Tag neun bei "Promi Big Brother" ist der erste Tag nach dem großen Aderlass. Spielerexfrau Verena Kerth und Witwenschüttlerin Bea Peters haben die Rote Karte des Publikums erhalten und den Container bereits verlassen. Gleichzeitig bricht in der D-Promi-Enklave mit eingeschränktem Aktionsradius offenbar die Reinheitssituation zusammen.

Eine Kolumne
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Leyla Lahouar beschreibt das Sauberkeitslevel in der 12er-WG jedenfalls wie folgt: "Die Hygiene ist hier komplett ekelig!" Ob da ein Kausalzusammenhang zu Bea und Verena besteht, scheint allerdings unwahrscheinlich. Als putzbesessene Reinlichkeitsfanatikerinnen sind beide eher nicht bekannt. Und während Fäkalprinzessinnen wie Elena Miras oder Cecilia Asoro den Container weiterhin flächendeckend mit fragwürdigem Zotenvokabular überziehen dürfen, bleiben Dusche und WC schmuddeliger als der Humor von Oliver Pocher.

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Trash-TV-Legende Elena Miras gelingt mit dem Erfahrungsschatz aus 427 Reality-Format-Teilnahmen sogar die kongeniale Mischung aus Schlüpfrigkeit und Sauberkeitskritik: "Wir haben hier echt ein Hygieneproblem, wir können uns den Intimbereich nicht waschen." Nachdem Leyla und Cecilia gestern bereits ausführlich über Menstruationsschwamm-Havarien in ihren "Monikas" (Trash-TV-Synonym für primäres, weibliches Geschlechtsorgan) berichtet hatten, scheint sich in der zweiten Woche im Container der Anzüglichkeiten der Skandalbereich unter der Gürtellinie zum Zielkorridor für Themenschwerpunkte zu entwickeln. Sex sells, auch wenn die bisherigen Serviervorschläge für den Genital-Auflauf nicht unbedingt als sexy oder erotisch gewertet werden können.

Big-Brother-Staatsanwalt fällt ein ziemlich drakonisches Urteil

Um direkt mit sehr guter Laune in den neunten Tag zu starten, serviert Sat.1 der Bewohner-Brigade zum Frühstück erstmal eine Video-Collage der bislang identifizierten Verstöße gegen die Hausregeln. Unmittelbar als Entree in den Tag mit den eigenen Verfehlungen der ersten PBB-Woche konfrontiert zu werden, lockert die Stimmung im Wohnbereich noch weniger als ein Anruf vom Insolvenzgericht die Stimmung bei Boris Becker. Die angeprangerten Vergehen sind nicht zwangsläufig in der Kategorie Kapitalverbrechen abzulegen, in ihrer Häufigkeit aber dennoch strafrelevant. Hauptsächlich geht es um den Strafbestand "tagsüber schlafen" und "Mikrofon nicht am Mann".

Der Big-Brother-Staatsanwalt ist heute jedoch gnadenlos und fällt ein ziemlich drakonisches Urteil: Zehn der zwölf Matratzen aus dem Schlafsaal müssen sofort abgegeben werden. Zwei Matratzen bleiben. Ein besonders perfides Manöver von Sat.1-Richter Gnadenlos. Zwei von zwölf Kandidaten dürfen ihre Matratze behalten. Wer das ist, muss in einer internen Containersitzung ausverhandelt werden. Letztendlich darf Elena ihr vollständiges Bett behalten, weil sie offenbar aufgrund ihrer Rücken-Situation ein Attest vom Hausarzt vorweisen kann. Das kommt nicht bei allen Mitinsassen gut an. Das zweite Komplettbett wird Jochen Horst zugewiesen, der als Dorfältester automatisierte Sonderrechte genießt.

