In einer neuen Runde seiner Reality-TV-Doku begleitet VOX Menschen, die ihren Traum leben. Da ist die Krise programmiert. Das muss auch Lotto-Millionär "Chico" erfahren.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Neues Leben, neues Glück", das ist so ein Spruch, der vielen Menschen nach den harten Corona-Jahren durch den Kopf gegangen sein dürfte. Gezwungenermaßen zurückgeworfen auf sich selbst, stellten sich viele diese Frage: Ist das der Beruf, den ich den Rest meines Lebens machen möchte? Macht diese Person, mit der ich mein Leben teile, mich glücklich?

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VOX hat um diese Fragen herum eine TV-Show konzipiert. Die Kamera begleitet drei Menschen auf ihrem Weg in den Neuanfang. Dummerweise ist das aber Fernsehen, Schublade Reality-TV, weshalb der Titel eigentlich lauten müsste: "Neues Leben, neues Unglück". Das Prinzip ist bekannt aus den Auswanderer-Dokus des Senders: Kamera draufhalten, innerlich mit der Hand gegen die Stirn klatschen, die Menschen in ihr Verderben laufen lassen und dabei das Bild nicht verwackeln.

Die passenden Protagonisten dafür hat der Sender gefunden. Wie gewohnt sind es zwei Normalos und ein zweifelhaft Prominenter, der ein wenig für Medienaufmerksamkeit, sprich Quote, sorgen soll. Es ist der ehemalige Kranführer Kürsat Yildirim aus Dortmund, genannt "Chico". Er gewann im September 2022 ganze 9,9 Millionen Euro im Lotto.

Seitdem hält er sich hartnäckig mit seinem verschwenderischen Lebensstil in den Boulevard-Medien. Von seinem Gewinn kaufte er sich, Achtung, hier eine unvollständige Auflistung überflüssiger Dinge: zwei Ferraris, einen Porsche, Schmuck, Sonnenbrillen, Handtaschen, Designerklamotten und 76 Daunenjacken. Wert, grob geschätzt: 2,2 Millionen Euro.

"Vor zwei Jahren war ich im Knast. Und jetzt bekannteste Mensch!"

Dabei ist Yildirim eigentlich ein warmherziger Typ, der von ganz unten kommt, wie er in "Neues Leben, neues Glück" zeigt. In einem Dortmunder Problembezirk aufgewachsen, beginnt mit 20 Jahren seine Drogenkarriere. Er spielt, beklaut seinen Bruder und ist so kaputt, dass er sich umbringen wollte. Irgendwann landet er in der JVA Dortmund - seine Familie wusste nicht mehr weiter und hat ihn angezeigt.

Nach seinem Aufenthalt im Gefängnis gewinnt er im Lotto und ist auf einmal Multimillionär. Ihm ist klar: Wenn ein Junkie so viel Geld hat, kann das nicht gut gehen. Anstatt in eine Therapie zu gehen, sucht er die Öffentlichkeit. Oder wie er es sagen würde: "Vor zwei Jahren war ich im Knast. Und jetzt bekannteste Mensch!"

Dass dieser Drang "stattzufinden" die größte Motivation von Yildirim ist, zeigt sich in der ersten Folge von "Neues Leben, neues Glück" immer wieder. Er posiert in einem Hip-Hop-Video mit Krokodil und Sportwagen, tritt im türkischen Fernsehen auf oder lässt sich auf der Straße interviewen. Dass er nur dann interessant bleibt, wenn er diesen schillernden Lebensstil weiterführt, scheint ihm nicht klar zu sein.

Am Ende kauft er sogar ungesehen eine Mandelplantage in der Türkei. Seine Familie hat sich darum gekümmert, dann sei das "okay", sagt er. Ahnung von Mandeln haben die nicht. Später steht er ratlos vor seinem ziemlich trocken aussehenden Stück Land. Bäume sind keine zu sehen, die wurden gerade erst gepflanzt.

Durchschnittlich begabte Sänger im mittleren Alter

Im Vergleich zu seinen Mitstreitern auf dem Weg in ein neues Leben geht es Chico und seinen 76 Daunenjacken ziemlich gut. Karl Frenzel und René Rumberger sind das, was RTL Dieter Bohlen am liebsten in den ersten Runden von "Deutschland sucht den Superstar" vor das Lästermaul wirft. Zwei durchschnittlich begabte Sänger, die im mittleren Alter in der Schlager-Branche durchstarten wollen.

