- So etwas hat es in der Pandemie noch nie gegeben.
- Auf die längste Konferenz von Bund und Ländern folgt die größte Unklarheit über das, was nun kommt.
- Viel zu viele Fragen finden viel zu wenige Antworten.
Am Morgen danach herrscht Ernüchterung. 15 Stunden haben gereicht, um alle Klarheiten zu beseitigen. In ganz Deutschland rätseln Menschen, was der um drei Uhr morgens von
Sogar die Ministerpräsidenten, die den neuen Kurs mit Merkel in der 15-stündigen Sitzung beschlossen haben, können nicht alle Fragen beantworten. Klar hätte ein längerer Oster-Lockdown mehr Wirkung, sagt Bayerns Regierungschef
Anderes Bundesland, gleiches Problem: Auch in Stuttgart muss sich der Ministerpräsident
Beschluss lässt noch viele Fragen offen
Brandenburgs Ministerpräsident
Auch in Berlin geben Bundespolitiker hinter den Kulissen zu, dass der Beschluss noch viele Fragen offen lässt. Nur weil Bund und Länder Regelungen aufschreiben würden, sei für die praktische Umsetzung noch längst nicht alles geklärt, heißt es. Am Ende folge der Beschluss dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Das sei aber leider nicht das, was in der dramatischen Phase der Pandemie nötig sei. Zu den offenen Detailfragen ist hier auch was zu erfahren: Bis Mittwoch würden die Bund und Länder hier hoffentlich Antworten liefern.
Während sich landauf, landab Politiker aller Couleur also teils nervigen Fragen stellen müssen, ist von einem auffällig wenig zu hören, dabei wäre seine Meinung von besonderem Interesse. Als sich Neu-CDU-Chef und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstagmorgen um 02.45 Uhr in der Düsseldorfer Staatskanzlei vor die Kameras stellt, findet er nur kritische Worte zur Entscheidung der Bundesregierung, Mallorca von der Liste der Corona-Risikogebiete zu streichen. Das war's. Nicht nur in der CDU lässt das viele ratlos zurück. Von einem möglichen Kanzlerkandidaten der Union müsse man gerade jetzt mehr Präsenz und Führung erwarten, heißt es.
Mehrere Bundesländer hatten Alleingänge angedroht
Um die Situation verstehen zu können, hilft ein Rückblick auf den Verlauf der Sitzung. Tatsächlich ist der Plan für den Blitz-Lockdown vom 1. bis 5. April anders als bei den Ministerpräsidentenkonferenzen (MPK) sonst üblich nicht tagelang vorbereitet worden. Vielmehr wurde er aus der Not heraus geboren, weil immer mehr Inhalte aus dem ursprünglichen Beschluss keine Mehrheit finden, die Schalte steht kurz vor dem Scheitern. Das Fass zum Überlaufen bringt schließlich der angedrohte Alleingang mehrerer Bundesländer, als Reaktion auf die Flut an Mallorca-Reisende auch ihren Bürgern unter Auflagen kontaktlose Urlaube in Ferienunterkünften zu erlauben.
In der Folge sind Geduld und starke Nerven gefragt. Rund sechs Stunden lang verhandeln Merkel, Söder, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) unter acht Augen weiter, der Rest schaut meist in die sprichwörtliche Röhre. "Die Kanzlerin war plötzlich weg", fasst ein Ministerpräsident die ewig lange Pause zusammen. Immer wieder hätten die die SPD-Länder und die Unionsseite getrennt mit Experten beraten.
Das Fazit fällt also denkbar schlecht aus: Die Konferenz sei von allen Seiten schlecht vorbereitet gewesen, der Konflikt sei ja absehbar gewesen, ist zu hören. In der Tat fällt in den Tagen der Konferenz auf, dass die Länder auch untereinander sehr uneinig waren. Andere spekulieren, ob der erfahrenen Krisenmanagerin Merkel zum Ende ihrer Amtszeit die Zügel entgleiten.
Grenzen des Föderalismus werden aufgezeigt
Anders als in den vergangenen fast 13 Monaten Pandemie zeigt sich in der ungewöhnlich homogenen Kritik am MPK-Beschluss nicht nur, wie tief der Corona-Frust auch bei den Spitzenpolitikern längst sitzt, in jedem Zwist werden auch die Grenzen des Föderalismus gnadenlos aufgezeigt. Denn letztlich ist der Bund in der Corona-Krise auf das Wohlwollen der Länder angewiesen. So mächtig Merkel international auch sein mag - in die Länder hinein kann sie nicht durchregieren.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) findet klare Worte: Dass nicht nur eine Bundesregierung und ein Bundestag über die Maßnahmen entscheiden würden, sondern auch 16 Ministerpräsidenten und letztlich 16 Landtage, sei "natürlich in der Krise immer ein Problem". Wenn so viele Menschen am Tisch säßen, sei es sehr schwierig, immer wieder eine klare, stringente Linie zu organisieren.
Hierzu ist zumindest unter der Hand schon lange von der Befürchtung zu hören, dass das Problem in den kommenden Monaten größer werde, je näher die Bundestagswahl am 26. September rücke. Parteitaktische Interessen seien in der Pandemie zwar sicher immer hinten angestellt, ganz ausblenden ließen sie sich aber eben auch nicht, heißt es.
Der für seine pointierten Worte bekannte Söder nimmt fasst die Lage so zusammen: "Ich glaube, dass wir auch daran arbeiten müssen, unsere prozessualen Verfahren deutlich zu verbessern. MPks, die 15 Stunden dauern, bei denen dann die wesentlichen Entscheidungen zwischen ein und drei Uhr nachts gefällt werden, bergen die Gefahr, dass am Ende nicht alle Details geklärt und damit auch Kommunikation, gerade auch bei so sensiblen Fragen, schwieriger wird."
Merkel wirbt für den Oster-Lockdown
Von der Kanzlerin ist am Tag nach der Marathonsitzung nur über Umwege Neues zu hören. In der Sitzung der Unionsfraktion wirbt sie nach Angaben von Teilnehmern um Rückendeckung für den Oster-Lockdown. Ansonsten verweist sie auf die Notwendigkeit von Impferfolgen, um die Pandemie endlich besiegen zu können. Zeitgleich sind aus der CSU im Bundestag erste Rufe nach Nachbesserungen am Beschluss zu hören.
In der Nacht hatte Merkel noch in der ihr ganz eigenen Sachlichkeit von einer intensiven Arbeit berichtet und betont, dass Bund und Länder, "aber vor allem auch alle Menschen in Deutschland - gemeinsam einen wirklich harten Weg gegangen" seien, "einen Weg mit Erfolgen, aber auch mit Rückschlägen". Ob sie die jüngste Sitzung selbst zu den Rückschlägen rechnet, wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben. (dpa/fra) © dpa
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