Wie sehr wünscht man Thomas Gottschalk endlich wieder eine Show, bei der er seine Stärken ausspielen darf. Bei der gestrigen Kinder-Talentshow "Little Big Stars" wäre eigentlich alles bereit dafür gewesen. Dass es am Ende wieder nichts wurde, lag aber nicht an den Kindern, auch nicht am Konzept und schon gar nicht an Thomas Gottschalk. Das Problem der Show sitzt im Schneide-Raum.

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Gottschalk ist zurück. Diesen Satz hat man schon ein paar Mal gehört, seit der Showmaster bei "Wetten, dass..?" abgetreten ist. Aber so richtig Freude kam bei seiner Rückkehr selten auf und ebenso selten lag das an Gottschalk selbst. Bei seiner "Gottschalk Live"-Sendung im Ersten gab es kein richtiges Konzept, RTLs vierstündiges "Mensch Gottschalk" war unterhaltsam, aber viel zu lang und über sein Engagement beim "Supertalent" breiten wir einfach den Mantel des Schweigens.

So richtig gut funktioniert Thomas Gottschalk momentan eigentlich nur, wenn er sich mit seinem alten Freund Günther Jauch bei "Die 2" die Bälle zuwerfen kann. Nun aber wagt Sat.1 mit "Little Big Stars" einen neuen Versuch. Das Original stammt aus den USA und heißt dort "Little Big Shots". Ausgedacht haben sich die Talentshow die beiden Show-Größen Ellen DeGeneres und Steve Harvey.

"Little Big Stars": Endlich mal kein Wettbewerb

Das Konzept läuft bereits in mehreren Ländern und seit gestern Abend eben auch in Deutschland. Die Idee ist mehr als simpel: Eine Talentshow für Kinder ohne das ganze Wettbewerbsgedöns. Dazu ein bisschen Sofa-Geplauder mit dem Moderator und das war's. Oder, wie Gottschalk es formuliert: "Keine Jury, kein Wettbewerb, nur Gewinner, glückliche Kinder."

Das klingt doch erst einmal nach einem sympathischen Konzept und einer kleinen Verschnaufpause vom ewigen "schneller, höher, weiter". Talentshows, die mit Fantasie-Kriterien Sachen vergleichen, die eigentlich gar nicht vergleichbar sind, gibt es zudem mehr als genug. Vor allem aber klingt es nach einem Konzept, das zu Gottschalk passt. Hier kann er das machen, was er nun mal am besten kann: improvisieren und menscheln.

Und Gottschalk sieht das ganz genau so: "Es kam mir sehr entgegen, dass man sich auf eine Show mit Kindern eigentlich gar nicht vorbereiten kann. Ich wusste wie sie heißen und was ihr besonderes Talent ist. Ab dann war’s Blindflug – endlich mal wieder!", erklärt er bei Sat.1.

Aufs Gröbste verunstaltet

Dass Sat.1 aber aus so einem spannenden Blindflug einen kontrollierten Absturz machen wird, zeigt sich dann aber relativ schnell. Eigentlich hat der Sender ja alles beisammen: einen Top-Showmaster, der dann am besten ist, wenn er improvisieren muss, Kinder, die ihn genau dazu zwingen und ein unaufgeregtes Show-Konzept, bei dem Kinder ihre Talente ganz zwanglos zeigen.

Sat.1 ist die eigene Courage aber dann doch nicht geheuer, weshalb man sich wohl auch gegen eine Live-Show entschieden hat. Dass kann natürlich funktionieren, aber das, was da gestern zu sehen war, war derart grobschlächtig zusammengeschnitten, dass man sich fast schon die Fremdschäm-Momente aus "Wetten, dass..?" zurück gewünscht hat. Die waren zwar peinlich, aber wenigstens authentisch.

Stattdessen entschied man sich für die stets gleichen Schnittsequenzen: Gottschalk-Kind-Kalauer-lachendes Publikum und wieder von vorne. So richtig zusammen passte dabei aber selten etwas: Lacher an der falschen Stelle, Anschlussfehler und ins leere laufende Moderationen – es war bisweilen wirklich stümperhaft.

Natürlich ist eine Show nur mit Kindern ein Wagnis, weil die sich nicht um Timing, Ablauf und Publikum scheren. Aber eine durch einen solch groben Zusammenschnitt entstellte Show ist eben auch keine Alternative.

Lasst Gottschalk doch einfach mal machen!

Dementsprechend waren die Momente am besten, bei denen es einfach lief und Gottschalk Gottschalk sein konnte. Da ist er charmant und witzig und vor allem immer auf Augenhöhe mit den Kindern. So wie bei der kleinen brasilianischen Schlagzeugerin, die auf eine Frage von Gottschalk endlos drauflos plaudert und Showmaster wie Dolmetscher neben sich sitzen lässt.

Ansonsten läuft "Little Big Stars" nach Schema F ab: ein Kind kommt rein, quatscht ein wenig mit Gottschalk und zeigt dann, was es kann. Ringen, Kunstrad fahren, Seifenblasen machen. Gottschalk guckt sich das mit großväterlichem Gestus an und wird so interaktiv wie es für den 66-Jährigen eben geht. Hier mal zwei Liegestütze, dort mal mit Pompons gewedelt, mehr muss nicht sein. Der Spannungsgrad bewegt sich dabei irgendwo zwischen Kerze auspusten und Hände waschen, aber mehr braucht eine sonntägliche Familienshow auch nicht.

Das Ganze ist dann am Ende wie eine endlose Kinderwette aus "Wetten, dass..?"-Zeiten – nur eben leider nicht live. So ist "Little Big Stars" eine nette, aber handwerklich wirklich schlechte Unterhaltungsshow und ein erneutes Versäumnis, die vielen Stärken eines Thomas Gottschalk zur Geltung zu bringen. Umso bedauerlicher, denn so viele Versuche wird Gottschalk sicher nicht mehr mitmachen.



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