In ihrem Podcast "SHE scores Banger" analysiert Mariam Kourabi das Geschehen im internationalen Frauenfußball. Kürzlich widmete sich die Journalistin, YouTuberin und Podcasterin in einer Folge den Problemen des deutschen Frauenfußballs und der Google Pixel Frauen-Bundesliga.

Ein Interview

Im Interview mit unserer Redaktion erzählt Mariam Kourabi, inwiefern der deutsche Frauenfußball derzeit noch hinterherhinkt und welche Chancen sich der Frauen-Bundesliga bieten.

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Mariam Kourabi, wie ist es aus Ihrer Sicht derzeit um den deutschen Frauenfußball bestellt?

Mariam Kourabi: Ich denke, dass der Status jeder Liga sehr eng damit zusammenhängt, was die jeweilige Nationalmannschaft macht. Gerade im Moment, wo der Frauenfußball insgesamt wächst. Als England 2022 die Europameisterschaft gewonnen hat, hat das nicht nur der Nationalmannschaft, sondern auch der Liga einen Schub gegeben. Der englische Verband hat das Momentum genutzt und auf die Liga übertragen.

Auch in die Deutschland kamen nach der Europameisterschaft deutlich mehr Menschen in die Stadien. Der Erfolg bei der EM war ein Faktor dafür, das Ende der Beschränkungen durch die Covid-Pandemie auch. Es wurde viel Aufmerksamkeit von der EM auf die Bundesliga gelenkt, zum Beispiel durch Lina Magull und Alexandra Popp, die sehr gut gespielt haben.

Nach der WM im letzten Sommer habe ich einen klaren Plan der Verantwortlichen vermisst. Es war anscheinend nicht klar, wer das letzte Wort hat. Es hat auf jeden Fall keinen Schub für die Bundesliga gegeben, obwohl es große Transfers gab, wie etwa die von Pernille Harder oder Magdalena Eriksson zum FC Bayern München. Diese Transfers haben nicht so viel Aufmerksamkeit von den Medien bekommen, wie sie es verdient hätten.

Deshalb denke ich, dass der deutsche Frauenfußball im Moment sein Potenzial nicht ausschöpft. Dass die deutsche Nationalmannschaft bei der WM und die deutschen Vereine in der Champions League nicht gut abgeschnitten haben, trägt zu der ungünstigen Situation bei. Das ist auf jeden Fall mein Eindruck.

Vermarktung von hervorragenden Spielerinnen vorantreiben

Was müsste getan werden, um mehr Aufmerksamkeit auf die Bundesliga zu lenken und um mit Ligen wie der englischen Women's Super League mitzuhalten?

Die Bindung der Zuschauerinnen und Zuschauer ist beim Frauenfußball sehr hoch. Mehr als 40 Prozent der Menschen, die einmal einschalten, kommen wieder. Bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland sind über 50 Prozent der Menschen, die eingeschaltet haben, dabei geblieben. Was eine sehr hohe Zahl für jede Veranstaltung und jedes Sportereignis ist. Es ist also sehr wichtig, für jede Liga und speziell für die Frauen-Bundesliga, die Aufmerksamkeit der Leute zu wecken, damit sie einmal reinschalten und dann wiederkommen. Es geht darum, neue Fan-Gemeinden zu erreichen, zum Beispiel Menschen, die nur die englische WSL oder die Champions League verfolgen.

Wenn diese Leute einmal zuschauen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie wiederkommen. Denn das Niveau des Fußballs ist sehr hoch. Deutschland war viele Jahre sehr dominant in der Champions League, weil der Fußball einfach gut ist und die Art, wie die deutschen Mannschaften spielen, gefürchtet wird.

Wie könnten diese Fans für die Frauen-Bundesliga begeistert werden?

Es gibt so viele junge Spielerinnen, die hervorragend vermarktet werden könnten. Als Erstes fällt mir Laura Freigang von Eintracht Frankfurt ein. Sie ist so talentiert, ihre Interviews sind immer super lustig. Mit ihr lassen sich Geschichten erzählen, die über das Geschehen auf dem Platz hinausgehen. Oder Pernille Harder, die viele neue Fans zum Frauenfußball gebracht hat. Und dann ist da Georgia Stanway vom FC Bayern München, ein großer Name in England. Es fühlt sich fast ein bisschen an, als ob sie im Schatten stehen würde und erst wieder auftaucht, wenn sie bei der englischen Nationalmannschaft ist. Das sollte nicht so sein, denn sie spielt in einem der besten Teams der Welt, mit einigen der besten Spielerinnen.

Es gibt eine Sprachbarriere zu den Fans in England, in den USA oder in Kanada, aber Spielerinnen wie Georgia Stanway könnten diese Barriere aufbrechen. Die meisten Bundesliga-Spielerinnen sprechen gut Englisch. Es geht darum, diese Spielerinnen besser zu vermarkten, auf Social Media, in den Klubmedien. So können neue Fans gewonnen werden, diese Möglichkeiten werden noch nicht genug genutzt.

