Die Demokratie ist die Staatsform unserer Wahl, aber sie ist fragil und herausgefordert. In Deutschland muss sie bei der Bundestagswahl 2025 gewahrt bleiben. Eine besondere Rolle spielt die Digitalisierung, insbesondere Soziale Netzwerke und KI.
TikTok ist das zentrale Medium der Jugend und stammt aus China. Man streitet zwar über die Prozentzahl westlicher Investoren am Eigentümerkonzern Bytedance mit Sitz auf den Cayman Inseln. Es wird aber nicht nur in den USA befürchtet, dass Peking auf Nutzerdaten zugreift und Einfluss auf die angezeigten Inhalte nimmt.
In Rumänien hat die Einflussnahme auf die Demokratie per TikTok demokratierelevante Auswirkungen. Das dortige Verfassungsgericht annullierte im Dezember 2024 die Präsidentschaftswahl. Nach Informationen des Geheimdienstes hatten dort nämlich Tausende zuvor inaktive TikTok-Konten im Zuge eines "aggressiven hybriden russischen Angriffs" Propaganda für einen rechtsextremen Kandidaten gemacht. Die Ad-hoc-Annullierung der Wahl ihrerseits dürfte den Anforderungen des hiesigen komplexen Wahlprüfungsrechts kaum entsprechen.
Schutzmaßnahmen der EU
Die Demokratiegefährdung mit den Mitteln der Digitalisierung ist also in der Verfassungswirklichkeit der EU angekommen. In Brüssel hat die EU-Kommission noch im Dezember ein Verfahren gegen TikTok eingeleitet, um unter anderem zu prüfen, ob russische Einflussnahme auf der Plattform zu einer Verzerrung der Wahlergebnisse in Rumänien führte.
In Deutschland hat die Bundesnetzagentur 2024 ihre Aufgabe als Digital Services Coordinator (DSC) aufgenommen. Sie überwacht die Einhaltung der Vorgaben des Gesetzes über digitale Dienste (DSA), in dem es insbesondere um den Schutz vor Hasskriminalität in Sozialen Netzwerken geht.
Soll der Staat TikTok nutzen?
Die Lösung der Probleme scheint zu voraussetzungsvoll für unseren aktuellen rechtlichen Ansatz, denn sie haben viele Facetten. Etwa die Frage der Zulässigkeit des staatlichen Einsatzes von TikTok. Über den Dienst können chinesische Behörden möglicherweise auf Daten der Regierung zugreifen. 2024 gab es eine kontroverse Debatte darüber, ob es vom Auftrag zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung umfasst ist, dass die Aktentasche des Bundeskanzlers bei TikTok eine Karriere als "Politikinfluenzer" machen darf.
Das ist nicht nur vor dem Hintergrund der Sicherheit der Kanzlerdaten interessant. Es ist auch datenschutzrechtlich spannend, weil die Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesregierung führt, das ihr Amtsvorgänger angestoßen hat. Die Regierung klagt gegen das Verbot ihrer Facebook-Fanpage als zentrale Kommunikationsplattform.
Die BfDI erwartet von der nächsten Bundesregierung zumindest im selben Umfang Kommunikation auf datenschutzfreundlichen Diensten wie Mastodon, wie auf den werbefinanzierten Diensten von Meta und Co. Das klingt nicht nach einem Facebook-Verbot. Vielleicht nimmt sie es ja zurück und die Klage erledigt sich.
USA: Soll man TikTok verbieten?
Facebook stammt unstreitig aus den USA. Zurück zu TikTok. Wie löst man die Probleme mit dem chinesischen Dienst anderswo? In den USA muss der Oberste Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes entscheiden, wonach die App am 19. Januar vom Markt genommen werden muss, wenn der chinesische Eigentümer sein USA-Geschäft nicht bis dahin verkauft hat.
