• Die AfD wird auch in der kommenden Legislaturperiode wohl keinen Platz im Bundestagspräsidium bekommen.
  • Das zeigen Antworten auf Anfragen unserer Redaktion an die fünf weiteren im Bundestag vertretenen Fraktionen.
  • Besonders deutlich formuliert die FDP ihre Ablehnung eines möglichen AfD-Bundestagsvizepräsidenten.

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Albrecht Glaser, Mariana Harder-Kühnel, Gerold Otten, Paul Podolay, Karsten Hilse, Harald Weyel: Sechs Mitglieder der AfD-Fraktion haben sich in der vergangenen Legislaturperiode zur Wahl für einen Vize-Posten im Bundestagspräsidium gestellt. Die erforderliche Mehrheit im Bundestag bekam keiner von ihnen. Somit war die AfD als einzige Fraktion nicht im Präsidium vertreten.

Um doch noch einen Stellvertreterposten zu erkämpfen, war die AfD schließlich vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Erfolg hatte sie vorerst auch dort nicht: Anfang August lehnten die Karlsruher Richter zwei Eilanträge ab. Die Entscheidung über die eigentliche Klage zu einer Anpassung des Wahlverfahrens steht allerdings noch aus.

Derweil unternehmen die Rechtspopulisten nun einen neuen Anlauf auf das Bundestagspräsidium. Der in seinem Wahlkreis direkt gewählte Michael Kaufmann ist derzeit noch Abgeordneter im Thüringer Landtag und hatte dort zuletzt auch einen der Stellvertreterposten im Präsidium inne. Dass er nun Bundestagsvizepräsident wird, ist jedoch nahezu ausgeschlossen, wie die anderen im Bundestag vertreten Fraktionen unserer Redaktion auf Anfrage bestätigten.

FDP: "Ablehnung ist grundsätzlicher Natur"

Besonders deutlich wird dabei die FDP. Die AfD habe in den vergangenen vier Jahren "alles versucht, um Parlamentarismus und Demokratie verächtlich zu machen", sagt ein Fraktionssprecher. "Die FDP-Fraktion lehnt es auch weiterhin ab, einen AfD-Kandidaten in das Bundestagspräsidium zu wählen." Welche Person die AfD für den Posten nominiere, spielt bei der Entscheidung für die FDP keine Rolle: "Die Ablehnung ist grundsätzlicher Natur."

Die klare Antwort passt zu den jüngsten Bemühungen der Liberalen, die Sitzordnung im Bundestag anzupassen. Bisher sitzt die FDP dort neben der AfD-Fraktion - das möchte die aller Voraussicht nach baldige Regierungspartei gerne ändern. Die Union jedoch ist gegen diese Pläne. Wohl auch, weil dann sie einen Platz nach rechts rutschen und neben der AfD sitzen würde.

Einen AfD-Vertreter ins Bundestagspräsidium wählen werden die Abgeordneten von CDU und CSU mit einiger Sicherheit auch nicht. Aus Fraktionskreisen ist zu hören, dass sich am Abstimmungsverhalten verglichen mit der letzten Legislatur nichts geändert habe. Heißt: Auch hier kann AfD-Kandidat Kaufmann nicht mit vielen Stimmen rechnen. Begründet wird diese Haltung innerhalb der Union auch damit, dass die AfD 2017 Wolfgang Schäuble nicht mehrheitlich bei der Wahl zum Bundestagspräsidenten unterstützt habe.

Britta Haßelmann: "AfD hat sich immer weiter radikalisiert"

Auch die Grünen werden der AfD kaum ins Bundestagspräsidium verhelfen, wie ihre Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann erklärt: "Die AfD hat sich in den letzten Jahren immer weiter radikalisiert. Das weiß jede und jeder." Daher hätten die Grünen-Abgeordneten "den Personalvorschlägen der AfD für Vizepräsident*innen in der Vergangenheit eine klare Absage erteilt", so Haßelmann. Eine Zustimmung durch die deutlich vergrößerte Grünen-Fraktion im neuen Bundestag ist mehr als unwahrscheinlich.

Wie Haßelmann argumentiert auch ihr Amtskollege Carsten Schneider von der SPD. "Die AfD hat sich seit ihrem erstmaligen Einzug in den Bundestag weiter radikalisiert und das Parlament oft als Bühne für ihre Propaganda benutzt." Anzeichen, dass die AfD ihr Verhalten ändern will, erkennt der Sozialdemokrat keine. "Mit den konkreten Entscheidungsfragen im Umfeld der Konstituierung des Bundestages wird sich die SPD-Fraktion zu gegebener Zeit beschäftigen."

Ähnlich sieht es bei der stark geschrumpften Linksfraktion aus. Fraktionsbeschlüsse zu dem Thema gebe es keine, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Die Parlamentarier würden sich jeden Personalvorschlag genau ansehen und dann individuell entscheiden. Es braucht allerdings eine Menge Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Linke einen AfD-Kandidaten ins Bundestagspräsidium wählt.

Schäuble sieht keinen Rechtsanspruch auf einen Vize-Posten im Präsidium

Die Geschäftsordnung des Bundestags sieht zwar vor, dass jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin stellt. Gleichzeitig gilt aber laut Schäuble: "Es wird immer nur Vizepräsident, wer in geheimer Wahl die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält." Der scheidende Bundestagspräsident steht auf dem Standpunkt, dass sich daraus kein Rechtsanspruch auf einen Vize-Posten ableiten lässt.

Interessant ist die Debatte um das Präsidium insofern, da das Gremium sowohl auf dem Papier wie auch im parlamentarischen Tagesgeschäft deutlich mehr Einfluss hat, als die meisten Wählerinnen und Wähler vermuten. Der Bundestagspräsident hat nach dem Bundespräsidenten und noch vor dem Bundeskanzler protokollarisch das zweithöchste Amt im Staat inne.

Was macht das Bundestagspräsidium?

Das Bundestagspräsidium ist unter anderem verantwortlich für Personalangelegenheiten der Bundestagsverwaltung und Fragen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundestages. Die wohl wichtigste Aufgabe ist aber die Leitung der Plenarsitzungen. Der Bundestagspräsident wahrt laut Geschäftsordnung "die Würde und die Rechte des Bundestages, fördert seine Arbeiten, leitet die Verhandlungen gerecht und unparteiisch und wahrt die Ordnung im Hause".

Besonders hier ist die Besetzung der Vize-Posten wichtig: Bei der Leitung der Sitzungen wechseln sich der Präsident und seine Stellvertreter im Zwei-Stunden-Takt ab. "Die Leitungs- und Ordnungsgewalt geht dabei jeweils auf den sogenannten amtierenden Präsidenten über", heißt es in einer Erklärung des Bundestages. Diese Aufgaben will eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten offenbar nicht in die Hände der AfD legen.

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