Die Gruppe der Brics-Staaten will ein geopolitisches und wirtschaftliches Gegengewicht zum Westen bilden und ihr Bündnis deshalb massiv erweitern. Sie fordert eine - wie sie sagt - gerechtere Weltwirtschaft. Daran haben vor allem auch die Mitglieder China und Russland ein Interesse.

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Die Mitglieder der Brics-Gruppe wichtiger Schwellenländer haben in Südafrika ihr Gipfeltreffen begonnen. Chinas Präsident Xi Jinping, Brasiliens Luiz Inácio Lula da Silva, Südafrikas Cyril Ramaphosa und Indiens Premierminister Narendra Modi trafen am Dienstag in der Wirtschaftsmetropole Johannesburg zusammen - Russlands Präsident Wladimir Putin wurde per Video zugeschaltet.

Bei dem dreitägigen Treffen steht vor allem die Diskussion über eine Erweiterung der Gruppe im Mittelpunkt. Die fünf Staatschefs werden am Mittwoch kurze Reden abgeben - auch eine weitere Videobotschaft Putins steht auf dem Programm.

Beobachter rechnen damit, dass Aufnahmekriterien für "Brics plus" festgelegt werden

Es wird erwartet, dass sich die Staatschefs zu den Aufnahmekriterien für neue Mitglieder äußern werden. Auch könnte es Hinweise geben, ab wann zusätzliche Länder aufgenommen werden, um aus der Fünfer-Gruppe durch zahlreiche Neuzugänge "Brics plus" zu machen. Auf diese Weise will Brics als Machtzentrum des globalen Südens ein Gegengewicht zu anderen Foren wirtschaftlich starker Länder wie den G7 bilden.

Schon jetzt machen die fünf Brics-Länder nach eigenen Angaben 42 Prozent der Weltbevölkerung und etwa ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung aus. Nach Angaben der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor hätten etwa 40 Staaten mehr oder weniger verbindlich Interesse an einer Brics-Mitgliedschaft bekundet, 23 davon konkret, darunter Argentinien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien, Ägypten, Iran, Kuwait, Venezuela und Bangladesch.

Für den wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine international isolierten Putin ist Brics der ideale Rahmen, um zu demonstrieren, dass sein Land noch Verbündete hat. "Brics plus" würde nach dieser Logik für Russland auch bedeuten: Je mehr, desto besser. Zudem tritt Moskau für eine multipolare Weltordnung ohne eine Vormachtstellung der USA ein.

Auch China will "Brics plus" als Bühne gegen die USA nutzen und sich eher selbst ins Zentrum der Weltordnung rücken. Südafrika beschreibt als Ziel des Gipfels eine "veränderte globale Ordnung". Westliche Industriemächte würden die Belange des Globalen Südens zunehmend vernachlässigen, sagte Pandor im Vorfeld.

Indien sieht "Brics plus" hingegen eher kritisch. Das Land befürchtet, dass es durch eine mögliche Aufnahme mehrerer China-freundlicher Nationen an Einfluss in der Gruppe verlieren könnte. Südafrika hofft vor allem auf verstärkte wirtschaftliche Kooperation sowie weniger Abhängigkeit vom US-Dollar als globaler Leitwährung.

Brics-Gipfel: Putin kritisiert Kiew und den Westen scharf

Putin, dem in Südafrika wegen eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs die Festnahme gedroht hätte, nahm das Treffen zum Anlass, das Aufkündigen des Getreideabkommens mit der Ukraine am Dienstag erneut mit scharfer Kritik am Westen und an Kiew zu rechtfertigen. Keine der vertraglich festgehaltenen Bedingungen zur Erleichterung des Exports von russischem Getreide und Dünger sei erfüllt worden, klagte der Kremlchef. Moskau werde die Blockade ukrainischer Häfen erst dann wieder aufheben und zum Abkommen zurückkehren, wenn alle russischen Forderungen erfüllt seien.

"Es gibt ein Land, das seine Hegemonie aufrechterhalten will und alles getan hat, um die Schwellen- und Entwicklungsländer zu lähmen", erklärte Chinas Präsident Xi in einer von seinem Handelsminister Wang Wentao verlesenen Erklärung, ohne die USA namentlich zu nennen. "Wer sich schnell entwickelt, wird von ihnen eingedämmt. Wer aufholt, wird behindert."

Der brasilianische Präsident Lula betonte indes, die BRICS-Gruppe richte sich nicht gegen andere. Vielmehr gehe es um eine bessere Organisation des Globalen Südens, schrieb er am Dienstag auf der Plattform X. "Die Brics sind kein Gegenpol zu den G7, den G20 oder sonst irgendjemandem", schrieb Lula. "Wir wollen uns als der Globale Süden organisieren. Wir sind wichtig in der globalen Debatte und sitzen gleichberechtigt mit der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten am Verhandlungstisch."

Südafrikas Präsident Ramaphosa forderte eine "grundlegende Reform globaler Finanzinstitutionen". Aktuell profitierten vor allem westliche Industriemächte von einem "Protektionismus", der faires Wachstum in der Weltwirtschaft untergrabe, so Ramaphosa. Finanzinstitutionen sollten agiler auf die Herausforderungen von Entwicklungsländern reagieren können.

Lula: "Können die Gier des Neokolonialismus nicht akzeptieren"

"Wir können die Gier des Neokolonialismus nicht akzeptieren, der unter dem Deckmantel von Schutzrichtlinien Handelsbarrieren und diskriminierende Maßnahmen verhängt", sagte Lula. Die Brics-Staaten setzten sich daher für einen gerechteren Welthandel ein.

Zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine vertreten die Mitgliedstaaten unterschiedliche Positionen. Lediglich China gibt Putin volle Rückendeckung und will die Invasion Russlands in der Ukraine nicht verurteilen. Brasilien, Indien und Südafrika geben sich neutraler. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa leitet eine afrikanische Friedensinitiative für ein Ende des Ukraine-Kriegs. Jüngste Vermittlungsbemühungen der Initiative in Moskau und Kiew blieben allerdings ohne erkennbaren Erfolg. (mt/ank/dpa)

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