- Am Wochenende hat in Deutschland die größte Impfaktion in der Geschichte des Landes begonnen.
- Gesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich mit dem Start der Impfkampagne gegen das Coronavirus zufrieden – doch es gab auch Probleme und Kritik.
Bundesgesundheitsminister
Von einem "Meilenstein in der Pandemiebekämpfung" sprach Baden-Württembergs Ministerpräsident
Menschenschlangen bildeten sich unter anderem vor dem Impfzentrum in der Liederhalle in Stuttgart und vor der Eröffnung des ersten Berliner Corona-Impfzentrums, wie Fotos zeigen. Die Arena-Halle im Bezirk Treptow-Köpenick ist das größte Impfzentrum in der Hauptstadt und vorwiegend für medizinisches Personal vorgesehen.
Ein "schleppender Verlauf" der dortigen Impfkampagne, wie in einer internen Mitteilung der Berliner Polizei befürchtet wurde, bewahrheitete sich offenbar nicht. Der Impfstart in der Arena-Halle mit den ersten 150 Menschen sei "sehr gut" verlaufen, sagte der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes Berlin, Mario Czaja, am Sonntag in der RBB-"Abendschau". Das Land Berlin hatte vorerst 9.750 Dosen erhalten, am Montag sollen 19.500 und am Mittwoch weitere 29.500 Dosen geliefert werden
Arzt nach Impfstart müde – und glücklich
Der Bundesvorsitzende des Verbands der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (Virchowbund), Dirk Heinrich, zeigte sich ebenso wie Spahn erfreut über den Impfstart. Sein Team habe am Sonntag im Pflegeheim des Hospitals zum Heiligen Geist in Hamburg rund 500 Senioren und Pfleger geimpft. "Jetzt sind wir geschafft und müde, aber glücklich", twitterte der Arzt.
In München wurden deutlich weniger Menschen geimpft. Als erstes hätten Bewohner und Beschäftigte einer vollstationären Pflegeeinrichtung im Stadtteil Freimann das Vakzin verabreicht bekommen. "Zehn mobile Teams des Impfzentrums München waren vor Ort, um 250 Dosen zu verimpfen, die die Landeshauptstadt bisher erhalten hat", heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Die nächste Lieferung von COVID-19-Vakzinen werde am Dienstag erwartet.
Bundesweit standen am Sonntag annähernd 150.000 Dosen zur Verfügung. Laut Daten des Robert-Koch-Instituts wurden in 15 Bundesländern insgesamt 18.454 Impfungen gespritzt (Hessen hat seine Zahlen noch nicht übermittelt), davon etwas mehr als 10.000 bei Pflegeheimbewohnern.
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Söder: "Es gibt einfach zu wenig Impfstoff"
Warnend äußerte sich der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. "Die Impfung läuft gut an. Das Problem aber ist, dass wir mit dem vorhandenen Impfstoff nur fünf Millionen Menschen bis Ende März impfen können", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Auch Bayerns Ministerpräsident
Bisher wird davon ausgegangen, dass frühestens im dritten Quartal 2021 genug Impfstoff für alle Impfwilligen zur Verfügung steht. Insgesamt soll Deutschland bis zum Jahresende 1,3 Millionen Impfdosen erhalten, bis Ende März dann 11 bis 13 Millionen Dosen.
Minister Spahn warnte hingegen vor zu hohen Erwartungen an das Tempo bei der Impfstoff-Produktion. Er wundere sich über den Eindruck, dass die Produktion in drei oder vier Wochen "beliebig hochgefahren" werden könne. Diese sei so ziemlich das Komplexeste und Anspruchsvollste im Bereich der Arzneimittel. Er werde aber zusammen mit Biontech daran gearbeitet, dass im Februar oder März im hessischen Marburg zusätzlich produziert werden kann.
Biontech hat die Marburger Produktionsanlage von dem Schweizer Pharmariesen Novartis übernommen. Nach Angaben des Unternehmens sind dort nun einige Umstellungen nötig, bevor es auch dort mit der Produktion des COVID-19-Impfstoffs losgehen kann.
Probleme zum Impfstart in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern
In Stralsund kam es am Sonntag beim Impfen zu einem Fehler bei der Aufbereitung des Impfstoffes. Acht Mitarbeitern eines Pflegeheims wurde deshalb die fünffache Dosis des Corona-Vakzins verabreicht. Nach dem Vorfall am Sonntag seien die sieben Frauen und ein Mann nach Hause geschickt worden.
Wie der Landrat des Kreises Vorpommern-Rügen, Stefan Kerth (SPD), am Montag sagte, haben sich zwischenzeitlich vier der acht Betroffenen zur Beobachtung vorsorglich stationär in einem Krankenhaus aufnehmen lassen. Sie zeigten grippeähnliche Symptome.
Der Landkreis berichtete in seiner Mitteilung, dass nach Informationen des Herstellers Biontech größere Dosen des Impfstoffes in der Phase-1-Studie bereits an Probanden ohne schwerwiegende Folgen getestet worden seien. Es seien keine bleibenden, unerwünschten Ereignisse gemeldet worden. Lokale Reaktionen an der Injektionsstelle und grippeähnliche Symptome träten dosisabhängig auf und seien im Allgemeinen leicht bis mittelmäßig und vorübergehend.
Weitreichendere Probleme gab es in einigen bayerischen Landkreisen. In Schwaben und in Oberfranken wurden geplante Impfungen sicherheitshalber verschoben, weil es Bedenken gab, ob die erforderliche Kühlung des Impfstoffs während des Transports funktioniert hatte. Das Vakzin von Biontech und Pfizer muss bei extremen Temperaturen um die minus 70 Grad tiefgekühlt werden.
Am Montag kam dann die Entwarnung: Die herstellende Firma habe die Qualität der Impfdosen bestätigt und die Dosen freigegeben, teilte die Regierung von Oberfranken in der Nacht mit. "Damit steht dem Impfstart in Oberfranken nichts mehr im Wege. Die Impfungen können beginnen." Die Probleme in Schwaben hatten sich bereits am Sonntag als marginal erwiesen.
Noch vor dem in der EU abgesprochenen Impfstart war am Samstag als wohl erste Deutsche eine 101-Jährige in einem Pflegeheim im sachsen-anhaltinischen Halberstadt geimpft worden, danach weitere Bewohnerinnen und Bewohner und Pflegekräfte. "Bei Corona zählt jeder Tag", begründete der Technische Leiter des Impfzentrums im Landkreis Harz, Immo Kramer, in der "Bild"-Zeitung das Ausscheren.
Gesundheitsminister Spahn hatte bereits vor dem Impfstart betont: "Es wird an der einen oder anderen Stelle auch mal ruckeln, das ist ganz normal." (dpa/afp/mf)
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