Bei den Landtagswahlen waren die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht die großen Gewinner – auch bei den jungen Wählern. Die Grünen, die zuvor häufig bei Jüngeren punkten konnten, verloren hingegen stark an Zustimmung. Woran liegt das?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am vergangenen Sonntag stellen eine Zäsur in der Nachkriegsgeschichte dar. Denn zum ersten Mal konnte eine vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei den Wahlsieg in einem Bundesland für sich verbuchen.

Mehr aktuelle News

Rechnerisch ist die AfD zwar nicht in der Lage eine Regierung zu bilden, da alle anderen Parteien eine Koalition ablehnen: Aber am Sieg der Partei unter Björn Höcke in Thüringen, wo die AfD 32,8 Prozent der Stimmen holte, ist nicht zu rütteln.

In Sachsen legte die AfD mit 30,6 Prozent der Stimmen deutlich zu – auch wenn sie damit nicht Wahlsieger wurde, sondern knapp hinter der CDU mit 31,9 Prozent der Stimmen landete.

Der Wahlerfolg der AfD war erwartet worden. Überraschend ist allerdings das Wahlverhalten der Jungwähler. Laut der Jugendstudie des Instituts für Generationenforschung haben 31 Prozent der 18-24-Jährigen in Sachsen und 38 Prozent der 18-24-Jährigen in Thüringen die AfD gewählt.

Die vom ZDF beauftragte Forschungsgruppe Wahlen kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Junge Wähler sind damit maßgeblich für den Erfolg der Partei verantwortlich. Dabei hatten sie in den vergangenen Jahren eher linke Parteien wie die Grünen gewählt. Woher kommt der Sinneswandel?

Grafik: "Wer wählte AfD? Wahlanteile nach Bevölkerungsgruppen"
© dpa-infografik GmbH

Jungwähler halten AfD für Partei wie jede andere auch

Generationenforscher Rüdiger Maas hat sich für die Studie des Instituts für Generationenforschung intensiv mit den Ansichten von Jungwählern auseinandergesetzt. Gegenüber unserer Redaktion erklärt er: "Junge Wähler halten nichts von Links-Rechts-Denken. Dadurch gibt es für sie auch keine rechtsextremen Parteien." Für junge Wähler sei die AfD also eine Partei wie jede andere auch.

Viele der AfD-Wähler würden sich sogar als links einordnen und trotzdem eine gesichert rechtsextreme Partei wählen. Auch der Erfolg des BSW sei Resultat dieser Einstellung.

Pläne zur massenhaften Zwangsausweisung von Menschen, wie sie durch eine Recherche von "Correctiv" Anfang des Jahres aufgedeckt wurden, würden von jungen Wählern oft relativiert. Ihrer Meinung nach würden letztlich nur kriminelle Ausländer abgeschoben. "Junge Wähler sind in dieser Hinsicht naiver als ältere, sie denken weniger logisch", erklärt Maas.

Jungwähler unterstützen Programm der AfD

Die oft aufgestellte Behauptung, es handle sich bei der Wahl der AfD um eine Protesthandlung, kann die Studie ebenfalls widerlegen. Maas zufolge sind über 80 Prozent der AfD-Wähler der jungen Generation überzeugte Unterstützer. Sie wählten die Partei wegen ihrer Inhalte – nicht aus Protest gegen die etablierten Parteien.

Wichtige Gründe für die Wahl der AfD seien bei jungen Wählern die Themen Sicherheit und Migration sowie die finanzielle Situation. Hier unterstützen sie ganz dezidiert die Positionen der AfD und fordern striktere Maßnahmen gegen Migration sowie weniger Ausländer in Deutschland.

Lesen Sie auch

Dabei sind die Jungwähler sehr kritisch gegenüber der Ampel-Regierung. 70 Prozent der AfD-Wähler dieser Altersgruppe sind laut der Studie der Meinung, dass die Regierung gegen sie arbeite. 75 Prozent glauben, dass der Regierung die "einfachen Menschen" egal seien.

Laut Forschungsleiter Maas ist dafür auch eine Ernüchterung mit Blick auf die aktuelle Politik verantwortlich. "Diese Generation hat bisher nur die Kanzlerschaft von Angela Merkel und die Ampel-Regierung erlebt." Sie habe den Eindruck, "es ändert sich nichts unter Olaf Scholz und da bleibt als logische Alternative nur noch die AfD oder nun auch das BSW übrig".

Soziale Medien wie TikTok wichtigste Informationsquelle

Hinzu komme laut Maas der Einfluss der sozialen Medien. Für die jungen AfD-Wähler seien die wichtigsten Informationsquellen TikTok und Instagram, gefolgt von YouTube. Hier spreche die jungen Wähler die Volksnähe und klare Sprache der AfD an.

"Häufig werden dort Ausschnitte aus Talkshows verbreitet, bei denen gezielt einzelne Zitate von AfD-Vertretern ausgewählt wurden, die dort große Zustimmung finden." Der Kontext, also die gesamte Sendung, schauen junge Wähler laut Maas nicht und würden damit sehr einseitig informiert.

Etablierte Parteien würden bei Social Media dagegen deutlich schlechter ankommen. Dafür sei auch deren Ansprache verantwortlich. Das Social-Media-Team des Bundeskanzlers hatte etwa zuletzt auf TikTok ein Video veröffentlicht, in dem der Bundeskanzler enthüllt, was sich in seiner Aktentasche befindet: Akten, eine Lesebrille und ein Tablet.

"Mit der Aktentasche von Olaf Scholz kann man auf TikTok nicht mit der AfD konkurrieren", so der Generationenforscher. Maas zufolge würde es stattdessen helfen, wenn die etablierten Parteien Influencer und Content Creator dafür gewinnen würden, ihre Inhalte bei Social Media sachgerecht für die Zielgruppe aufzubereiten, statt Videos in Eigenregie zu produzieren.

Über den Gesprächspartner

  • Rüdiger Maas ist Psychologe, Generationenforscher & Leiter des Instituts für Generationenforschung. Er ist außerdem Wissenschaftlicher Beirat in der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen.

Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.