Hier geht es noch um die wahre Fußballromantik! Nicht um abgehobene Gehälter und Ablösesummen in Millionenhöhe. Aber genau das könnte zum Problem werden.

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Die Härte der Realität trifft Turbine diese Saison erneut

Die Turbine-Trikots sind vorne leer, nicht bedruckt. Für diese Saison haben sie immer noch keinen Hauptsponsor gefunden – und das, obwohl sie zurück in der ersten Liga sind und, wie dieser Saisonauftakt auch beweist, mit einer steigenden Zuschauer*innenzahl zu rechnen ist.

Wer sich jetzt denkt: Wieso, ist doch in Ordnung, das passt doch zur Fußballromantik! Der hat falsch kalkuliert. Immerhin ist das die Bundesliga und nicht ein bisschen kicken am Bolzplatz. Profifußball ohne Hauptsponsor? Eigentlich undenkbar! Das so zu sehen, das schmerzt.

Doch es ist die harte Realität, mit der Turbine jetzt schon seit mehreren Jahren kämpft: Von unzähligen Titelgewinnen als Vorreiterin, hin zu dem Verein der den Absprung in die Professionalisierung verpasst hat. Trainer Marco Gebhardt sprach im Interview sogar selbst von "bescheidener Infrastruktur" und vor der Abstiegssaison verließen auch zwölf Spielerinnen auf einen Schlag den Verein – ein Teil davon kritisierte die unprofessionellen Bedingungen vor Ort.

Ohne Geld wird es für Turbine Potsdam nicht möglich sein mit Vereinen wie dem FC Bayern mitzuhalten, die eben auch Geld in ihre Spielerinnen und professionelle Infrastruktur und Bedingungen pumpen. Kleine Schritte ist Turbine nun gegangen: So wurde zu dieser Saison Ex-Spielerin Bianca Schmidt als Teammanagerin eingestellt. Doch ob Turbine wirklich mithalten kann?

An Realismus fehlt es den Fans jedenfalls nicht: Sie wissen, wie sie mir im Gespräch versichern, dass sie im Raum Berlin-Brandenburg große Konkurrenz mit den Teams von Union Berlin und Hertha BSC haben. "Wir müssen nachlegen" – und damit haben die Fans recht: Diese Saison wird sich zeigen, ob Turbine Potsdam bereit ist, sich so zu verändern, damit ein moderner Verein entsteht, der auf diesem Level des Profigeschäfts bestehen kann. Ansonsten wartet nach dem Wiederaufstieg ein noch böseres Erwachen als es schon beim Abstieg gab.

Verwendete Quellen

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