24-Stunden-Grippe statt Corona: In der jüngsten "Traumschiff"-Ausgabe vom Ostersonntag fängt sich ein Schlager-Duo einen Schnupfen ein. Das ist aber auch schon das Schlimmste, was passiert. In Zeiten wie diesen ist das irgendwie beruhigend.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der eingetrocknete Kaffeefleck an der Wand, den man schon gar nicht mehr registriert. Die Delle in der Autotür, über die man sich schon längst nicht mehr ärgert. Oder auch die hübschen Sonnenblumen in der Einfahrt, die man beim Nachhausekommen gar nicht mehr registriert. Es gibt Dinge, an die gewöhnt man sich irgendwann. "Das guckt sich weg", wie man sagt.

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Beim "Traumschiff" ist das ein bisschen ähnlich. Was war das für ein Aufruhr, als bekannt wurde, dass Schlagermoderator Florian Silbereisen die Brücke beim ZDF-Dino übernehmen würde. Nach inzwischen zwei Folgen kann man festhalten, dass Silbereisen weder besonders geglänzt noch wirklich was kaputt gemacht hat. Er hat's einfach gemacht.

Wenn Silbereisen den Zuschauer nun in Ausgabe Nummer drei vom Bildschirm aus anlächelt, dann hält sich die Überraschung in Grenzen. Das mag natürlich auch damit zusammenhängen, dass Silbereisen ohnehin recht häufig vom Bildschirm lächelt. Neben seinem Schlagerjob verschlug es ihn vor kurzem sogar zu "Deutschland sucht den Superstar", wo er Xavier Naidoo in der Jury ersetzte.

Rosi, i hol' di mit mei'm "Traumschiff" ab

Nun also sticht Florian Silbereisen zum dritten Mal in See und wie für den Zuschauer ist Silbereisen, beziehungsweise Max Parger, auch für die Crew nach ein paar Startschwierigkeiten "ihr" "Traumschiff"-Kapitän. Diesmal führt ihn das Drehbuch nach Marokko und natürlich gibt es während der Fahrt wieder große und kleine Probleme.

Eine Kunstexpertin begleitet eine Kunstsammlung nach Marrakesch. An Bord wecken die wertvollen Bilder das Interesse des Kunstfälschers Pit Manshold. Als der eines der Bilder gegen eine Fälschung tauscht, tauscht die Crew Uniform und Fernrohr gegen Sherlock'schen Deerstalker-Hut und Pfeife und nimmt die Ermittlungen auf.

Ganz andere Probleme hat Pianist Rolf Maraun. Der trifft an Bord auf seine ehemalige Partnerin Rosi Hager, die mit ihm ihr gemeinsames 1970er-Jahre-Schlager-Duo Rosi und Rolf wiederbeleben will, woran der aber kein Interesse hat: "Kapier's doch endlich: Rosi und Rolf sind tot!" Als die beiden sich an Land eine 24-Stunden-Grippe einfangen, kommt ihr Geheimnis ans Tageslicht.

Für alle, die es gerne königlich mögen, hat Autorin Barbara Engelke noch eine Prinzessin ins Buch geschrieben. Lilani, die Tochter eines "afrikanischen Stammesfürsten", reist inkognito und verliebt sich an Bord in den Fitnesstrainer Lennart. Doch auch der aufdringliche Bordfotograf mit Rassismus-Hintergrund findet Gefallen an der Prinzessin und belästigt die beiden.

"Das Traumschiff": Heile Welt in kranken Zeiten

"Schuhe, Taschen, Seidenschals", kalauert Staff-Kapitän Martin Grimm (Daniel Morgenroth) noch vorurteilsbeladen über Marokko, doch zum Glück erspart das ZDF sich und dem Zuschauer allzu viele Klischees. Natürlich gibt es auch hier die üblichen Bilder von marokkanischen Märkten und Kamelen, aber eben auch von grünen Hinterhöfen und Snowboardfahrten auf Sanddünen. Alles, was der "Traumschiff"-Zuschauer erwartet, aber nicht allzu 1980er.

Doch auch und gerade in seichten Gewässern kann man ertrinken. Dass die Geschichten beim "Traumschiff" immer ein bisschen drüber sind, gehört zur ZDF-Reihe dazu wie das Käpitänsdinner. In der Marokko-Ausgabe wird der Zuschauer aber von allzu großen Spinnereien verschont. Ein Schlager-Duo, ein Kunstfälscher und eine Prinzessin – das ist ja schon fast realistisch.

Außerdem: Wann, wenn nicht jetzt, in Zeiten von Ausgangssperren und Todesschlagzeilen, darf man sich ein bisschen in die berühmte heile Welt flüchten und sei es dort noch so banal. Es ist ein kleiner Blick in eine verlorene Vergangenheit, als Kreuzfahrtschiffe noch das Synonym für Umweltzerstörer und nicht für schwimmende Quarantäne-Festungen waren und Probleme nicht von Virologen gelöst wurden, sondern von einem "Traumschiff"-Arzt – und einem Nickerchen.

Endlich wieder Profis an Bord des "Traumschiffs"

Weiterer Pluspunkt: Diesmal durften wieder die Profis ran. Jutta Speidel spielt Schlagersängerin Rosi, Wolfgang Fierek ihren ehemaligen Partner Rolf. Dazu kommen noch Anja Antonowicz als Kunstexpertin Clara Philipp, Michaela Saba als Prinzessin Lilani oder Tommy Schlesser als Lennart Albers.

Das sah in den ersten beiden Silbereisen-Folgen noch ganz anders aus. Da ging es den Machern offenbar vor allem darum, das "Traumschiff" mit weiteren Quereinsteigern aufzupeppen: Moderator Joko Winterscheidt, Sängerin Sarah Lombardi und Ex-Torwächter Roman Weidenfeller durften sich als Gast-Darsteller ausprobieren. Das ist zwar beim "Traumschiff" nicht unüblich, richtig nach vorne gebracht hat es die Folgen aber auch nicht.

Und Silbereisen? "Was hat der, was ich nicht habe?", fragt Staff-Kapitän Grimm, als ihm Kollegin Liebhold von ihrem Snowboard-Ausflug mit Parger erzählt. Nach Auftritt Nummer drei wissen wir: eine immer noch zu inbrünstige Stimme, die selbst Bord-Ansagen nach einer Samstagabendshow-Moderation klingen lässt.

Ansonsten macht Silbereisen, wie schon in den Ausgaben davor, nicht allzu viel falsch. Zumindest so wenig, dass man sich inzwischen an ihn gewöhnt hat.

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