• Die Ukraine will schnellstmöglich in die Europäische Union aufgenommen werden.
  • In weniger als zwei Wochen fällt dazu eine Richtungsentscheidung.
  • Doch ob die EU-Kommission wirklich empfiehlt, das osteuropäische Land zum EU-Kandidaten zu machen, ist alles andere als klar.

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Mit ihrem erneuten Besuch in Kiew hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Wochenende ein Signal gesendet: Brüssel nimmt die EU-Beitrittsbemühungen der Ukraine ernst.

Eine Beurteilung der EU-Kommission zu der Frage, ob die Ukraine offizieller Beitrittskandidat werden kann, wird in Kürze erwartet. Doch die EU-Mitgliedstaaten sind in dieser Frage tief gespalten. Unter anderem Deutschland und Frankreich gelten als Skeptiker.

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Die Haltung der EU-Kommission

"Die Ukraine gehört zur europäischen Familie": Mit diesen Worten hatte von der Leyen bei ihrem vorangegangenen Kiew-Besuch am 8. April eine positive Haltung ihrer Behörde zum Beitrittsgesuch der Ukraine signalisiert. In den kommenden Tagen wird nun die offizielle Einschätzung der EU-Kommission zu den Beitrittsanträgen Kiews sowie Georgiens und Moldaus erwartet. Bei ihrem Gipfeltreffen am 23. und 24. Juni dürften dann die EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden, ob der Ukraine der Status als EU-Beitrittskandidat eingeräumt wird.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte am Freitag erneut an die EU-Mitgliedstaaten, seinem Land den Kandidatenstatus zu gewähren. Die Ukraine müsse "aus der Grauzone geholt" werden, forderte er in einer Videoansprache. Die EU habe die Gelegenheit zu beweisen, "dass die Worte zur Mitgliedschaft des ukrainischen Volkes in der europäischen Familie nicht in den Wind gesprochen waren".

Selenskyj verwies auf Umfragen, denen zufolge 71 Prozent der Europäer die Ukraine als Teil Europas betrachten. "Warum gibt es dann immer noch politische Skeptiker, die zögern uns zu erlauben, der Europäischen Union beizutreten?"

Uneinigkeit innerhalb der EU

Der offizielle Kandidatenstatus ist Voraussetzung für den Start von Beitrittsverhandlungen zwischen der Ukraine und der EU, die sich über Jahrzehnte hinziehen könnten. Einen offiziellen EU-Kandidatenstatus haben derzeit Albanien, Nordmazedonien, Serbien, Montenegro und die Türkei. Der Fall Ukraine ist in der EU hochumstritten.

Unterstützt wird das ukrainische Ersuchen vor allem von osteuropäischen Staaten, als ausdrückliche Skeptiker gelten vor allem die Niederlande und Dänemark. Doch auch Deutschland und Frankreich, das bis Ende des Monats noch die EU-Ratspräsidentschaft innehat, zeigten sich in der Frage bislang äußerst zurückhaltend. Italiens Ministerpräsident Mario Draghi erklärte Ende Mai sogar, "fast alle großen EU-Mitglieder" seien gegen einen Kandidatenstatus für die Ukraine - "mit Ausnahme Italiens".

Gegner eines ukrainischen EU-Beitritts verweisen auf den Kriegszustand in dem Land sowie auf Probleme mit Korruption und nicht umgesetzte Reformen. "Wir dürfen die Beitrittsvoraussetzungen in der EU nicht senken. Sonst töten wir die EU", warnt eine diplomatische Quelle aus einem der zögerlichen Länder im Gespräch mit AFP. Auch aus Diplomatenkreisen in Brüssel heißt es, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine seien derzeit "schwer vorstellbar". Zwischen den Mitgliedstaaten werde aber intensiv darüber diskutiert, wie angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine "das richtige Signal" gesendet werden könne.

Entscheidung des EU-Gipfels mit Spannung erwartet

Möglich wäre, dass der EU-Gipfel Ende Juni der Ukraine einen Beitrittskandidatenstatus verleiht, diesen aber mit Bedingungen verknüpft. Er reche mit "verschlungenen Formulierungen und Versprechungen" bei dem Gipfel, sagt der Experte François Heisbourg. In Berlin und Paris, den politischen Schwergewichten in der EU, löse der ukrainische Beitrittsantrag "keine Begeisterung" aus, betont er.

Andere Wissenschaftler warnen vor den Folgen einer negativen Reaktion auf die ukrainischen Ambitionen. "Sollte der Rat der EU Ende Juni keine positive Entscheidung treffen, wäre dies sehr demoralisierend für die Ukraine und jene Mitgliedsländer, die den Beitritt der Ukraine zur EU als entscheidende geopolitische Notwendigkeit ansehen", schreibt etwa die estnische Politik-Expertin Krisi Raik auf Twitter. (afp/mf)  © AFP

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