Seit mehr als 150 Jahren werden die Fußballregeln jährlich überprüft und angepasst. Das ist nicht erst seit Gründung des International Football Association Board (Ifab) im Jahre 1886 so. Und genauso alt sind die Bemühungen, das Fußballspiel schneller und dadurch offensiver und torreicher zu machen. Das ist auch heute so.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Petra Tabarelli (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nachdem 1925 in der Abseitsregel ein Wort verändert wurde, fielen allein in der höchsten englischen Liga über 100 Tore mehr. Aus "drei Spieler" wurde damals "zwei Spieler". Die vermeintlich kleine Regeländerung führte zunächst zu einem Offensivfeuerwerk. Auch als 1990 die Abseitsregel etwas angepasst wurde, ging es vor allem um ein offensiveres Spiel. Ähnliches gilt für die aktuellen Diskussionen um Arsène Wengers Vorschlag einen "Daylight Offside". Es ist jedoch nicht nur die Abseitsregel, die Einfluss auf die Spielgeschwindigkeit hat.

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Verlorene und vergeudete Zeit

Bis zu einem Drittel der Spielzeit wird nicht gespielt. Das ist keine Entwicklung der jüngsten Zeit, sondern war bereits vor 100 Jahren Diskussionsthema. Doch heute gibt es bessere technische Voraussetzungen, um die verlorene Zeit durch Verletzungen und vergeudete Zeit bei Spielfortsetzungen genauer zu messen. Seit einem Jahr sind wir längere Nachspielzeiten gewohnt, die zwar die gesamte Zeit nicht ersetzen, aber die effektive Spielzeit näher an die 90 Minuten heranführen.

Die Nettospielzeit oder "effective playing time" ist immer mal wieder in vieler Munde, doch sie ist im Fußball nicht so leicht umsetzbar wie beispielsweise American Football, der aus in sich abgeschlossenen Spielzügen besteht. Im Fußball bräuchte es beispielsweise an allen Außenmarkierungen Sensoren, die die Zeit stoppen, sobald der Ball ins Aus geht. Das wäre für Clubs in den höheren Ligen kein so großes Problem, sicher aber für die Kreisliga.

Ein Fußballspiel würde dann auch über zwei Stunden dauern: 90 Minuten plus 15 Minuten Halbzeit. Dazu bis zu 30 Minuten Nachspielzeit. Damit sind wir bei 135 Minuten. Wenn jedoch von den 90 Minuten ein Drittel nachgespielt werden muss, dann muss man auch von den 30 Minuten Nachspielzeit ein Drittel draufrechnen – und davon ein Drittel, usw.

Wir sind dann am Ende bei knapp 150 Minuten zwischen An- und Abpfiff des Spieles.

Wiederholte Ballberührung wird erlaubt

Eine Alternative ist es, die wiederholte Ballberührung zu erlauben. Bislang schreiben die Regeln vor, dass nach einem Freistoß, einem Einwurf, einem Eckstoß oder Abstoß der Ball nicht von der gleichen Person erneut gespielt werden darf. Doch warum eigentlich nicht? Das hat seinen Ursprung im 19. Jahrhundert und der Förderung des Kombinationsspiels. Das ist nun aber lange überholt und die Möglichkeit, wiederholt den Ball zu spielen, würde nicht nur das Spiel offensiver machen, sondern wahrscheinlich auch die Spielpausen verkürzen.

Abseits des Profifußballs gibt es regelmäßige Jugendturniere, um neue Regelideen auszuprobieren, meist unter dem Dach des niederländischen Fußballverbandes KNVB.

Wiederkehrende Elemente sind neben dem "Selfpass" (der erlaubten wiederholten Ballberührung) auch die Wiedereinführung des Einschusses von der Seiten ("Kick-In"), Zeitstrafen und fliegende Wechsel. Die Ergebnisse zeigen immer wieder, dass mit diesen Änderungen sowohl die Offensivität wie auch das Fairplay erhöht wird.

Selfpass und Kick-In

Allein durch die Möglichkeit des Selfpasses stieg die effektive Spielzeit um fünf Minuten. Das lag vor allem am Einwurf, denn so kann man sich selbst den Ball durch den Einwurf vorlegen oder per Kick-In von der Seitenlinie ihn ins Feld flanken oder einfach ins Feld dribbeln ("Dribble-In"). Letztere Möglichkeit wurde im Laufe des Turniers die beliebteste Art, den Ball von der Seitenlinie wieder ins Spiel zu bringen. Sie bedeutete auch, dass der Spieler oder die Spielerin zu 98% in Ballbesitz blieb, wohingegen beim klassischen Einwurf der Ball zu 85% in den Reihen des eigenen Teams blieb.

Die erwartete Beschleunigung des Spiels und damit eine höhere Belastung konnte dagegen nicht festgestellt werden. Das Spiel wurde in sich nicht schneller, aber intensiver. Allerdings wurde keine signifikant höhere Belastung festgestellt, wenngleich eine Tendenz erkennbar war und in der zweiten Halbzeit weniger Kilometer zurückgelegt wurden.

Zudem führte die Option der Zeitstrafe für fünf Minuten oder zehn Minuten insgesamt zu einem faireren Spiel mit deutlich weniger Verwarnungen und fast keinem Feldverweis während der Turniere.

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Die Zukunft der Fußballregeln?

Wiederholte Ballberührungen bei Spielfortsetzungen zu erlauben, wäre wie die Abseitsänderung von 1925 inhaltlich keine große Änderung der Regeln, aber sie würden das Spiel deutlich offensiver machen. Und das ist es doch auch, was man möchte, oder?

Mehr Tore -> mehr Erfolg -> mehr Zuschauer*innen -> mehr Einnahmen -> man kann sich bessere Spieler*innen leisten -> mehr Tore -> … Diese Formel ist einfach. In der Realität läuft es natürlich nicht immer so. Aber ein 4:4 klingt auf jeden Fall schon mal spannender als ein 0:0.

Das Erlauben des Selfpasses bei Freistößen und als Dribble-In bei Ecken und Einwürfen würde wesentlich mehr Einfluss auf die Attraktivität und Offensivität haben als ein Daylight Offside. Und zudem braucht man für diese Regeländerungen keine Technik, sie lässt sich also in der Champions League und in der Kreisliga gleichermaßen einfach umsetzen.

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