Das frühe Aus bei den US Open war für Angelique Kerber eine der schwersten Niederlagen ihrer Karriere. Aber vielleicht ist es auch die Möglichkeit zu einem erneuten Wendepunkt in ihrer wechselhaften Karriere.

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Am Ende war es nicht weniger als eine Demütigung. Angelique Kerber, die Titelverteidigerin bei den US Open, die ehemalige Nummer eins und Deutschlands große Hoffnung beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres, ist in Runde eins ausgeschieden.

Gegen die Nummer 45 der Welt, eine 19-jährige Japanerin, die bisher allenfalls ein paar Experten ein Begriff war. Beim 3:6 und 1:6 gegen Naomi Osaka erlebte Kerber ein Debakel der ganz besonderen Art. Gerade einmal 65 Minuten dauerte der Auftritt in Flushing Meadows, ehe eine der schlimmsten Niederlagen in der Karriere der 29-Jährigen perfekt war.

Es war Kerbers zweites Erstrundenaus bei einem Grand Slam in diesem Jahr, auch in Paris war schon nach einem Spiel Schluss. Als erste Nummer eins der Welt überhaupt in Roland Garros.

Bei den Australian Open und in Wimbledon war sie im Achtelfinale ausgeschieden. Damit bleibt die Bilanz in diesem Jahr verheerend. Und nicht wenige fragen sich, ob die ganz große Zeit der Kielerin nach etwas mehr als einer Saison schon wieder zu Ende geht?

Im Januar war Kerber noch als Weltranglistenerste in die Saison gestartet, jetzt fällt sie sogar aus den Top Ten. "Dieses Jahr ist komplett anders", sagte sie auf der Pressekonferenz im Bauch des Arthur-Ashe-Stadiums und wirkte trotz einiger Erklärungsversuche einigermaßen ratlos.

Noch kein Turniersieg 2017

Kerber hat in diesem Jahr kein einziges Turnier gewonnen, der Einzug ins Finale von Monterrey war noch der größte Erfolg.

Dafür hagelte es unerklärliche Pleiten, zum Teil gegen Qualifikantinnen. "Es ist wie im Leben: Manchmal läuft es gut, manchmal läuft es eben nicht", sagte sie und meinte damit wohl eher: Seit geraumer Zeit läuft es so gut wie gar nicht mehr.

Angelique Kerber kennt diese Zeit und sie kennt dieses Gefühl. Vor ihrem Triumph von Melbourne im Januar 2016 war sie so etwas wie eine ewige Verliererin.

Hochbegabt, ehrgeizig, gewissenhaft - aber in den entscheidenden Momenten gerade in großen Spielen immer auch etwas zu zaghaft und wankelmütig.

In diesen Monaten und Jahren davor soll sie öfter daran gezweifelt haben, ob das noch etwas wird mit ihr und dem großen Tennis.

Dann kam Melbourne, später New York, der Sprung auf Platz eins der Weltrangliste und Kerber wusste: Es hat doch noch alles ein gutes Ende genommen.

Der Aufschlag bleibt ein Problem

Aber am Ende sollte ihre Laufbahn damit eigentlich noch nicht sein. Sie hat erfahren, wie schwer es ist, ganz nach oben zu kommen.

In einem Sport, der auch bei den Damen mittlerweile von Kraft und Ausdauer, von Schlaghärte und mentaler Belastbarkeit dominiert wird, hat sie es als Mittzwanzigerin tatsächlich noch mal allen bewiesen.

Die neue Generation ist aber noch entschlossener, sie schlägt wuchtiger und serviert härter. Dieses Powertennis kann Kerber mitgehen an guten Tagen.

An den eher schlechten Tagen kommen dann Matches heraus wie das gegen Osaka, wo sie von ihrer Gegnerin einfach so weggefegt wird.

Als die Deutsche im letzten Jahr an die Spitze der Weltrangliste geklettert war, gab es schon erste Zweifler, ob sich Kerber da lange würde halten können.

"Ich hätte nie gedacht, dass Kerber die Nummer eins wird. Sie hat mich wirklich überrascht", sagte McEnroe im Interview mit der "Sport Bild". "Ich habe immer ihren Kampfgeist und ihre Intensität auf dem Platz respektiert. Sie schafft es, in den Kopf der Gegnerin zu kommen. Aber sie ist nicht besonders groß und hat keinen guten Aufschlag."

Und dann formulierte "Big Mäc" noch jene Sätze, die im Rückblick wohl gar nicht so weit hergeholt waren. "Ich erwarte nicht von ihr, dass sie für lange Zeit die Nummer eins bleibt. Die Nummer-1-Position zu verteidigen, ist nochmal eine ganz andere Herausforderung. Nun ist Kerber die Gejagte. Jeder will gegen die Nummer eins gewinnen und ist extramotiviert."

Ex-Coach zurückgeholt

"Ich musste feststellen, dass es definitiv viel schwerer ist, oben zu bleiben als nach oben zu kommen", sagte Kerber selbst im Sommer, als sie in Rom frühzeitig gescheitert war. Schon damals wirkte sie einigermaßen ratlos. "Ich muss was ändern, aber ich weiß nicht, was. Ich habe nicht den besten Moment gerade, ich stecke im Tief."

Im vergangenen Jahr hat sie die vielen guten Aspekte ihres Spiels nicht konservieren oder sogar verbessern können. Ihr Aufschlag zum Beispiel, schon immer eine Schwachstelle, genügt höchsten Ansprüchen kaum.

Kerber quält sich durch ihre Service-Spiele, anstatt wie viele andere in diesen Momenten des Spiels mit dem Aufschlag zu dominieren und sich auch mal Ruhephasen zu verschaffen.

Sie hat sich ihren ehemaligen Trainer Benjamin Ebrahimzadeh zurückgeholt, er soll an der Seite von Torben Beltz für neue Akzente sorgen. "Es ist mal eine neue Stimme, ein Impuls, den ich brauche, auch wenn ich seine Stimme schon lange kenne", sagt Kerber.

Bereits von 2013 bis 2015 arbeiteten beide zusammen, ehe sich Kerber von Ebrahimzadeh trennte.

Ob nach 15 Jahren der Zusammenarbeit mit ihrem Dauer-Coach Beltz unter Umständen eine Luftveränderung her müsste? Die These steht im Raum, Kerber hält sich bedeckt.

Vielleicht werden nun, da sie nicht mehr die Nummer eins ist und der ganz große Druck und der Rummel um ihre Person etwas nachlassen werden, auch ihre Aufgaben wieder leichter. Wenn sie wieder aus einer Außenseiterposition angreifen kann, wenn andere den Druck haben, permanent der Favorit zu sein und liefern zu müssen.

Denn Kerber war nie jemand, der sich gern im Rampenlicht sieht oder sich inszeniert oder besonders extrovertiert ist.

Ihr ist klar, dass in ihrer schweren Niederlage auch eine große Chance liegt. "Ich weiß, dass ich stark bin. Und dass ich stärker zurückkommen werde."

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