Während Fußballübertragungen wird häufig der "xG"-Wert zurate gezogen, um zu erklären, welche Mannschaft mehr Torgefahr ausstrahlt. Doch worum geht es dabei genau?

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Statistiken und Daten spielen im Fußball eine immer größere Rolle. Viele Vereine lassen Datenanalysen in die tägliche Arbeit einfließen und werten diverse Statistiken aus. Auch die Berichterstattung rund um den Fußball schläft dahingehend nicht.

In den vergangenen Jahren kamen immer neue Analyseelemente hinzu, die einen noch umfassenderen Blick auf das Drumherum liefern sollen. Eines dieser Elemente ist die "expected Goals"-Statistik, die immer wieder während Übertragungen oder im Nachgang der Spiele zitiert wird. Doch was hat es damit eigentlich auf sich?

Das soll der "expected Goals"-Wert aussagen

Der Fußball ist in den letzten Jahren immer komplizierter geworden. Das gilt für die vielen taktischen Varianten auf dem Platz, für die Trainings- und Belastungssteuerung und für diverse analytische Faktoren, die sowohl von den Klubs als auch von den Medien in ihrer Berichterstattung zurate gezogen werden. Ein Wert, der immer wieder auftaucht, ist der "expected Goals", kurz: "xG". Kaum eine Übertragung geht über die Bühne, ohne dass dieser Wert mindestens einmal zitiert wird. Auch in den offiziellen Bundesligastatistiken findet er seinen Platz.

Im Mittelpunkt stand der "xG"-Wert zuletzt beim Spiel zwischen Galatasaray und dem FC Bayern in der Champions League, als Gala den Rekordmeister dominierte und zeitweise 16:3 Schüsse auf dem Konto hatte. Vereinfacht gesagt geht es bei den "xG" darum, wie viele Tore ein Team aufgrund seiner Abschlüsse in einer Partie hätte erzielen müssen respektive wie viele Tore realistisch sind.

Als Beispiel, wie ein solcher Wert aussehen kann, dient die Partie zwischen Frankfurt und Dortmund am vergangenen Sonntag in der Bundesliga. Auf der Website der Liga wird der "xG"-Wert mit 2,92:1,87 pro Frankfurt aufgeführt. Anhand der Abschlüsse wurde also ermittelt, dass die SGE 2,92 Tore hätte schießen können oder müssen. Der BVB stand bei 1,87 und war demnach bei der Qualität der Torchancen unterlegen.

Verschiedene Werte sorgen für Verwirrung

Dem ein oder anderen Fußballfan dürfte aufgefallen sein, dass die Werte nach einem Spiel aber variieren. Nicht jedes Medium gibt die gleichen "xG"-Werte an. Zurück zu Galatasaray gegen Bayern: Flashscore gibt einen Wert von 2,41:1,75 an, die Sportschau liefert 2,5:1,4. Wie es dazu kommt, ist schnell erklärt. Die Arbeit mit Daten im Fußball ist kompliziert, es gibt verschiedene Modelle und verschiedene Anbieter, die wiederum unterschiedliche Statistiken und Daten erheben. Das hat Auswirkungen auf die Ausprägung dieses Modells. Deswegen können die Werte im Nuancenbereich variieren.

Wie setzt sich der "xG"-Wert zusammen?

Die Erklärung, wie sich der Wert pro Abschluss zusammensetzt, ist ein wenig komplizierter. Es spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Natürlich zunächst, wo auf dem Feld der Abschluss erfolgte. Logisch, denn ein Schuss aus fünf Metern in zentraler Position ist eine größere Möglichkeit als ein Kullerball aus 35 Metern Entfernung. Bei der Torschussstatistik zählen beide gleich, nämlich als ein Torschuss. Bei den "xG" wird unterschieden.

Seit der Saison 2021/22 fließt auch das Attribut "Shot Condition" ein, Einschränkungen in der Ausführung eines Torschusses, beispielsweise ein Gegner, der den Ball noch blocken könnte, werden berücksichtigt. Der endgültige Wert liegt immer zwischen 0 und 1, es wird bei jeder Chance aufgrund der zugrundeliegenden Faktoren bestimmt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Tores war. Ein "xG"-Wert von 0,4 bedeutet also, dass 40 von 100 Schüssen aus dieser Position und unter diesen Rahmenbedingungen zu einem Tor führten.

Zurück zu Galatasaray gegen den FC Bayern: Der Klub aus der Türkei hatte viele Chancen, der "xG"-Wert fiel aber im Vergleich zur Torschussstatistik nicht ganz so eindeutig pro Gala aus. Der Grund ist simpel: Während vor allem die Tore des Rekordmeisters entweder ohne Gegnerdruck oder aus zentraler Position fielen, schoss Galatasaray eher aus der Distanz, köpfte unter Druck oder brachte den Ball aus spitzem Winkel in Richtung Bayerntor.

Wie genau ist der "xG"-Wert wirklich und was bedeutet er langfristig?

Wichtig ist auch, dass die Bewertung unabhängig vom Schützen ausfällt. Schießt Harry Kane einen Elfmeter, dann liegt der "xG"-Wert bei 0,77, bei einem Verteidiger, der weniger Erfahrung vom "Punkt" hat, ebenfalls. Deswegen kommt es auch mitunter vor, dass das Ergebnis den Wert auf den Kopf stellt. Die individuelle Klasse und Effizienz der einzelnen Spieler lassen sich nämlich ebenso wenig wie Faktoren wie Glück, beispielsweise bei einem abgefälschten Schuss, nicht im Modell berechnen.

Deswegen ist dieser Wert zwar aufschlussreich, aber eben nicht der alleinige Gradmesser. Ein Fußballteam kann guten Fußball spielen und bei den "xG"-Werten am Ende einen Nachteil haben. Herangezogen wird dieser Wert deswegen häufig auch nicht für ein Spiel alleine, sondern über einen längeren Zeitraum.

Hier lässt sich nämlich erkennen, welche Mannschaften über- beziehungsweise unterperformt haben. Neben dem "xG"-Wert lässt sich auch der "xGa"-Wert bestimmen, der besagt, wie hochkarätig die Möglichkeiten waren, die ein Team zugelassen hat. Ein gutes Beispiel dafür ist in dieser Saison der FC Augsburg. Er konnte aus 14,13 "xG" 18 Tore erzielen, die Offensive schneidet also besser ab als erwartet. In der Defensive war mit 15,04 Gegentreffern zu rechnen, tatsächlich kassierte Augsburg aufgrund effizienter Gegner aber schon 21 Gegentore.

Für jedes Spiel lässt sich so natürlich ein "verdienter" Ausgang ermitteln, nach diesen Berechnungen hat der FCA laut Unterstat 1,14 Punkte zu wenig auf dem Konto. Insgesamt bleibt zu konstatieren, dass sich der "xG"-Wert, wenn er nicht entsprechend kontextualisiert wird, erst einmal befremdlich anfühlt. Beschäftigt man sich intensiver mit der Thematik, dann wird schnell klar, warum diese Daten immer größere Aufmerksamkeit erhalten.

Verwendete Quellen:

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