Dominatorin, Vorbild, Jahrhunderttalent: Mikaela Shiffrin fährt aktuell allen davon und erfindet damit den Skisport neu. Das liegt vor allem an ihrem einzigartigen Stil.

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Sie ist aktuell das Nonplusultra im weiblichen Skizirkus. Selbst Landsfrau und Ski-Superstar Lindsey Vonn steht aktuell im Schatten von Mikaela Shiffrin.

Zwar bewegt sich Shiffrin in den technischen Disziplinen Slalom und Riesenslalom, also in anderen Gattungen als Vonn. Die unglaubliche Dominanz und Überlegenheit ist aber vor allem in ihrer Paradedisziplin Slalom frappierend und völlig neu.

Es gab zwar schon immer Athletinnen, die der Konkurrenz weit voraus waren. Annemarie Moser-Pröll, Vreni Schneider oder Katja Seizinger. Aber Mikaela Shiffrin: Die hat gar keine Konkurrenz.

Größter Abstand aller Zeiten

Am Sonntag in Kranjska Gora fuhr Shiffrin den Rest des Feldes dermaßen in Grund und Boden, dass Experten nur zu einem Schluss kommen: Die US-Amerikanerin ist eine Jahrhundertathletin. So formulierte es unter anderem die ehemalige Slalom-Queen Maria Höfl-Riesch.

Bereits nach dem ersten Lauf fuhr Shiffrin den astronomischen Vorsprung von 5,59 Sekunden auf die an Position 30 platzierte Schweizerin Carole Bissig heraus, die damit auch noch für den zweiten Durchgang qualifiziert war.

Die Fahrerinnen sollten sich eigentlich in etwa auf einem Leistungsniveau bewegen. Wenn aber nach einem Lauf mit weniger als einer Minute Fahrzeit ein Vorsprung von mehr als fünf Sekunden zustande kommt, dann hat sich Außerordentliches ereignet.

Noch nie zuvor in der langen Geschichte des alpinen Weltcups hatte es eine größere Differenz zwischen Platz eins und Platz 30 gegeben. "Das war der beste Lauf meines Lebens", sagte Shiffrin danach fast schon entschuldigend.

Shiffrin punktet auch in anderen Disziplinen

40 Weltcup-Siege hat sie jetzt schon auf dem Konto - und das mit 22 Jahren. Dazu kommen vier Siege im Disziplin-Weltcup Slalom, drei WM-Goldmedaillen im Slalom und Gold bei den Olympischen Spielen von Sotschi vor vier Jahren. Damals war sie 18 Jahre alt.

Die Titelverteidigung im Gesamtweltcup dürfte nur noch Formsache sein: Shiffrin hat jetzt schon mehr als doppelt so viele Punkte (1281) gesammelt wie ihre erste Verfolgerin Wendy Holdener (560).

So langsam geht sie immer weiter weg von der reinen Spezialisierung und stellt sich als Allrounderin auf. In Lake Louise hat sie Anfang Dezember ihren ersten Sieg in der Abfahrt errungen. Der erste Triumph im Super G ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Warum Shiffrin so dominant ist

Shiffrin fährt vor allem im Slalom einen Stil, der sehr an die aggressive Herangehensweise männlicher Kollegen erinnert. Keine arbeitet so fulminant nach vorne, geht auf Konfrontationskurs mit den Hängen.

Während sie sauber und rund fährt und immer schon mit Erreichen des Tores den Schwung fertig hat, denkt die Konkurrenz gefühlt erst darüber nach, zu eben jenem Schwung anzusetzen.

Das ist so viel schneller und athletischer, dass Shiffrin in immer noch jungen Jahren längst Maßstäbe gesetzt hat.

Die Konkurrenz hat jedenfalls kapituliert. "Das ist schon deprimierend", sagte die beste Deutsche von Kranjska Gora, Christina Geiger. Geiger wurde am Ende Siebte - und war dabei vier Sekunden langsamer als Shiffrin.

"Ich glaube, sie ist der beste Skirennfahrer, den ich je gesehen habe, sei es bei den Männern oder bei den Frauen", sagt Bode Miller, einst selbst der beste Rennfahrer seiner Zeit.

Die Rennmaschine Shiffrin hat aus ihrem gesegneten Talent bisher das Optimum herausgeholt. Nicht wenige Trainer verzweifelten regelrecht an ihrer Trainingswut und ihrem Biss.

"Diese Frau arbeitet dich auf", hat ihr Ex-Trainer Roland Pfeifer einmal gestanden.

Kommt es zum Kampf der Geschlechter?

Ihr adrettes Aussehen und ihr immer noch fast jugendliches Alter lassen die Werbemillionen nur so sprudeln.

Die Ausnahmekönnerin hat finanziell längst ausgesorgt. Und irgendwann wird es selbst für die verbissensten Arbeiter schwer, sich immer wieder selbst zu motivieren. Beispiele für früh beendete Karrieren gibt es genug.

Bevor sich Mikaela Shiffrin aber zu diesem Schritt entscheidet, wäre ein Kampf der Geschlechter vielleicht eine reizvolle Mission. Kollegin Lindsey Vonn hat bereits einen Antrag an den Weltverband FIS gestellt, damit sie bei den Männern starten darf.

Einen kleinen Hinweis darauf trägt auch Shiffrin bereits: Auf ihrem Helm steht die Abkürzung "ABFTTB", Always Be Faster Than The Boys. Ein Relikt aus frühesten Kindheitstagen.

Beim Nachtslalom in Flachau am heutigen Dienstag kann Shiffrin erst mal wieder Ski-Geschichte schreiben: Wenn sie heute gewinnt, feiert sie ihren 41. Weltcup-Erfolg.

So viele Siege hat vor dem 23. Geburtstag bisher nur Annemarie Moser-Proll errungen.

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