Der VfL Wolfsburg ist in der Qualifikation zur Champions League ausgeschieden, die Bayern-Frauen und Eintracht Frankfurt in der Gruppenphase. Zum ersten Mal seit 2009 stand keine deutsche Mannschaft in der K.-o.-Phase der Champions League. Steckt der deutsche Frauenfußball auf Klub-Ebene in einer Krise?

Ich fand es sehr interessant, die Champions League zu verfolgen. Viele der Mannschaften die weitergekommen sind, wie Benfica Lissabon, SK Brann oder BK Häcken, haben Geschichte geschrieben. Viele der Spielerinnen dieser Teams waren nicht bei der Weltmeisterschaft oder zuvor bei der Europameisterschaft, sie waren deshalb ausgeruhter. Das ist vermutlich auch der Grund, warum in der Qualifikation mit Arsenal und Wolfsburg zwei "Big Dogs" gegen Paris FC ausgeschieden sind.

Bei Wolfsburg haben sich die Probleme in der Bundesliga fortgesetzt, Trainer Tommy Stroot hatte Probleme, das Maximum aus dem Kader herauszuholen. Wenn man den Zeitplan sieht, mit EM, WM und Olympischen Spielen im Sommer, fragt man sich schon, ob die Spielerinnen komplett fit sind. Bayern München hatte Probleme mit Verletzungen, Magdalena Eriksson und Pernille Harder sind ausgefallen, was auch mit den Belastungen und dem Zeitplan zusammenhängen könnte. Die kleineren Teams waren vielleicht einfach ausgeruhter. Deshalb würde ich jetzt nicht von einer Krise sprechen. Aber sollte es sich in der kommenden Saison wiederholen, muss man natürlich darüber reden.

Wo hinkt der Frauenfußball der Frauen in Deutschland im Vergleich mit der Welt hinterher?

Es ist wirklich nur das Marketing. Der Fußball ist gut, deutsche Mannschaften haben ihren eigenen Stil und sie bringen immer wieder starke Spielerinnen heraus. Auch der Vertrag der Bundesliga mit Google Pixel war ein großartiger Moment. Man muss die Menschen nur darauf aufmerksam machen. Wenn, wie am Wochenende mit Wolfsburg und den Bayern-Frauen, zwei der Top-Teams gegeneinander spielen, muss das gepusht werden, damit es alle wissen. Sei es mit dramatischen Videos oder einfach mit Spielerinnen, die darüber sprechen. Hier müssen die Spielerinnen, die Vereine und die Liga mehr tun.

Die WSL geht mit gutem Beispiel voran und zeigt, wie sich eine Liga vermarkten und die Spielerinnen dafür einsetzen kann. Alle wissen, dass deutsche Mannschaften gut sind. Die Bundesliga ist eine der ältesten Frauen-Ligen der Welt. Man muss die Fans weltweit nur dazu bringen, sich die Spiele auch anzuschauen.

Spielraum für Verbesserungen wie Gehaltsuntergrenze

Der DFB plant einige Veränderungen für die Bundesliga der Frauen, unter anderem sind offenbar eine Gehaltsuntergrenze, verpflichtend größere Trainer-Teams und eine Erweiterung der Liga zunächst auf 14 und dann auf 16 Teams angedacht. Was halten Sie von diesen Vorschlägen?

Die ersten beiden Ideen sind großartig. Man sagt nie "Nein" zu zusätzlichen Trainerinnen oder Trainern, der Frauenfußball hinkt dabei ohnehin etwas hinterher. In Schweden sind es teilweise vier oder fünf Trainerinnen oder Trainer, die den Chef-Coach unterstützen, bei den Top-Teams der WSL gehören teilweise 30 Personen zu dem Team um die Mannschaft herum. Das gibt es auf jeden Fall Spielraum für Verbesserungen. Was die Gehälter angeht, weiß ich nicht genau, wie groß die Unterschiede zwischen den Top-Teams und den Mannschaften am Ende der Tabelle in der Bundesliga sind. Aber es ist immer ein guter Anfang, Gehaltsunter- und obergrenzen zu haben, um für mehr Chancengleichheit zu sorgen.

"Man sollte sich erst um die Vereine kümmern, die da sind, bevor man weitere dazuholt."

Mariam Kourabi, kanadische Journalistin und Podcasterin

Eine Erweiterung der Bundesliga wäre im Moment wirtschaftlich nicht tragbar. Die Mannschaften erhalten aktuell etwas mehr als fünf Millionen Euro aus dem TV-Vertrag, wenn weitere Mannschaften dazu kämen, würden die Einnahmen für alle sinken. Ich denke, man sollte die Liga deshalb nicht erweitern, bis auch das Geld dafür da ist. Und die Teams, die dazu kämen, würden wohl nicht sehr viel mehr Geld mitbringen oder Sponsoren anlocken. Man sollte sich erst um die Vereine kümmern, die da sind, bevor man weitere dazuholt.

Wäre eine Ausgliederung aus dem DFB sinnvoll, um die Entwicklung weiterzubringen?

