Jeden Mittwoch eine Satire über die neueste Folge von Bill und Tom Kaulitz' Podcast "Kaulitz Hills" zu schreiben – das ist ganz schön anstrengend. Da ist es ausgesprochen nett, dass Bill und Tom diesmal nicht nur eine neue Folge produziert, sondern damit die dazugehörige Satire eigentlich auch gleich mitgeschrieben haben. Mit dabei: Christian Lindner, eine "Zeit-Redakteurin", ein Parfümeur und Urin in Flaschen.

Christian Vock
Eine Satire
Diese Satire stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Wir sind gereizt heute", bekennt Bill in den ersten Minuten der neuen Folge "Kaulitz Hills" und Bruder Tom liefert die Begründung dazu: "Die Familie ist zu Besuch." Dieser Besuch sei zwar sehr schön, allerdings auch "eine Herausforderung", erzählt Bill und vielleicht erklärt diese herausgeforderte Gereiztheit auch den rauen Tonfall in den folgenden Minuten. Das weiß ich allerdings nicht mit Gewissheit. Es ist nur eine Spekulation und von Spekulationen ist die "Kaulitz Hills"-Folge diesmal randvoll. Zum Beispiel mit Spekulationen über Christian Lindner.

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Tom hat sich nämlich über die Neuwahlen und wie es dazu kam Gedanken gemacht: "Die FDP hat das alles von langer Hand geplant", meint Tom und fragt sich: "Warum macht so ein Christian Lindner, warum macht er diesen Job?" Eine interessante Frage, aber so, wie Tom sie stellt, bleibt offen, was er damit meint. "Warum macht so ein Christian Lindner diesen Job?", "Warum macht so ein Christian Lindner diesen Job?" oder "Warum macht so ein Christian Lindner diesen Job?" Die Antworten können dadurch nämlich sehr unterschiedlich ausfallen, aber auch ohne diese Differenzierung ist sich Bill bereits sicher: "Fame."

"Kaulitz Hills": Spielt Christian Lindner "House of Cards"?

Lassen wir uns diese Antwort einmal durch den Kopf gehen. Sollte Christian Lindner wirklich auf Ruhm aus sein, wäre die Politik wahrscheinlich das Berufsfeld, in dem Lindner am ehesten reüssieren kann. Ich kann mir Christian Linder jedenfalls nicht als Fitness-Influencer, Milchbauer oder Dribbel-König bei Real Madrid vorstellen. Vielleicht unterschätze ich Christian Lindner hier aber auch.

Politik ist gleichzeitig auch eines der wenigen Berufsfelder, in denen man 2024 noch mit langweiligen Erwachsenen-Klamotten prominent sein kann. Oder kennen Sie einen berühmten Versicherungsvertreter? Einen Referatsleiter-Weltstar? Einen Steuerfachangestellten-Hall-of-Famer? Tom ist trotzdem skeptisch: "Ist es wirklich Fame? Damit er mit der 'Bild'-Zeitung quatschen kann und so das Gefühl hat, er kann Sachen durchsickern? Der rennt rum und er denkt so, er ist bei 'House of Cards'. Ist das so das Ding?"

Ebenfalls ein interessanter Gedanke und sollte dem so sein, hat es Lindner noch nicht einmal bis zum Ende der ersten Staffel geschafft. Dass es eine zweite Staffel geben wird, in der Lindner plötzlich zurückkehrt, danach sieht es derzeit nicht aus. Gleichzeitig ist die Schwelle, über die man gehen muss, um mit der "Bild" zu quatschen, sehr, sehr niedrig. Im Grunde ist es gar keine Schwelle, sondern eher eine Bodenvertiefung.

Bill und der böse "Zerriss" der "Zeit"

Aber Bill ist sich sicher: "Es geht einfach um Fame und Macht." Nun kann man von Christian Lindner tatsächlich diesen Eindruck gewinnen, ich habe Lindner jedenfalls noch nie auf einer Demonstration gesehen, wo er leidenschaftlich gegen Rechts, für Klimaschutz oder für gerechte Löhne kämpft. Aber vielleicht ist "Steuerentlastung für Spitzenverdiener!" auch einfach kein Thema für die Straße, ich weiß es nicht. Das Problem: Bill weiß es auch nicht, scheint aber trotzdem die Gedanken und Beweggründe von Christian Lindner zu kennen und Bruder Tom gibt ihm da Recht: "Die spielen ja auch mit den Medien und der Öffentlichkeit. Das ist so ein linkes Spiel, was die so machen und das finden die dann wahrscheinlich irgendwie geil."