Einen Tag später wird Donald Trump Präsident. Ihm hat der Dienst Erfolge bei jungen Wählern beschert. Deshalb will er sich gegen das Verbot stark machen und dazu an das Gericht appellieren, das über das Verbot entscheiden wird. Aus der Perspektive der Demokratie ist eine solche Intervention gewöhnungsbedürftig.
Die Regierung in Albanien will TikTok ab 2025 für ein Jahr sperren, um die Jugend zu schützen. Damit dürfte sie bei jungen Menschen kaum punkten. 2025 finden in Albanien Parlamentswahlen statt. Die Opposition wirft der Regierung wegen des TikTok-Verbots umgekehrt Demokratiegefährdung und Machtmissbrauch vor.
Desinformation per KI
Soziale Netzwerke können auch bei der Bundestagswahl im Februar 2025 im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz (KI) zusätzliche Störkraft auf die Demokratie entfalten. Open AI, der Entwickler von ChatGPT, teilte im Frühjahr 2024 vor der Europawahl mit, fünf Desinformations-Kampagnen staatlich unterstützter Akteure gestoppt zu haben.
Die Bevölkerung ist also Fälschungen von Fotos, Videos und Tonaufnahmen per KI ausgeliefert. Sie sind oft satirisch gemeint und werden teilweise auch entsprechend gekennzeichnet. Es gibt aber auch ein gefälschtes Video von Kanzler Scholz, dessen "Urheber" sich unter Berufung auf die Kunstfreiheit gegen eine Kenntlichmachung wehrte, weil er darin eine Fälschung sah. Ein Gericht in Berlin untersagte das Video wegen einer Verletzung des Namensrechts des Kanzlers.
Was wählt KI?
Der Onlinemedienexperte Felix Beilharz berichtete 2024 zum Thema Demokratie und KI bei LinkedIn über einen selbst durchgeführten Versuch. Er hat die wichtigsten Sprachbots um ChatGPT und Co. mit den Fragen des Wahl-O-Mats gefüttert. Was hätten die Bots gewählt? Die Grünen lagen vorn und CDU/CSU und FDP durchgehend fast ganz hinten. Schlusslicht war bei allen Chatbots die AfD.
In der Demokratie wählt jeder, was er will. Wer aber auf KI-Positionen vertraut und diese als Wahlempfehlung übernimmt, hat der autonomen Technik auf Basis von Verzerrungen, die ausländische Datenpools hervorbringen, seinen Anteil an der Staatswillensbildung übertragen.
KI in der Schule: Gigantische Lernkurve
So gesehen birgt KI erhebliche Risiken für die Demokratie. Zudem passt bei deren Einsatz vieles nicht zusammen, wenn man die Zusammenhänge der Wirklichkeit in den Blick nimmt. Gerade in Bildungseinrichtungen als Keimzellen der Demokratie gilt es, neben den Möglichkeiten der Digitalisierung deren Risiken zu erklären.
So diskutiert die Bildungspolitik etwa auf der einen Seite Handy- und Social-Media-Verbote an Schulen. Zugleich führt sie autonome KI-Systeme in Schulen und Hochschulen ein. Handys und Soziale Netzwerke in der Schule zu verbieten, mag ein diskutabler Ansatz sein. Im selben Zug mit KI-Systemen viel mächtigere, kaum erforschte und autonome Digitaltechnik im Schulgebrauch zu etablieren, mag auch ein Konzept der Zukunft sein.
Man muss aber verstehen, worum es geht und was KI in der Bildung am Ende bedeuten kann. Die Lernkurve ist in der Politik sowie bei Lehrern und Schülern auch dann gigantisch, wenn man sie gar nicht erkennt. Nicht ohne Grund schreibt die KI-Verordnung Behörden eine Grundrechtefolgenabschätzung vor, bevor KI eingesetzt wird. Damit muss man sich als Staat befassen, damit man die Demokratie schützen kann.
Verwendete Quellen
- daraagenda.podigee.io: Datenrecht 2025: Koordinierter Zukunftsoptimismus
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.