• Chelsea verstößt trotz Nettoausgaben von 544 Millionen Euro wohl nicht gegen Uefa-Regularien.
  • Die Eigentümer haben allein im Januar sieben neue Spieler fest verpflichtet und den Kader der Londoner weiter aufgeblasen.
  • Alle Neuzugänge erhielten langfristige Verträge, die es so zum Beispiel in der Bundesliga gar nicht gibt.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Constantin Eckner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wer dachte, dass der Chelsea FC unter dem vormaligen Eigentümer Roman Abramowitsch teils unverschämte Summen in die eigene Mannschaft investierte, der wird umso mehr erstaunt darüber sein, was die neuen Geldgeber aktuell auf die Beine stellen. Das Konsortium rund um den US-Amerikaner Todd Boehly und die Investmentgesellschaft Clearlake Capital haben im Januar-Transferfenster mal eben mit der Verpflichtung von Enzo Fernández für 121 Millionen Euro den Ablöserekord der Premier League gebrochen und insgesamt mehr investiert als alle Clubs aus den anderen vier europäischen Top-Ligen zusammen.

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Es scheint gelegentlich so, als wären die englischen Erstligisten mittlerweile in jeder Transferperiode im Kaufrausch. Aber bei Chelsea entsteht der Eindruck, als hätten die Kinder die Platin-Kreditkarte der Eltern in die Finger bekommen. Es ist insofern überraschend, als dass Besitzer aus den Vereinigten Staaten traditionell mehr Wert auf die Wirtschaftlichkeit der Clubs legen als etwa die Superreichen aus der Golfregion, die ohnehin nur PR-Ziele verfolgen.

Verträge bis ins nächste Jahrzehnt

Boehly und seine Mitstreiter haben nun mit Chelsea für ähnliches Aufsehen gesorgt, wie es dem Club bereits 2011 gelang, als damals für die Rekordsumme von 58,5 Millionen Euro Fernando Torres geholt wurde. Doch seit jener Zeit hat sich so manches im Fußball verändert – die Ablösesummen sind weiter in die Höhe geschossen und die Uefa versucht derweil Regeln zu implementieren, die absurde Exzesse ausschließen sollen.

Selbst wer "Financial Fairplay" für einen Papiertiger hält, wird sich wundern, wie sich Chelsea angesichts der exorbitanten Nettoausgaben von 544 Millionen Euro allein an Ablösesummen in dieser Saison trotzdem im Rahmen der Regularien bewegen kann. Das Zauberwort heißt "Amortisierung". Um zu erklären, wie das im Kontext der Uefa-Regeln funktioniert, lohnt sich zunächst ein Blick auf die jüngst von Chelsea getätigten Transfers:

  • Enzo Fernández – 121 Millionen Euro – Vertragslaufzeit 8 ½ Jahre
  • Mykhaylo Mudryk – 70 Millionen Euro – Vertragslaufzeit 8 ½ Jahre
  • Benoît Badiashile – 38 Millionen Euro – Vertragslaufzeit 7 ½ Jahre
  • Noni Madueke – 35 Millionen Euro – Vertragslaufzeit 7 ½ Jahre
  • Malo Gusto – 30 Millionen Euro – Vertragslaufzeit 7 ½ Jahre
  • Andrey Santos – 12 Millionen Euro – Vertragslaufzeit 7 ½ Jahre
  • David Datro Fofana – 12 Millionen Euro – Vertragslaufzeit 6 ½ Jahre

Laut der aktuellen Verfahrensweise werden die Ausgaben so bewertet, dass die Ablösesummen durch die Vertragsjahre dividiert werden. Aufgrund der ungewöhnlich langen Vertragslaufzeiten verringert Chelsea aktuell das Minus, das in der für die UEFA wichtigen Bilanz auftaucht.

Baseball als Vorbild

Zur Orientierung sei erwähnt, dass bei Bayern München und Borussia Dortmund zum Beispiel kein Spieler momentan eine längere Vertragslaufzeit als viereinhalb Jahre hat. Die angewandte Praktik ist den neuen Chelsea-Eigentümern aus der Major League Baseball bekannt, wo es nicht unüblich ist, dass sich teure Spieler für fast ein Jahrzehnt an ein Team binden. Boehly selbst ist Teilbesitzer der Los Angeles Dodgers, die 2020 zum siebten Mal die World Series gewannen.

Dieses Schlupfloch im "Financial Fairplay" möchte die UEFA jedoch bis zu Beginn der Transferperiode im Sommer schließen und die bilanzielle Aufteilung der Ausgaben auf fünf Vertragsjahre beschränken, unabhängig von der realen Vertragslaufzeit. Es wird erwartet, dass Chelsea im Sommer entsprechend mit dem Verkauf von Spielern beginnt, um die Ausgaben wieder zu senken. Im Januar verkauften die "Blues" lediglich Mittelfeldspieler Jorginho an Arsenal.

Schrotflinten und Eitelkeiten

Die Strategie der neuen Eigentümer in den vergangenen Tagen und Wochen wird unterdessen rund um die Stamford Bridge mit der Funktionsweise einer Schrotflinte verglichen – irgendwas wird man schon treffen. Die Clubführung wollte Cheftrainer Graham Potter so viel Talent wie möglich zur Verfügung stellen, damit sich das Team noch vom aktuellen Rang zehn in der Liga nach oben arbeitet.

Eine Ausdünnung des Kaders ist unweigerlich notwendig und das nicht nur, weil etwa mit Christopher Nkunku von RB Leipzig der nächste Neuzugang sehr wahrscheinlich schon für den Sommer bereitsteht und es langsam keinen Platz mehr im Mannschaftsflieger gibt. Sondern auch, weil ansonsten Sanktionen der Uefa bis hin zum Ausschluss vom internationalen Wettbewerb zu erwarten wären.

Aber Boehly und Co. haben sehr tiefe Taschen und sind zudem gewiefte Geschäftsleute. Jedoch ist auch von Insidern zu hören, dass die Chelsea-Eigentümer in Zukunft keinesfalls weniger aggressiv auf dem Transfermarkt vorgehen werden. Sie wollen den Markt schlichtweg dominieren. Wenn ihnen etwas in die Quere kommen könnte, dann sind das wohl am ehesten Eitelkeiten, denn während Boehly medial als neues Gesicht von Chelsea wahrgenommen wird, ringt Clearlake Capital und dessen Managing Partner Behdad Eghbali in diesen Tagen wieder recht vergeblich um Aufmerksamkeit.

Verwendete Quellen:

  • transfermarkt.de: Ablösesummen und Vertragslaufzeiten
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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