Die Sorgen von Bundestrainer Jogi Löw werden immer größer: Viele Stammkräfte kämpfen mit Blessuren. Die Krämpfe vieler Nationalspieler in der Verlängerung des DFB-Pokalfinales am Samstag werfen zudem die Frage auf: Ist das DFB-Team zu schlapp für die WM in Brasilien? Der Sportmediziner Ingo Froböse gibt Antworten.

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Torhüter Manuel Neuer zog sich einen Kapselriss in der Schulter zu, Kapitän Philipp Lahm hat Probleme im linken Fuß und auch an der Einsatzfähigkeit von Bastian Schweinsteiger gibt es Zweifel. Noch dazu erholen sich Sami Khedira und Miroslav Klose gerade erst von langwierigen Verletzungen: Die deutsche Nationalmannschaft ist wenige Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft alles andere als in bester Verfassung.

Darüber hinaus scheinen viele Stars kaum in der Lage zu sein, länger als 90 Minuten Topleistung zu bringen - keine gute Voraussetzung angesichts der tropischen Temperaturen in Brasilien. Wir haben den Sportmediziner Ingo Froböse gefragt, wie sehr die Fitnessprobleme den Erfolg bei dem Fußballturnier gefährden können.

Herr Froböse, beim Pokalfinale zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund haben einige Spieler über Krämpfe geklagt. Wie fit sind die Spieler für die WM, wenn ihnen schon eine Verlängerung so zusetzt?

Ingo Froböse: Grundsätzlich ist die Länge der Saison für die Fitness entscheidend. Beide Teams mussten mit den vielen Spielen in der Bundesliga, der Champions League und dem Pokal auch die größte Belastung tragen. Da standen ja die besten Spieler Deutschlands auf dem Platz. Nach ein bis zwei Wochen Ruhe müssen sie ihr normales Niveau aber wieder erreicht haben. Aber insgesamt beurteile ich den Fitnesszustand beim Pokalfinale als eher schlecht.

Welche Ursachen haben solche Krämpfe? Die Spieler sind ja eigentlich alle optimal trainiert.

Hauptursache für einen Krampf ist eine muskuläre energetische Erschöpfung. Normalerweise gibt es ein Zusammenspiel zwischen Muskel und Nerv. Bei einem Krampf wird der Muskel durch den Nerv irritiert. Einerseits fehlt ihm die Energie, anderseits ist der Nerv ermüdet und sendet die Signale nicht zielgerichtet.

Wie hoch ist die Verletzungsgefahr bei einer WM? Steigert das Klima die Verletzungsgefahr noch?

Auf jeden Fall. Ermüdung steigert die Gefahr von Verletzungen. Wenn Löw den Spielern jetzt nicht Ruhe gibt, ist das Risiko viel, viel höher. Wichtig sind eine angemessene Regeneration und physikalische Maßnahmen. Aber bei den vergangenen Turnieren hat sich gezeigt, dass das deutsche Team immer eine sehr gute Vorbereitung hatte.

Was sind solche "physikalische Maßnahmen"?

Dazu gehören eine vernünftige Ernährung mit genügend Nähr- und Mineralstoffen. Dazu sollten die Muskeln aufbauende Substrate bekommen, wie Aminosäuren. Außerdem sollte der Stoffwechsel der Spieler aktiviert werden. Neben Ernährung und ausreichend Pause gehören dazu etwa Massagen, Saunabesuche und Bäder.

Manuel Neuer hat sich am Samstag an der Schulter verletzt, angeblich ein Kapselriss. Wird er bei der WM zu 100 Prozent einsatzfähig sein?

Normalerweise sind Kapseln gut durchblutet, daher gibt es eine sehr schnelle Heilungschance. Nach 14 Tagen dürfte die Verletzung schon ausgeheilt sein. Der Nachteil ist, dass danach die Beweglichkeit eingeschränkt ist. Neuer braucht also eine gute Physiotherapie. Die dürfte er beim DFB aber bekommen. Deswegen wird er in vier Wochen bestimmt zu 100 Prozent einsatzfähig sein.

Was denken Sie persönlich? Wie hoch sind die Chancen der deutschen Nationalmannschaft bei der WM?

Ich drücke der Mannschaft die Daumen, aber die Probleme sind derzeit doch recht schwerwiegend. Allerdings haben die Spanier sogar noch mehr Belastung, da ja sowohl Atletico Madrid als auch Real Madrid noch das Finale der Champions League spielen müssen. Andere Mannschaften, gerade die Südamerikaner, sind deutlich im Vorteil, da sie eine viel längere Vorbereitungszeit haben. Daher glaube ich, dass Deutschland maximal ins Halbfinale kommt, aber eher noch ins Viertelfinale.

Prof. Ingo Froböse ist Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung sowie des Instituts für Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln. Er berät den Bundestag in Fragen der Prävention sowie Krankenkassen und Sozialversicherungen. In den 1970er und 80er Jahren war er erfolgreicher Bobfahrer und Leichtathlet.
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