Man mag es kaum glauben, dass Otto Waalkes nun 70 Jahre alt sein soll. Sicher, das Gesicht ist etwas faltig geworden, aber Otto bleibt Otto, das Kind im Manne, der blödelnde Ostfriese, der vielleicht bekannteste Komiker Deutschlands. Selbst die Witze, die er erzählt, sind noch die von vor 40 Jahren. Und das ist gut so.
Fast jeder kennt
Am Anfang war die Musik
Geboren wurde Otto Waalkes am 22. Juli 1948 in Emden, sein Vater Karl war strenggläubiger Baptist und Malermeister.
Schon mit 12 bekam Otto seine erste Gitarre, ein paar Jahre später gründete er eine Band: The Rustlers. Noch während der Schulzeit trat er überall in Ostfriesland mit der Gruppe auf, im Repertoire waren hauptsächlich Beatles-Cover.
1970, nach dem Abitur, schrieb sich Otto an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste ein. Eigentlich wollte er Freie Malerei studieren, stattdessen wurde er Kunstpädagoge.
Er zog in die "Villa Kunterbunt" – eine große Künstler-WG, in der unter anderem auch
Er spielte weitere Auftritte in Hamburg, die Veranstaltungsorte wurden größer – aber bald waren Ottos Ansagen zwischen den Songs beliebter als seine Musik. So entstand ein Soloprogramm, das schnell immense Popularität erlangte.
1972 gründete er mit seinem neuen Manager Hans-Otto Mertens das Label Rüssl Räckords und veröffentlichte einen Mitschnitt eines Auftritts, der sich über eine halbe Million Mal verkaufte.
Den absoluten Durchbruch hatte Otto kurz darauf mit seiner ersten TV-Sendung, "Die Otto-Show", die eine Einschaltquote von 15 Prozent erreichte.
Die Freude am Nonsens
Es sind diese frühen Jahre, die Otto als Komiker definierten. Er kultivierte die Figur, die er heute auch noch spielt: den schlaksigen Dummerjan mit den herabhängenden blonden Haaren und dem albernen Gang, kindlich im Gemüt, aber dafür mit endloser Energie aufgeladen.
Ottos Witz lebte von Absurditäten und der Freude am Nonsens: Wie Heinz Erhardt spielte er mit der Sprache, dazu erfand er putzige Figuren und wahnwitzige Sketche, die jegliche Sinnzusammenhänge auf den Kopf stellten.
Bei Otto küsst die Prinzessin ihren verzauberten Föhn, der sich daraufhin in einen Rasierapparat verwandelt ("Wie schön, mein Föhn!"). Ein Überfall von Robin Hood scheitert daran, dass der Rächer der Enterbten über seinen eigenen Slogan stolpert ("Der Rechner der Vererbten ... nee, Moment ... der Riecher der Verderbten ... na, wie denn gleich …").
In einem seiner bekanntesten Sketche übersetzt er in einem Englischkurs die Sätze, wonach sie klingen: "I am hungry" wird zu "Ich bin Ungar", "here is a letter for you" bedeutet "Hier ist eine Leiter für euch".
Auf der Bühne sehr beliebt war auch sein Medley, in dem er mit der Hänsel-und-Gretel-Story diverse Hits der Neuen Deutschen Welle parodierte ("Entschuldigen Sie, ist das der Zug zum Knusperhäuschen?").
Ein Siegeszug zu Rekordquoten
Ottos Aufstieg in den Siebzigern war so gigantisch, dass es bald so schien, als hätte Deutschland nur den einen Komiker – nur Dieter Hallervorden und der intellektuellere Loriot konnten mit Ottos Beliebtheit mithalten.
Seine dritte TV-Show erreichte 1975 eine unglaubliche Einschaltquote von 44 Prozent, nebenbei sammelte er Platin- und Goldauszeichnungen für seine Bestselleralben.
In den Achtzigern setzte Otto seinen Siegeszug mit anderen Medien fort: Er veröffentlichte 1980 sein erstes Buch, eine Ansammlung von Sketchen, Witzen und Zeichnungen, die alleine im ersten Jahr über 200.000 Exemplare verkaufte.
1982 wurde er die Stimme von Ronny, dem Affen, der bis 1988 als "Moderator" der Musikvideo-Sendung "Ronny's Pop Show" fungierte.
Nach seinem letzten TV-Special 1983 wagte Otto den Sprung auf die Kinoleinwand – und legte mit "Otto – Der Film", bei dem er auch als Co-Autor und Co-Regisseur mitwirkte, den erfolgreichsten deutschen Kinofilm aller Zeiten hin. Mit mehr als 14 Millionen Zuschauern (DDR-Kinobesucher mitgezählt) hält er den Rekord noch heute, vor "Der Schuh des Manitu" mit "nur" rund 12 Millionen.
Ende der Achtziger zeigten sich aber deutliche Ermüdungserscheinungen. Sein dritter Film "Otto – Der Außerfriesische" war erfolgreich, aber viele Witze waren nur noch aufgewärmt.
Der Abwärtstrend setzte sich fort mit dem müden "Otto – Der Liebesfilm" und dem enttäuschenden "Otto – Der Katastrofenfilm" – einer aufwendig inszenierten "Titanic"-Parodie, in der Ottos Humor völlig untergeht.
Das nachhaltige Comeback
Und doch bewies der friesische Spaßvogel Langlebigkeit. Schon 1993 startete er die Zeichentrickserie "Ottifanten", basierend auf den Cartoon-Elefanten, die schon seine frühen Platten geziert hatten.
2001 folgte ein entsprechender Trickfilm, "Kommando Störtebeker", die Figur entwickelte sich mit Comics, Videospiel und Stofftieren zum eigenständigen Marketingerfolg.
2004 schaffte Otto auch ein Kino-Comeback – zusammen mit vielen Komikern der jüngeren Generation, die er in den Film "7 Zwerge" holte. Der war erfolgreich genug, dass eine Fortsetzung und ein Animationsfilm folgten.
Ein anderer Animationsfilm sorgt dafür, dass Otto nach wie vor einem jüngeren Publikum vertraut ist: In der Trickfilmreihe "Ice Age" ist er seit 2002 als deutscher Synchronsprecher des Faultiers Sid zu hören. Auch in dem Disney-Film "Mulan" und dessen Fortsetzung kam seine charakteristische Stimme zum Einsatz.
Eine vertraute Marke
Wenn Otto Waalkes dieser Tage mit seinem Comedy-Programm auftritt, lebt das vor allem vom Gefühl der Vertrautheit. "Hänsel und Gretel" sind immer noch Teil der Show, immerhin mit einigen neuen Song-Parodien. Andere Witze und Sketche bleiben unverändert im Programm.
Seine Fans wollen es so: So, wie er schon in den Siebzigern ein generationsübergreifendes Publikum ansprach, sitzen auch heute Jung und Alt beieinander, um mitanzusehen, wie Otto mit unverändert manischer Energie die Witze im Maschinengewehrtempo abfeuert.
Immerhin hält er sich mit zahlreichen weiteren Projekten beschäftigt. Seit 1992 tritt er mit seiner Rockband "Otto & die Friesenjungs" auf – vor Kurzem erst beim "Nova Rock"-Festival. Außerdem hat er dieses Jahr eine Autobiographie veröffentlicht, "Kleinhirn an alle".
Otto hat eine eigene Marke der Komik geschaffen – und hat deswegen auch keinen Grund, sich irgendwie zu erneuern. Alles Gute!
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