Österreichs Super-Serie ist beim unglücklichen 1:2 im Testspiel gegen Brasilien gerissen - das Vertrauen in die eigene Stärke des ÖFB-Teams scheint aber dennoch größer denn je. Kein Wunder: Mit diesen Perspektivspielern und der modernen Spielanlage ist mit Österreich im Weltfußball wieder zu rechnen. Das größte Lob für die Mannschaft von Teamchef Marcel Koller kam von Brasiliens Coach Carlos Dunga.
Zyniker würden mit Blick auf das Ergebnis zu der gar nicht mehr so neuen Erkenntnis kommen, dass es im Weltfußball keine Kleinen mehr gibt - und damit nicht Österreich, sondern Brasilien meinen. Der WM-Gastgeber wird wohl noch in Jahrzehnten den Malus des 1:7 gegen Deutschland mit sich herumschleppen, der seitdem im Hintergrund immer als Referenzgröße schlummert und den Glanz der Brasilianer nachhaltig trübt.
Auf der anderen Seite war da ein Österreich, das die erfolgreichste Serie seit 36 Jahren hingelegt hat. Eine aufstrebende Mannschaft mit einem gewieften Trainer, der einer Ansammlung von Talenten Systematik und Struktur verordnet hat und im dritten Jahr seines Wirkens auch die nötigen Ergebnisse erzielt.
Brasilien wagt einen Neuanfang
Die ÖFB-Auswahl hat ein überaus erfolgreiches Jahr 2014 hinter sich. Daran ändert auch die unglückliche 1:2-Niederlage zum Abschluss gegen Brasilien nichts. Die Selecao hat ein überaus niederschmetterndes Jahr 2014 hinter sich. Daran ändert auch der glückliche 2:1-Sieg zum Abschluss gegen Österreich nichts.
Immerhin nimmt Brasiliens Neuanfang unter Carlos Dunga weiter Konturen an, nach der WM war es schon der sechste Sieg im sechsten Testspiel. Für Österreich war es die erste Niederlage in diesem Jahr. Damit ist die schöne Aussicht dahin, als einzige europäische Mannschaft ungeschlagen zu bleiben. Allerdings ist das zu verschmerzen, da sich der österreichische Fußball nach Jahren der Enttäuschungen wieder auf dem Weg nach oben befindet. Der Grund dafür ist ein Trainer aus der Schweiz. Dabei wurde Marcel Koller nicht von allen mit offenen Armen empfangen.
Österreich liegt Marcel Koller zu Füßen
Viele waren zu Beginn strikt gegen einen neuen Chef aus dem Nachbarland. Mittlerweile aber sind die Kritiker verstummt und die Fußball-Nation liegt Koller zu Füßen. Das mag ein wenig übertrieben sein, trifft die Euphorie im Land aber doch ganz gut.
"Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich gerade ein österreichischer Nationalheld bin. Es ist für mich einfach nur schön, dass wir mit dem Fußball unserer Mannschaft den Menschen viel Freude bereiten", sagt Koller in seiner gewohnt zurückhaltenden Art.
Was im Umkehrschluss aber nicht heißt, dass Koller die Huldigung der Fans nicht registrieren würde. "Nach dem Sieg gegen Russland lief ich mit den Spielern eine Ehrenrunde nach der anderen. Und das Stadion wollte sich einfach nicht leeren und war immer noch voll. Die stehenden Ovationen waren unglaublich, das war Gänsehaut pur."
Scouts heiß auf Österreichs Talente
In 160 Länder wurden am Dienstag die Bilder der Partie aus dem Ernst-Happel-Stadion ausgestrahlt. Scouts zahlreicher Fußball-Schwer- und -Leichtgewichte saßen auf den Tribünen, unter anderem hatten Manchester United, Inter Mailand, Juventus Turin, Schalke 04, Hertha BSC, Schachtjor Donezk, 1899 Hoffenheim, der AS Monaco und der VfL Wolfsburg Spielbeobachter geschickt. Sie alle waren wegen einiger österreichischer Talente da. Wegen Aleksander Dragovic, Martin Hinteregger oder Christoph Leitgeb.
Zu sehen bekamen sie die neuen Qualitäten der österreichischen Nationalmannschaft: Ein durchdachtes Pressing, einstudierte Abläufe in der Defensive und Offensive, stark verbesserte Einzelspieler, ein verschworenes Kollektiv.
Zu sehen war das erste Gegentor der Brasilianer in der Dunga-Ära überhaupt (Alex Dragovic), ein wohl irreguläres Tor von David Luiz und ein Sonntagsschuss von Roberto Firmino, der die Partie für den fünfmaligen Weltmeister entschied.
So nah dran wie schon lange nicht mehr
"Das, was wir spielen wollten, haben die Spieler hervorragend umgesetzt. Vielleicht waren die Brasilianer ein bisschen überrascht, dass wir sie attackiert haben", sagte Koller nach der Partie, die trotz des ernüchternden Ausgangs als weiterer Schritt in die richtige Richtung gewertet werden darf.
"Es war ein fantastisches Jahr mit vielen guten Spielen und guten Ergebnissen. Leider hat das letzte gefehlt, wir hätten gerne einen Punkt mitgenommen. Vom Ergebnis hat es nicht gepasst, aber von der Leistung."
Aber so nah dran an einem Sieg gegen die Selecao war eine österreichische Mannschaft schon sehr lange nicht mehr. Und deshalb galt das Lob des gegnerischen Trainers am Ende als das größte. "Österreich hat besser gespielt als im Russland-Spiel. Sie haben eine sehr gute Mannschaft mit guter Qualität", sagte Carlos Dunga im Rückblick auf den 1:0-Sieg der Koller-Elf im Spitzenspiel gegen die Russen am vergangenen Samstag - das als eines der besten Spiele der jüngeren Vergangenheit zählt.
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