Ein ganz gemeines Spiel, auch da ist sich Bill sicher, habe auch "Die Zeit" getrieben. Die, so erzählt es Bill, habe bei einem Pressetag anlässlich der Präsentation von Bills neuem Parfum ein Interview angefragt, und zwar "ganz aggressiv", aus Termin-Gründen aber keines bekommen. Weil Bill für "Die Zeit" keine Zeit gehabt habe, so Bill, habe sich "Die Zeit", dazu entschieden, einen "Zerriss" zu schreiben, "weil sie dann so abgefuckt waren darüber, dass ich mit ihnen nicht spreche". "Also haben's die persönlich genommen", resümiert Tom und Bill bestätigt: "Haben's persönlich genommen und haben dann gedacht: 'Okay, dann machen wir jetzt einen schönen Zerriss.'"

Nun würde es die Diskussion versachlichen, würde man einen Verriss weiterhin Verriss nennen, und nicht "Zerriss", aber unabhängig davon scheint auch Tom genau zu wissen, was man sich bei der "Zeit" gedacht hat: "Wenn du uns kein Interview gibst, dann leb mit der schlechten Schlagzeile. Dann denkst du das nächste Mal drüber nach und gibst vielleicht lieber ein Interview." Aber damit ist sie noch nicht vorbei, die Gedanken-Raserei, denn Bill kritisiert auch, dass "Die Zeit" einen Experten zu seinen Duft interviewt hat, denn dieser Experte sei nicht irgendwer – oder eben schon.

Bill und Tom und die Gedanken anderer Leute - und der Grund für eine Abmahnung

"Ein komischer Parfümeur, den kein Schwanz kennt", schimpft Bill über den bekannten Parfümeur Geza Schön. Außerdem habe "Die Zeit" gar nicht recherchiert und "Unwahrheiten" verbreitet. Besonders empört scheint Bill wegen der Überschrift zu sein. "Bill Kaulitz könnte auch in eine Flasche pissen", habe "Die Zeit" dort geschrieben. Die Überschrift ist in der Sache zwar erstmal richtig, schließlich ist das Urinieren in eine Flasche gar nicht so schwierig, wie man denkt.

Das kann praktisch jeder – warum also nicht auch Bill. Entscheidender ist aber, dass Bill zu erwähnen vergisst, dass die Sache mit dem Pipi in der Flasche nicht von der "Zeit"-Redakteurin stammt, sondern ein Zitat des interviewten Parfümeurs ist, der damit vermutlich auch nur meinte, dass die Menschen alles von Bill kaufen, egal, was er macht.

Am Ende unterstelle dieser Parfümeur Bill auch noch, "dass ich quasi billige Scheiße für 89 Euro verkaufe, weil er sagt: 'Den Duft stellt man für drei Euro her.'" Das sei ganz weit vom eigentlichen Preis entfernt, behauptet Bill, verpasst dabei aber die gute Gelegenheit, den tatsächlichen Herstellungspreis zu nennen, um den Parfümeur zu widerlegen. "Ein wirklich total frecher Zerriss, auch von diesem Typen, der mich null kennt, der sich null mit dem Thema auseinandergesetzt hat", schimpft Bill weiter.

Dabei hat "dieser Typ" sich von jemandem wie Bill, der sich gerne exzentrisch darstelle, bei einem eigenen Duft eigentlich nur etwas Individuelleres erwartet, als das, was er da gerochen hat. So steht es zumindest im "Zeit"-Interview. "Okay, das ist extrem vanillelastig", lautet beispielsweise ein Urteil und "Viel passiert halt nicht. Nach der Vanille ist eigentlich schon Schluss" ein anderes. Warum, das erklärt der Parfümeur danach in aller Breite.

Und die Redakteurin der "Zeit" moniert im Text, im Zuge ihrer angeblich nicht vorhandenen Recherche von Kaulitz' PR-Agentur auch nach fünf Tagen keine Antwort auf die Frage bekommen zu haben: "Wer hat das Parfüm komponiert?"

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Für Bill trotzdem ein Grund, eine Abmahnung in die Wege zu leiten, die "Die Zeit" nicht nur Zeit sondern auch Geld kosten werde. "Da ärgern sich natürlich die Redakteure, auch die Zeitungen am meisten drüber, wenn sie dann die Kosten tragen müssen für die Anwälte und Gerichtskosten", weiß wiederum Tom nicht nur, was sich Redakteure denken, sondern auch, wie die Sache ausgehen wird.

Und nachdem Bill und Tom nun über eine Stunde lang darüber geredet haben, was Christian Lindner, die "Zeit"-Redakteure und Parfümeur Geza Schön denken, fragt Bill Schön: "Was willst du denn denken, was ich gedacht habe?" Eine bessere Satire hätte ich jetzt auch nicht schreiben können.

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