Im Internet fordern Tausende in einer Petition, das Lied Major Tom von Peter Schilling zur neuen Nationalhymne zu machen. Rein textlich würde das Lied super passen – wenn es bei Torhymnen nur darum ginge.

Eine Satire
Diese Satire stellt die Sicht von Julian Münz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Irgendwo in den Weiten des Internets stößt man auf die Seite Genius.com. Dort erklären Nutzer zu fast jedem Songtext auf der Welt, wie bestimmte Zeilen daraus interpretiert werden könnten. Einige von ihnen sind weniger richtig, manche komplett falsch. Zur Refrainzeile "Völlig losgelöst von der Erde" aus dem Song "Major Tom" von Peter Schilling schreibt ein User etwa, sie sei auf zwei Arten zu interpretieren: Major Tom habe sich nicht nur räumlich mit seinem Raumschiff von der Erde gelöst, sondern auch emotional. Viel mehr ist darüber hinaus nicht mehr zu finden.

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Es wird Zeit, dem Klassiker aus der Neuen Deutschen Welle noch ein paar Bedeutungsvorschläge hinzuzufügen. Das fordern auch über 30.000 Fußballfans in einer Petition des X-Nutzers Max Kirchi, die das Ziel hat, "Major Tom" zur neuen Torhymne der deutschen Nationalmannschaft zu machen. Aufgetaucht war das Lied zunächst im Adidas-Spot "Typisch Deutsch" zur Vorstellung der neuen Nationalmannschaftstrikots. In den sozialen Medien ist ein Videoschnipsel, der das 1:0 von Florian Wirtz gegen Frankreich mit "Major Tom" unterlegte, mittlerweile ein Hit.

"Völlig losgelöst" passt gut

"Major Tom", der Soundtrack für das Sommermärchen-Revival 2024? Auf den ersten Blick würde das mindestens so gut passen wie der Ball von Wirtz in den Winkel des französischen Tores. "Völlig losgelöst" war der DFB in der Vergangenheit schließlich auch von vielen: von seiner Basis, von politischer Verantwortung und zuletzt auch von jeglichen Hoffnungen, beim Heim-Turnier im Sommer viel weiter zu kommen als bis zum mittelprächtigen 1:1 gegen die Schweiz am letzten Spieltag und dem Vorrundenaus als zweitschlechtester Gruppendritter.

Doch der DFB, dieser verbandsgewordene Major Tom, löste sich auch von der Krisenstimmung wie ein geschiedener Familienvater in der Midlife-Crisis: Alles musste raus, darunter die Nationaltrikotfarben, Nationalausrüster Adidas und vor allem zahlreiche BVB-Spieler. Die darauf folgende Kritik, die sich vom Toxic-Masculinity-Stammtisch Neunkirchen bis hinein in die Bundesministerien zog, ließ DFB-Präsident Bernd Neuendorf nonchalant abprallen. Frei nach dem Motto, das Peter Schilling 42 Jahre zuvor ausgegeben hatte: "Jeder ist im Stress, doch Major Tom macht einen Scherz."

Ein schönes Zeichen ist es deshalb, dass Fans eine Petition für eben diesen Song gestartet haben. Denn es zeigt: Die Leute machen sich noch oder wieder um die Nationalmannschaft Gedanken, sogar um eher nebensächliche Dinge wie Nationaltrikots oder Torhymnen. Und nichts wäre vor einer Heim-EM ein schlechteres Zeichen als Apathie.

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Leider geht es bei Torhymnen um Anderes

Es wäre sogar darüber hinaus eine wirklich schöne Idee, ginge es dabei nicht ausgerechnet um Torhymnen. Ja, das Genre, dessen musikalischer Wert sich irgendwo zwischen Malle-Schlagern und Aufzugmusik einordnet und das bei einem guten Spiel eigentlich sowieso zwischen Umarmungen mit wildfremden Menschen und der obligatorischen Bierdusche aus dem Oberrang untergehen sollte. Nicht zu vergessen ist auch der wichtige Sekundärzweck der Hymne, die gegnerischen Fans mit einer möglichst penetranten Melodie spätestens nach dem dritten bis vierten Tor richtig hart zu nerven. Nein, eine solche Rolle hätte Major Tom nun wirklich nicht verdient.

Für Doppeldeutigkeit und nachdenkliche Texte ist in Torhymnen dadurch nämlich nicht viel Platz. Zeigt auch die aktuelle Torhymne des DFB-Teams, der Song "Kernkraft 400" von Zombie Nation. Dessen ausgefeilte Textkunst hat es natürlich auch auf Genius.com geschafft: Zumindest ein User hat sich daran versucht, die Textzeilen "Whoa oh oh oh oh, oh - Whoah, oh oh oh oh oh oh oh - Whoah oh, ah oh" genauer zu erklären.

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