Das ist etwas, worüber in jeder Liga derzeit diskutiert wird. Aber die Frage ist dann immer, wer könnte es besser machen? Das kann ich aus meiner Perspektive nur schwer beurteilen. Allerdings konnten wir beobachten, dass Ausgliederungen von Ligen teilweise sehr erfolgreich waren. Vor allem, was die Vermarktung angeht. Man konnte das in der amerikanischen Liga NWSL sehen. Der Frauenfußball in den USA war immer auf dem höchsten Level, sie haben Weltmeisterschaften gewonnen. Aber zuletzt gab es Probleme, vieles ging nicht in die richtige Richtung. Die Trennung von dem Verband war deshalb die beste Entscheidung, die die NWSL treffen konnte.

Die Liga konnte selbst ihre Medienrechte verhandeln, die Liga konnte ihr eigenes Marketing machen, die neu dazugekommenen Teams, die vorher Probleme hatten, sind aufgeblüht. Wenn man sich den Frauenfußball insgesamt anschaut, scheint eine Trennung von einem Verband eine gute Idee zu sein.

Ich finde es bedenklich, dass anscheinend nicht ganz klar ist, wie die Strategie für die Zukunft der Frauen-Bundesliga ist und wer das letzte Wort hat, wenn es um große Entscheidungen geht. Und wenn sich Verantwortliche aus den Vereinen zu Wort melden und sagen, dass sie nicht ausreichend Unterstützung vom Verband bekommen, dann ist das ziemlich beunruhigend. Deshalb denke ich, dass es keine schlechte Idee wäre, über eine Ausgliederung der Liga zu sprechen. Aber man muss natürlich klären, wer dann das operative Geschäft der Liga verantworten würde. Darüber müssen sich die Vereine einig werden.

"Früher dachte man, dass Mädchen eher zum Ballett gehen sollten, anstatt Fußball zu spielen. Diese Ansichten verändern sich gerade und es geht darum sicherzustellen, dass sich Mädchen wohlfühlen, wenn sie Fußball spielen wollen."

Mariam Kourabi, kanadische Journalistin und Podcasterin

Wie könnte man die Nachwuchsprobleme lösen und auch mehr Trainerinnen in den Frauenfußball bekommen?

Alles beginnt in der Schule. Dort muss Kindern vermittelt werden, dass sie Fußball spielen können, egal ob es Jungen oder Mädchen sind oder alles dazwischen. Früher dachte man, dass Mädchen eher zum Ballett gehen sollten, anstatt Fußball zu spielen. Diese Ansichten verändern sich gerade und es geht darum sicherzustellen, dass sich Mädchen wohlfühlen, wenn sie Fußball spielen wollen. Eltern sollten ihre Kinder unterstützen, egal ob sie Fußball, Basketball, Volleyball oder was auch immer spielen wollen.

Wenn man auf die Trainerinnen schaut, gibt es so viele Spielerinnen, die nach dem Karriereende Probleme haben, etwas anderes zu machen. Diesen Spielerinnen muss man es ermöglichen, die Trainerscheine zu machen, um sie dem Frauenfußball zu erhalten. Sie kennen das Spiel und verstehen es. Natürlich will nicht jede frühere Spielerin auch Trainerin werden, aber ich bin mir sicher, dass viele von ihnen sehr gerne weiter Teil des Sports wären, den sie 20 oder mehr Jahre betrieben haben.

Olympia bietet die Chance, Aufmerksamkeit zu erregen

In Ihrem Podcast haben Sie von einer großen Chance gesprochen, die der deutsche Frauenfußball derzeit hat, um zu wachsen. Besteht die Gefahr, dass die Chance schon bald wieder vorbei ist?

Das glaube ich nicht. Der deutsche Frauenfußball hat ein starkes Fundament. Es ist ganz normal, dass es manchmal etwas besser und manchmal etwas schlechter läuft. Die deutsche Nationalmannschaft hat sich für die Olympischen Spiele qualifiziert, was großartig ist und andere Top-Nationen nicht geschafft haben. EM, WM, Olympische Spiele – Deutschland ist immer dabei. Auch wenn ich mich wiederhole, es ist immer eine Frage des Marketings. Das Frauenfußball-Turnier bei den Olympischen Spielen wird hohe Einschaltquoten haben und ist somit eine weitere Chance, Aufmerksamkeit auf die Liga zu lenken.

Deutschland wird auf die USA , Australien und Marokko oder Sambia treffen, das ist eine schwierige und spannende Gruppe, die viel Aufmerksamkeit bekommen wird. Das müssen die Bundesliga und die Vereine nutzen und ihre Spielerinnen pushen, dann kommen die Zuschauerinnen und Zuschauer vielleicht auch wieder, wenn das Eröffnungsspiel der Liga ansteht. Ich hoffe, dass es für Deutschland bei den Olympischen Spielen gut laufen wird. Außer wenn sie gegen Kanada spielen sollten (lacht).

Verwendete Quellen:

  • Zoom-Interview mit Mariam Kourabi
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