Notgeiles Gelaber, Streitereien und Kindergeburtstags-Spiele: Willkommen bei "The 50", Amazons erster Reality-Show. Ein Trash-Format, das wirklich keine einzige eigene Idee hat.
Die Kamera fährt auf einen Mann, der auf einem Thron sitzt. Er ist ganz schwarz gekleidet und trägt eine dieser kubischen Masken, die seit dem Erfolg der koreanischen Serie "Squid Game" überall sind. Er sei "der Löwe" und brauche "Unterhaltung", erklärt er. "Das Hochwertigste, was unsere Kultur zu bieten hat" - Kunstpause für mehr Aufmerksamkeit: "Reality!"
Und dann folgt in schnellen Abfolgen, was die Zuschauer in den nächsten Wochen erwarten dürfen: nacktes Fleisch, notgeiles Gelaber, Streitereien und Kindergeburtstags-Party-Spiele. Willkommen bei "The 50", Prime Videos Versuch, in Deutschland ein eigenes Reality-Format zu lancieren.
"The 50" heißt eigentlich "Les Cinquante" und stammt aus Frankreich. Dort liefen bereits zwei Staffeln mit jeweils, Achtung, 51 und 63 Folgen. In Deutschland sind es glücklicherweise nur vierzehn: vier erscheinen am 11. März, jeden Montag kommen weitere Episoden dazu. Die Grundidee des Formats ist identisch: 50 Menschen, die im weitesten Sinn als prominent bezeichnet werden können, leben in einem Schloss und dezimieren diesen Cast durch Spiele und Nominierungen, bis am Ende einer gewinnt. Klingt irgendwie bekannt? Ist es auch. In "The 50" steckt keine einzige originäre Idee.
Eine Show ohne eine einzige eigene Idee
Amazon hat das getan, was alle Streaming-Anbieter rund um die Uhr machen: Die Sehgewohnheiten ihrer Nutzer analysieren. Und da auf Netflix schon seit einiger Zeit Reality-Formate erfolgreich sind, hat Prime Video jetzt auch eines, das genauso ist, wie alle anderen.
Ein mysteriöser Spielleiter mit elektronisch verfremdeter Stimme? Check! Dümmliche Kindergeburtstagsspiele, die nicht mal Sechsjährigen etwas abverlangen? Na klar! Pseudo-ironischer Grundton, nur leider sind die witzigen Autoren ans "Dschungelcamp" vergeben? Nach Aufmerksamkeit lechzende Prominenz-Anwärter, die wirklich alles für ein bisschen Kamerazeit machen? Doppelcheck! "The 50" ist "Promi Big Brother", "Sommerhaus der Stars", "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" und "Squid Game" in einer Show. Die einzige eigenständige Idee: Die 50.000 Euro Gewinn gehen nicht an den Promi, sondern an einen Follower der Stars.
Da ist es nicht verwunderlich, dass das menschliche Inventar genau aus diesen Formaten stammt:
Heulen, zoffen, nackt sein
Diese Reality-Vollprofis liefern sofort. Bereits beim Einzug ins Schloss in Frankreich zoffen sich die ersten. Giulia Siegel weint und weiß nicht mal, warum (Weil sie das immer tut?). Cosimo Citiolo ("Der Checker vom Neckar") springt nackt in den Pool. Da ist noch nicht mal die Hälfte der ersten der etwa 40-minütigen Folgen vorbei. Gute Unterhaltung also für alle, die genau diese Formate lieben, weil sie genau das bekommen, was sie erwarten?
Leider nein. Die größte Schwäche von "The 50" ist der riesige Cast. Reality-TV lebt davon, aus Drehmaterial Charaktere zu formen, Konflikte zu inszenieren, Handlungsbögen über mehrere Folgen aufzubauen. Das ist schwer, wenn alle Vollprofis sind, gestählt in vielen anderen leidvollen Formaten, und performen, performen, performen.
Zwar versucht "The 50" entgegenzuwirken, indem möglichst schnell möglichst viele Teilnehmer gehen müssen, aber da sind es immer noch 40. Noch 37. Und so weiter und so fort. Ständig springt die Kamera vom einen zum anderen, dann taucht wieder jemand auf, der noch gar nicht zu sehen war - das ist anstrengend und überfordert sogar Trash-TV-Profis. "The 50" ist eine Show, für die es eigentlich ein begleitendes Jahrbuch bräuchte. Gepaart mit den immer gleichen Bildern (dröges Herumliegen, Rauchen, Herumstehen bei der Nominierung) ist das oft anstrengend.
Ein postmoderner Reality-Trash
Gelingt es "The 50", eine übergreifende Handlung durch mehrere Folgen zu tragen, wirkt das in der Ausführung so gestellt, dass es selbst in einem solchen Format unglaubwürdig ist. So inszenieren Jenny Elvers und Reality-Casanova Yasin Mohamed schon früh in "The 50" eine Romanze. In den bereits verfügbaren Folgen leckt Mohamed sie am Hals, küsst sie. Da wundern sich selbst die anderen Teilnehmer. Der Boulevard-Presse war es egal, sie sorgte zum Start von "The 50" für die entsprechenden Schlagzeilen. Und "Bild" verkaufte gleich noch sein Online-Abo im Paket mit Prime Video dazu. So ein Zufall.
Das Fazit? "The 50" ist ein Fest für Trash-Fans, die noch nicht übersättigt sind vom riesigen Angebot in diesem Unterhaltungs-Segment. Hochwertig produziert, vollkommen einfallslos, mit null Wiedererkennungswert. Jedes Bild ließe sich in einer anderen Show finden, jeder Dialog wurde schon einmal woanders geführt. Eine Art postmoderner Reality-Trash. Aber dieses Prädikat wäre wirklich zu viel der Ehre.
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