Lukas Podolski sorgt für gute Laune bei den Kollegen, Per Mertesacker gibt sich trotz Verbannung auf die Bank als Team-Player: Der Mannschaftsgeist in der DFB-Elf scheint so gut zu sein wie lange nicht. Ist es diese positive Stimmung, die Deutschland den Gewinn des WM-Titels beschert?

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Er ist der Gute-Laune-Onkel des DFB-Teams - und das, obwohl er bei der WM 2014 bislang kaum zum Einsatz kam: Lukas Podolski, "Twitter-König" der deutschen Elf, präsentiert sich in seinen zahlreichen Tweets meist bestens gelaunt. Poldi hat seit Turnierbeginn über 100 Nachrichten über das soziale Netzwerk verschickt - das sind rund doppelt so viele wie er Einsatzminuten auf dem Konto hat (53). Darunter ein Selfie mit der Kanzlerin, ein Foto mit dem halbnackten Manuel Neuer und ein Schlafbild von Kumpel Bastian Schweinsteiger. Dass Podolski bei Bundestrainer Joachim Löw nur zweite Wahl ist, scheint für den 116-maligen Nationalspieler zweitrangig zu sein. Podolski weiß um seine Rolle: Er sorgt bei seinen Kollegen für gute Stimmung. Für das Mannschaftsgefüge ist Podolski abseits des Platzes derzeit wichtiger als auf dem Feld.

Doch nicht nur Podolski dient als hervorragendes Beispiel, wie gut der Teamgeist in der Nationalelf zu sein scheint. Per Mertesacker wurde für das Viertelfinal-Duell mit Frankreich (1:0) nicht berücksichtigt. Manch einer hätte mit Frust oder Resignation auf die Ausbootung reagiert - nicht so Mertesacker. Der 29-Jährige jubelte über den 1:0-Treffer von Mats Hummels genauso ausgelassen wie seine Teamkollegen. Mertesacker merkte nach dem Sieg zwar an, dass er "natürlich gerne spielen möchte", sich aber auch als Reservist für das Team voll einbringen werde, denn: "Wir müssen einfach realisieren, dass wir eine Riesenchance vor der Brust haben."

Joachim Löw lobt Per Mertesacker

Keine Star-Allüren beim Arsenal-Profi: Joachim Löw ist davon äußerst angetan. "Ich habe mit Per Mertesacker geredet, er hat super reagiert und gesagt: 'Trainer, ich weiß, wie ich der Mannschaft helfen muss und helfen kann.' Das hat er gemacht in der Kabine", lobt der Bundestrainer seinen Abwehrchef a.D. für dessen Verhalten. Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bescheinigte Mertesacker im "Tagesspiegel" einen "astreinen Charakter".

Stammplatzforderungen und Grabenkämpfe gibt es in diesem Jahr nicht: Die Nationalelf präsentiert sich ausnahmslos als verschworene Einheit. Damit unterscheidet sich dieses Turnier deutlich von dem vor zwei Jahren. Während der Europameisterschaft 2012 echauffierte sich Toni Kroos mehrfach öffentlich über seinen Reservistenstatus. Im Halbfinale folgte - dieses Mal mit Kroos in der Startelf - das Aus gegen Italien. Auch DFB-Kapitän Philipp Lahm merkte nach der EM an: "Die Stimmung war schon mal besser als bei der Euro."

Vergleich zum WM-Sieg 1990

Doch jetzt scheint alles anders zu sein: Niersbach zieht angesichts der positiven Stimmung innerhalb des Teams sogar Parallelen zum WM-Kader von 1990, als Deutschland dank eines Elfmetertores von Andreas Brehme zum bisher letzten Mal Weltmeister wurde.

Für den Erfolg einer deutschen Mannschaft scheint die teaminterne Atmosphäre seit jeher eine entscheidende Rolle zu spielen. Bereits 1954 formte der damalige Bundestrainer Sepp Herberger aus seinem Kader eine echte Gemeinschaft. Mit dem verinnerlichten "Geist von Spiez" schlug die deutsche Nationalelf den großen Favoriten Ungarn beim "Wunder von Bern" mit 3:2. 20 Jahre später war es der "Geist von Malente", der entscheidend zum zweiten WM-Triumph, diesmal über die Niederlande (2:1), beigetragen haben soll.

Joachim Löw stellt seinen Kader geschickt zusammen

Auch Löw weiß, wie wichtig die Atmosphäre innerhalb des Teams für ein vier Wochen dauerndes Turnier ist. Aus diesem Grund dürfte der Bundestrainer beispielsweise den zu den ruhigen Vertretern gehörenden Ron-Robert Zieler dem ehrgeizigen Marc-Andre ter Stegen als dritten Torwart vorgezogen haben. Auch Roman Weidenfeller, Matthias Ginter, Erik Durm, Kevin Großkreutz und Julian Draxler, die allesamt noch keine WM-Minute gespielt haben, sind in erster Linie froh, überhaupt dabei zu sein.

Im Halbfinale gegen Brasilien (Dienstag, 22:00 Uhr im ZDF und live bei uns im Ticker) dürfte Löw derselben Mannschaft wie gegen Frankreich vertrauen. Mertesacker müsste dann erneut mit der Bank vorliebnehmen - für den 29-Jährigen aber kein großes Problem. "Dass man ab und zu zurückstecken muss - ich glaube, da liegt die wahre Stärke einer Mannschaft", sagt der Innenverteidiger. Vielleicht ist es gerade diese Stärke, die Deutschland am Ende zum Weltmeister 2014 macht.

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