Karl Frenzel, 51, singt bisher nur für Frau und Hund. Eigentlich erfolgreicher Arzt, wollte er immer Musiker werden. Es folgen die Floskeln aller Castingshows. Menschen wolle er mit seinen Songs "erreichen" und "berühren". Seine Patienten finden die Idee nicht so toll und auch seine Frau Corinna gibt zu, dass nicht alles "geschmacklich ihren Nerv" trifft. Karl Frenzel kann das nicht abhalten. Sein Ziel ist es, einmal mit Andrea Berg zu singen.

"Wetten, dass..?": Ein letztes Mal mit Thomas Gottschalk

Die Kultsendung "Wetten, dass..?" kehrt für eine dritte Revival-Folge zurück auf die Bildschirme. Erwartet werden Weltstars, doch die Bühne dürfte Thomas Gottschalk gehören. Es ist sein Abschied.

Die Optik zumindest stimmt: Frenzel könnte locker Sascha Hehns Rolle in "Die Schwarzwaldklinik" übernehmen. 60.000 Euro hat er bisher in seine Musikerkarriere gesteckt. Eine begnadete Stimme ist dummerweise nicht käuflich. Was nicht heißt, dass sich niemand findet, der ihm das Geld abnimmt.

Der Produzent seines Songs für Andrea Berg sagt in die Kamera das, was jeder denkt: Midlife-Crisis, fortgeschrittenes Alter, ein veritabler Beruf, Familie, alles Dinge, die gegen eine Musikerkarriere sprechen, erklärt ihm nach der Aufnahme aber: "Das war wirklich sehr schön gesungen." Auch Produzenten müssen ihre Rechnungen bezahlen.

Zumindest das erste Konzert von Frenzel ist ein Erfolg. Die Halle ist voll mit Bekannten, die Stimme ist noch immer speziell. Und während Frau Corinna auf ihren Mann wartet, schwelgt der im Schlagerruhm und signiert T-Shirts von Frauen. VOX unterlegt das mit spannungsgeladener Musik. Mehr Ehekrach in der nächsten Folge.

Schon beim Karrierestart verrissen

Noch dramatischer wird es mit René Rumberger, der schon bei Aufzeichnung der Folge von "Neues Leben, neues Glück" die erste "Bild"-Schlagzeile erdulden muss: "Sachsens traurigster Entertainer", "Sieben Jobs, Null Erfolg!" Rumberger ist der zweite Schlagersänger in der VOX-Doku. Seit einem Zeckenbiss leidet er an Lähmungserscheinungen in den Beinen und ist auf Prothesen angewiesen.

Im Gegensatz zu seinem Arzt-Kollegen will er nicht in Stadien, er will davon leben können. Sein Plan: eine Schlagercovershow für Senioren. Er rechnet vor, er brauche pro Woche drei bis vier Auftritte mit 350 bis 400 Euro, nur um über die Runden zu kommen. Wer selbst einmal versucht hat, mit Musik Geld zu verdienen, weiß wie schwer das ist.

Und so folgt die Kamera René Rumberger, wie er bei seinem Konzert alles selbst erledigt. Gesangsanlage aufbauen, Eintrittskarten abkassieren, Popcorn machen, Wasser verkaufen, um sich dann umzuziehen und zu singen. Alles mit zwei Prothesen. Ein Knochenjob. Erfreulicherweise verkaufen sich die Tickets für das erste Konzert ganz gut – nur um davon leben zu können, müssen noch viel mehr Menschen kommen.

So ist die Abwärtsspirale für die kommenden Folgen schon programmiert. Lottomillionär Chico zieht es nach Afrika, er bleibt dort in der Savanne stecken; der singende Allgemeinarzt, den Andrea Berg hat abblitzen lassen, stalkt jetzt Chris de Burgh; und René Rumberger verschwendet sein restliches Geld für eine Studioaufnahme eines eigenen Songs. Die Kamera stets dabei, neutral beobachtend. Es ist ja nur Fernsehen. Für die drei auf dem Bildschirm ist es dummerweise ihr Leben.

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