Die mutmaßlichen Selbstmorde mehrerer koreanischer Stars wecken weltweit das Interesse an den Mechanismen der sogenannten K-Pop-Szene. Sie verspricht Ruhm in einer Gesellschaft, die sozialen Aufstieg nur schwer zulässt.
Nach 16 Folgen war für die TV-Show mit dem Titel "Die Nacht der Hass-Kommentare" Schluss. Sie endete mit dem Tod einer ihrer Moderatorinnen.
K-Pop: Mobbing-Opfer Sulli moderierte Show voller Hass-Kommentare
Die Südkoreanerin Sulli, mit bürgerlichem Namen Choi Jin Ri, war ein Star des koreanischsprachigen Pop, kurz K-Pop. Seit Juni 2019 moderierte sie zudem die fragwürdige TV-Show.
Jede Woche begrüßten die Moderatoren der Sendung Prominente, die hasserfüllte Kommentare aus dem Internet vorlasen, deren Ziel sie selber waren. Die Sendung sollte nach Angaben des Senders therapeutisch wirken - in ein Unterhaltungsformat verpackt.
"Es ist eine neue Form der Show, die Stars helfen soll, mental stärker zu werden", kündigte der Sender im Mai vor der Premiere an. Jetzt wird im Netz hinterfragt, ob es wirklich so gut war, auch Sulli als Moderatorin einzuladen. Die Sängerin war selbst ein Mobbing-Opfer in den sozialen Medien und hatte während ihrer K-Pop-Karriere mit Panik-Attacken zu kämpfen.
Sulli eckte mit ihrer offenen und kontroversen Art in der als konservativ geltenden Unterhaltungsindustrie und Teilen der südkoreanischen Gesellschaft an. Ihr Einsatz etwa für die No-Bra-Bewegung, die sich gegen das BH-Tragen ausspricht, brachte ihr Zustimmung, aber auch Kritik und sexistische Kommentare ein.
Offenbar war der Hass zu viel für die junge Frau. Mitte Oktober wurde die 25-Jährige von einem Manager tot in ihrer Wohnung in Seoul aufgefunden. Die Polizei ging von Suizid aus. Der Sender JTBC beschloss danach, die Sendung einzustellen.
Goo Hara wurde angeblich mit Sex-Video erpresst
Der tragische Tod von Sulli ist kein Einzelfall. Mitte November erschütterte der Tod einer weiteren bekannten Sängerin die K-Pop-Welt. Die 28 Jahre alte Goo Hara wurde am 24. November ebenfalls tot in ihrer Wohnung in Seoul aufgefunden. Wieder wird Suizid als Todesursache angenommen.
Goo Hara, die durch ihre Mitgliedschaft bei der Girlband Kara bekannt geworden war, und Sulli waren gut befreundet. Beide hatten Erfolg, beide zahlten aber auch den Preis dafür, im Rampenlicht zu stehen.
Goo Hara geriet im vergangenen Jahr wegen eines öffentlich gewordenen Streits mit einem früheren Freund in die Negativschlagzeilen. Sie beschuldigte den Freund, sie erpressen zu wollen, weil er gedroht habe, ein Sexvideo mit ihr zu veröffentlichen.
Serien-Star Cha In Ha nahm sich mutmaßlich ebenfalls das Leben
Anfang Dezember wurde dann die Leiche des 27-jährigen südkoreanischen Schauspielers und K-Pop-Stars Cha In Ha in seiner Wohnung gefunden. Bekannt war er durch Auftritte in TV-Serien geworden. Auch er beging mutmaßlich Suizid – und im Land entstand die Sorge, es könnte zu Nachahmungen kommen.
Der Tod dieser Stars löste außerdem Debatten über den Druck aus, der auf K-Pop-Stars lastet - speziell auf den weiblichen Akteuren.
Besonders Sullis Tod habe die Diskussion über das Cyber-Mobbing intensiviert, schreibt die Zeitung "Hankyoreh". In der Öffentlichkeit habe sich ein Konsens gebildet, "dass die Postings wesentlich zu ihrem Entschluss beigetragen haben, in den Tod zu gehen". Gerade im stark vernetzten Südkorea sind Cyber-Mobbing und ein strikteres Vorgehen dagegen schon lange ein Thema.
K-Pop-Star Sulli stirbt mit 25 Jahren
Viele südkoreanische Halbwüchsige wollen K-Pop-Star werden
Doch was bedeutet K-Pop für Südkorea? Seit Jahren feiert das Musik-Genre große Erfolge. Elemente aus Rap, Rock und Techno mischten sich nach und nach in die Musik eines Landes, das geschichtlich und kulturell stark von japanischen und amerikanischen Einflüssen geprägt ist. Die bekanntesten Künstler der Szene treten heute schrill, modisch und auffallend jugendhaft auf.
Viele südkoreanische Teenager, die allgemein durch das rigide Unterrichtssystem des Landes einem großen Druck ausgesetzt sind, träumen davon, einmal ein großer K-Pop-Star zu werden. Oft versuchen sie, mit Unterstützung ihrer Eltern eine Stelle bei einer Talentagentur zu ergattern, in der sie Sing- und Tanzunterricht erhalten.
"Die Südkoreaner sind tief amerikanisiert, wenn es darum geht, ihre Träume zu verfolgen, die zu Ruhm und Reichtum führen", sagt der Soziologe John Lie von der Berkeley-Universität in den USA, der sich eingehend mit den Gesellschaften in Ostasien befasst.
Doch gebe es einen großen Unterschied zu den USA, wo viele Wege zum Erfolg führen würden. "Der beherrschende Weg in Südkorea wird durch akademischen Wettbewerb bestimmt, und K-Pop eröffnet einen der wenigen Wege zum Ruhm."
Nur wenige feiern den ganz großen Erfolg – und die, die es schaffen, stehen unter immensem Druck. Lie: "Was die K-Pop-Stars betrifft, so führen sie ein extrem reglementiertes Leben, und die wenigen, die erfolgreich sind, stehen eine begrenzte Zeit im Rampenlicht." (hau/dpa)
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