Vor lauter Freude über ihren per Krankenschein erhaltenen Schlafstatus fährt Elena umgehend ihre Krallen aus: "Matze hat sich komplett blamiert gestern!" Dabei geht es wohl immer noch um die Situation, als Matze Höhn um drei Uhr nachts in den letzten Zügen der PBB-Spontanparty seinen Unmut darüber geäußert hatte, dass Elena statt Sarah Wagner (die Elena umgekehrt vor dem Auszug bewahrt hatte) lieber Sinan sichern wollte - und Elena das durch die dünne Papptür zum Innenhof mithören könnte. Zur großen Aussprache, die Matze anberaumt, tritt Elena mit der Wut der Ertappten im Bauch an und verteidigt sich mit einem windelweichen: "Ich habe mit Sinan viel die bessere Bindung!" Verständlich. Beide lieben beispielsweise die korrekte Anwendung der deutschen Sprache.

Zur Ablenkung von dieser hochdramatischen Konfrontations-Situation auf erstklassigem Kindergarten-Niveau zeigt Sat.1 umgehend eine halbstündige Stillleben-Sequenz eines in voller Kleidungsmontur regungslos im Whirlpool vor sich hin vegetierenden Jochen Horst. Zuschauer, die in diesem Moment einschalten, werden einige Minuten lang davon überzeugt sein, dass es soeben die erste True-Crime-Situation bei "Promi Big Brother" in Form einer dubiosen Wasserleiche gibt, die plötzlich im Whirlpool aufgefunden wird.

Mimi Fiedler: "Der ist durchgedreht!"

Irgendwann erlöst der Bildregisseur der D-Promi-Festspiele die schockierten Zuschauer, bevor erste Panikanrufe bei der Kriminalpolizei Köln eingehen. Jochen lebt. Er liegt freiwillig in Embryonalstellung im Floatingstrom des Whirlpools und regt sich für eine halbe Stunde weniger als Max Kruse früher auf dem Spielfeld. Auch das Sprechen hat er nicht verlernt, auch wenn man sich das in Anbetracht seiner verwirrt-esoterischen Erklärungsversuche für seine Poolstarre womöglich wünschen würde: "Wenn das Wasser so in die Ohren geht und man weiß, man geht nicht unter!" Klingt ein bisschen wie ein verunglückter Songtext von Element of Crime, führt aber auch bei Mimi Fiedler zu verstörten Reaktionen: "Der ist durchgedreht!" Und auch Elena ist verwirrter als Lothar Matthäus beim Buchstabierwettbewerb: "Der spürt nichts mehr!"

Währenddessen appelliert Cecilia Asoro unter Tränen allein im Sprechzimmer an das Tränendrüsen-Gewissen der Zuschauer: "Für mich sehe ich mich als Loser!" Das hält sie aber nicht davon ab, auch am Nachmittag nochmal in ihrer Zoten-Trickkiste zu wühlen und ihr Lieblingsthema der Kopulationsanekdoten auszugraben: "Du brauchst dieses Kribbeln da unten, dass du eine Arschbombe auf ihn machen möchtest!"

Mike Heiter: "Die ist so süß, da kriegste Karies!"

Von dieser hocherotischen Stimmungslage angestachelt, sieht sich auch Triangel-Hasardeur Mike Heiter genötigt, eine Liebeserklärung an seine Leyla zu, naja, formulieren: "Sie hat allett datt watt ich mir von einer Frau verspreche, die ist so süß, da kriegste Karies!" Dass der offenbar parallel zu seiner Trash-TV-Karriere nebenbei als Zahnarzt arbeitende Mike und Zahnarztfrau Leyla keine Fake-Beziehung führen, wie in führenden Klatschblättern und Internet-Jauchegruben immer mal wieder spekuliert wird, kann auch Container-Bettnachbar Matze Höhn bestätigen: "Sobald es im Schlafberiech ruhig wird, hört man nur noch Schmatzgeräusche."

Noch schlimmere Schlaf-Manipulatoren als die Heiter/Lahouar-Lovebirds sind nur noch Cecilia, Elena, Sarah Wagner und Mimi, die bis nach vier Uhr nachts im Innenhof eine Art Spice-Girls-Performance abziehen und dabei diverse Ordnungsrufe von Alida Kurras und Sinan Movez ignorieren, die unglücklicherweise davon ausgegangen waren, man könne um vier Uhr nachts gelegentlich ein wenig Schlaf finden, ohne von einer Horde kreischender Hobbytänzer auf LSD latent wachgehalten zu werden.

Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort, sagt der Volksmund. Oder halt Alida. Die darf als Container-Chefin des neunten Tages zwei Duellantinnen auswählen, die in der Arena gegeneinander antreten werden. Die Gewinnerin ist geschützt, die Verliererin nominiert. Zur Strafe für die nächtliche Randale schickt Alida dann Cecilia und Sarah in die überlebenswichtige Challenge. Die "Playboy"-Absolventin Cecilia gewinnt und ist damit vor der Nominierung geschützt, Sarah steht auf der Exit-Liste.

Als dann die Rauswurfentscheidung ansteht, dürfen heute nur die Frauen entscheiden, wer nominiert wird. Sarah wählt Jochen, weil sie "gar keine Bindung haben!" Gut, sie sind auch keine paar Skier, aber andere Geschichte. Leyla nominiert ebenfalls Jochen. Elena nominiert Sinan, weil der ihr "in den Rücken gefallen ist und Lügen über mich verbreitet hat". Auch Mimi nominiert Sinan, weil er "der Jüngste von uns ist". Eine interessante Begründung. Morgen nominiert sie dann Mike, weil der den schönsten Haarschnitt hat. Alida nominiert ebenfalls Sinan, ihre Begründung ist aber zumindest etwas ausgereifter: "Er zeigt nicht den echten Sinan. Der echte Sinan macht nicht Content, sondern zeigt sich, wie er ist." Auch Cecilia wählt Sinan. Nominiert sind damit Sinan, Jochen und Sarah.

Pasta ohne Sauce und Pfannkuchen ohne Zucker

Um den Spannungsbogen bis zum Exit des Tages möglichst hochzuhalten (und um noch 23 weitere Reklameinseln unterzubringen, in denen man dann primär für offenbar Stützzuschauer benötigende Eigenformate wie "Das große Backen" und "The Taste" wirbt), schickt Big Brother anschließend Mike Heiter und Max Kruse in ein Budget-Spiel um den täglichen Späti-Einkauf. Mit einer überraschend souveränen Leistung erspringen sie 50 Euro, zeigen sich beim ausschweifenden Shopping-Trip dann aber unkonzentriert. Es gibt zwar allerlei Köstlichkeiten, die aufgrund von schmalen Geldreserven bislang nicht möglich waren, die wichtigsten Standard-Produkte fehlen allerdings. So gibt es als Hauptgang am Abend Pasta ohne Sauce und Pfannkuchen ohne Zucker. Egal, der Restkader ist ob der zwei prallgefüllten Einkaufskörbe dennoch in Champagnerlaune.

Dann aber heißt es zittern für das Nominierten-Trio Jochen, Sinan und Sarah. Das laut Big-Brother-Ansage scheinbar recht eindeutige Urteil der Zuschauer lautet: Sinan Movez muss gehen. Erneut scheint sich das ungeschriebene Gesetz zu bewahrheiten: TikTok konvertiert nicht lineares Fernsehen. Auch 1,5 Millionen TikTok-Follower garantieren keinesfalls den Verbleib in einem Format, bei dem letztendlich die TV-Zuschauer über Wohl und Wehe der Kandidaten entscheiden. Dieses Phänomen zeigt sich bei "Promi Big Brother" bereits zum wiederholten Male. Oder erinnern Sie sich noch an Payton Ramolla?

Aber auch Formate wie "Let's Dance" oder auch das Dschungelcamp haben schon recht eindeutig gezeigt, dass das gute, alte, verträumte Fernsehen doch noch etwas anders funktioniert als die chinesische Spaßapp TikTok. Sinan wirkt bei der Verkündung durchaus geschockt. Ob er sich von seiner Community mehr versprochen hätte, oder einfach traurig darüber ist, dass er die Herzen der Zuschauer, die ihn zuvor nicht kannten, nur in einem sehr überschaubaren Rahmen gewinnen konnte. Wer Sinan an Tag zehn folgen wird, verrate ich genau hier schon morgen. Bis dann!

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