Florian Silbereisen präsentierte Samstagabend die große "Sternennacht-Show" von Andrea Berg. Eine gute Gelegenheit für alle, die einmal die Faszination Schlager ergründen wollen. Ein höchst subjektives Minutenprotokoll einer Schlager-Spurensuche.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ich begebe mich also erneut auf die Suche nach der Faszination von Schlagermusik. Untätigkeit kann man mir keine vorwerfen: Ich habe Florian Silbereisen und seine Besten begleitet, habe mir die "Stadlshow" aka "Musikantenstadl" angesehen und Helene Fischer beim Weihnachtsliedersingen zugehört.

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Die Faszination des Schlagers konnte ich aber bisher nicht finden. Vielleicht hilft mir ja Andrea Berg. Die lud zur großen "Sternennacht-Show" in den Rems-Murr-Kreis nach Aspach.

35.000 Zuschauer sollen dort gewesen sein. 35.000 und ein Florian Silbereisen, um genau zu sein. Denn der moderiert nicht nur die Show fürs Erste, er gibt auch den Backstage-Reporter und singt selbst. Einfach ein Teufelskerl, dieser Silbereisen.

20:15 Uhr: "Juhuuu!" Silbereisen, schreit die Fernsehzuschauer zur Begrüßung an. Nicht, weil die schwerhörig sind, sondern, weil er in einem Hubschrauber sitzt. Frage mich, warum er das macht, wenn er doch dann so schreien muss. Silbereisen kreist über das Stadion und brüllt, dass auch Fans aus den USA und Australien da sein sollen. Und die Höhner.

20:16 Uhr: Andrea Berg steht vor ihrem mutmaßlichen Zuhause in Aspach. Das ist natürlich clever von ihr, die Show in den eigenen Wohnort zu legen: kein Reisestress, kein Jetlag, kurzer Fußweg. Trotzdem fliegt Berg mit dem Heli zum Stadion. Muss so ein Schlager-Ding sein, dieses Heli-Gefliege.

20:18 Uhr: Silbereisen betritt die Bühne und fragt das Publikum: "Habt ihr Lust auf Schlager? Und Hits zum Mitsingen?" Die Fans scheinen diese Frage stumm zu bejahen. Jedenfalls bleiben die meisten.

20:19 Uhr: Andrea Berg steht auf einer riesigen Drachenkulisse und singt "Drachenreiter". Berg fordert die Zuschauer auf, Drachenreiter zu sein. Mir ist nicht klar, was sie damit meint. Das Publikum verhält sich auch unauffällig.

20:23 Uhr: Hinter der Bühne trifft Florian Silbereisen auf die Mutter von Andrea Berg. Mama Berg hält eine Platte Gebratenes in die Kamera. Ihre Tochter zeigt sich auf der Bühne derweil von ihrem letzten Tod gut erholt und singt "Ich sterbe nicht nochmal."

20:46 Uhr: Andrea Berg geht mit Kindern in Drachenkostümen auf die Bühne und singt "Wunderland". Warum die Kinder in Drachenkostümen da sind, wird nicht gesagt. Aber Kinder und Tiere gehen bekanntlich immer.

20:51 Uhr: Berg verrät den Kindern, dass ihr Bühnendrache "Spinnst du?" heißt. Das sei nämlich immer die Reaktion der Leute, wenn sie von ihrem Drachen erzähle. Aha. Dann wünscht sie den Kindern schöne Träume und singt ihnen "Weißt du wie viel Sternlein stehen?" vor. Vielleicht könnten die Kinder besser schlafen, wenn sie nicht mit Andrea Berg auf einer Showbühne stehen, sondern in ihren Betten liegen würden.

20:54 Uhr: Die Kinder müssen aber erst einmal bleiben und sich Andrea Bergs "Tango Amore" anhören. Ich weiß nicht, wie es den Kindern geht, aber ich kann keinen Unterschied zwischen all den Liedern erkennen.

21:16 Uhr: Mir fällt auf, dass Berg immer wieder Zeige- und Mittelfinger abspreizt. Offenbar ein geheimes Zeichen für die Fans. Werde an der Sache dranbleiben. Aber nicht heute. Wahrscheinlich sogar gar nicht.

21:36 Uhr: "Warum lass' ich diesen Abend hier geschehen?", fragt Andrea Berg, und besser hätte ich die Frage nicht formulieren können. Berg sagt, dass sie manchmal Heimweh nach dem Rheinland hat. Ob sie das wirklich so meint, weiß ich nicht, denn es klingt irgendwie nur wie eine Überleitung, um die Höhner anzukündigen. Die machen die Drohung Bergs wahr und kommen auf die Bühne.

21:52 Uhr: Die Höhner sind wieder weg. Frau Berg möchte von jemandem festgehalten werden, um den Horizont zu berühren. Der Haltende soll ihr obendrein noch einen Stern schenken.

22:18 Uhr: Habe jedes Zeitgefühl verloren. Irgendwie kommt mir alles gleich vor: die Texte, die Melodien, die kleinen Geschichten, die einstudierten Gesten. Frage mich, ob ich in einem Dauer-Déjà-vu gefangen bin. Ich mache ein Foto von mir mit der aktuellen Zeitung. Sicher ist sicher.

22:35 Uhr: "Unglaublich schön, diese - meine - Sternennacht mit euch. Aber was wäre eine Sternennacht ohne ihn: DJ Ötzi", ruft Andrea Berg. Das denkt sich bestimmt jeder, der einmal einsam in den Sternenhimmel sieht: Mensch, wenn doch nur DJ Ötzi hier wäre! Herr Ötzi kommt und singt seinen Klassiker "Ein Stern" und alle grölen mit. Wie wenn man einer Katze ein Wollknäuel hinwirft. Sie wird damit spielen.

22:37 Uhr: Irgendjemand hat Andrea Berg offenbar tausendmal betrogen, wie sie singt. Tausendmal! Unglaublich. Wie soll das gehen? Ich bin kurz geneigt, die Seriosität von Bergs Aussage in Zweifel zu ziehen, da höre ich, dass es wohl belogen heißt und nicht betrogen. Das ist natürlich machbar.

22:40 Uhr: Berg hängt an einem Kran und schwebt über ihren Fans. Ein Schlussfeuerwerk und weg. Puuuh.

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