Vor fast 35 Jahren wurde die verkohlte Leiche von Karl Koch gefunden, die Todesumstände sind noch immer rätselhaft. Ein aufwendige "Sky"-Dokumentation beleuchtet den Fall des Hackers, der für den KGB spionierte, nun aufs Neue.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Heinz-Hermann Salge kann sich an den 1. Juni 1989 noch sehr gut erinnern. Der mittlerweile pensionierte Polizist entdeckte an diesem Tag zunächst ein verlassenes Auto in einem abgelegenen Birkenwäldchen im Landkreis Gifhorn.

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Wenig später stieg ihm Verwesungsgeruch in die Nase, zwischen den Bäumen fand er die verbrannte Leiche von Karl Koch. "Erste Hilfe war nicht mehr erforderlich, das konnte man sofort erkennen", erzählt Salge in dem neuen Dokumentarfilm "23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers", der am 7. Dezember auf "Sky" und "WOW" startet.

Dem Polizisten fielen an der Fundstelle sofort Ungereimtheiten auf. Etwa die völlig kreisrunde Brandstelle um die Leiche herum. "Das ist schon sehr seltsam", erklärt er rückblickend. Als Todesursache wurde abschließend Selbstmord durch Selbstverbrennung angegeben, die tatsächlichen Umstände des Todes von Karl Koch bleiben aber bis heute rätselhaft und bieten somit besten Stoff für eine True-Crime-Doku.

Karl Koch war einer der ersten Hacker

Denn Koch war eine schillernde Persönlichkeit und in der Frühzeit der privaten Computer einer der ersten Hacker überhaupt. Er spionierte für den russischen Geheimdienst KGB amerikanische Rechner aus, er wurde vom deutschen Verfassungsschutz verhört, er war zeitweise abhängig von Kokain und hatte Kontakte ins Drogenmilieu. Es gab also durchaus Menschen, die ein Interesse daran gehabt haben könnten, Koch aus dem Weg zu schaffen.

Koch war einerseits ein brillanter Computer-Fachmann, dessen Voraussagen über die Vernetzung der Welt und ihre Schattenseiten aus heutiger Sicht fast schon visionär klingen. Andererseits war er ein fürchterlich einsamer Mensch, der sich in die virtuelle Welt und Verschwörungstheorien flüchtete und ernste psychische Probleme entwickelte. Die Roman-Trilogie "Illuminatus!", in der es um eine Weltverschwörung durch den Geheimbund der Illuminaten geht, spielte in seinem Leben eine zentrale Rolle.

"Es gab einen Punkt, wo das von Literatur in Realität umbrach. Wo er die Illuminaten zu ernst genommen hat, wo er die Zeichen der Illuminaten überall gesehen hat", erinnert sich Kochs Schulfreund Freke Over. Mit Zeichen ist vor allem die Zahl "23" gemeint, mit der den Illuminaten-Romanen zufolge alles zusammenhängt.

Dass Karl Koch am 23. Mai 1989 verschwand und er zum Zeitpunkt seines Todes 23 Jahre alt war, ist vor diesem Hintergrund durchaus ein bisschen unheimlich. Dass der "Sky"-Dokumentarfilm von Regisseur Carsten Gutschmidt im Jahr 2023 erscheint, ist hingegen sehr passend.

Der Dokumentarfilm baut auf den Kinofilm mit August Diehl auf

Bereits 1998 widmete sich der Regisseur Hans-Christian Schmidt mit dem Kinofilm "23 - Nichts ist so wie es scheint" der Lebensgeschichte von Karl Koch. Der Film besitzt heute Kultstatus, viele Kinobesucherinnen und -besucher erfuhren damals erstmals vom Schicksal des Hackers.

Die Dokumentation verwendet Szenen des Films, Regisseur Schmidt erinnert sich mit den beiden Schauspielern August Diehl und Fabian Busch zurück. Für Diehl war die Darstellung Karl Kochs die erste große Rolle, in die er nun gewissermaßen zurückkehrt. Für den Dokumentarfilm liest er aus privaten Aufzeichnungen Kochs und lange unter Verschluss gehaltenen Verhörprotokollen vor, was ziemlich eindrucksvoll ist.

Eine weitere wichtige Rolle in der Doku übernimmt Frank Plasberg. Der langjährige "Hart aber fair"-Moderator gibt den Ermittler und befragt Menschen überall auf der Welt zum Fall Karl Koch. Es ist erstaunlich, wie viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen die Filmmacher vor die Kamera bekommen konnten. Schulfreunde, Hacker-Kollegen, Journalisten, die damals über den Fall berichteten, Geheimdienst-Experten, Beamten und sogar den amerikanischen Astronomen Clifford Stoll, der durch Unregelmäßigkeiten auf den Rechnern des Lawrence Berkeley National Laboratory den KGB-Hackern um Koch auf die Schliche kam.

Selbst zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, der damals im Auftrag des KGB ausländische Studenten als Spione anzuwerben versuchte, wird eine – wenn auch spekulative – Verbindung hergestellt.

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Ein Einblick in die Frühzeit der Vernetzung von Computern

Entstanden ist eine spannende Dokumentation, die wie bei "Sky" üblich auf eine Erzählerstimme verzichtet und stattdessen Interview an Interview reiht und diese mit Archivmaterial, Ausschnitten des Kinofilms und nachgestellten Szenen vermischt.
"23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers" ist dabei nicht nur eine True-Crime-Story, sondern gibt auch Einblicke in die Zeit des Kalten Krieges in den 1980er-Jahren und die Anfänge der Vernetzung von Computern. Wie damals noch die Hörer von Wählscheiben-Telefonen in Modems gelegt wurden, um eine Verbindung zum Netz herzustellen, wirkt aus heutiger Sicht schon ziemlich skurril.

Ein Tipp zum Schluss: Wer sich noch nicht mit dem Fall Karl Koch auseinandergesetzt hat, sollte vielleicht zuerst den Kinofilm und dann die Dokumentation schauen. Auch "23 - Nichts ist so wie es scheint" ist aktuell bei "Sky" abrufbar.

Verwendete Quellen

  • Vorabsichtung von "23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers"
  • Pressematerial von "Sky"
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