Kosten im hohen einstelligen Milliarden-Bereich, 55 tote Bundeswehr-Soldaten und die erste deutsche Militäroffensive seit dem Zweiten Weltkrieg: Deutschlands Engagement in Afghanistan endet zum 1. Januar 2015. Und geht doch weiter. Was Sie über den deutschen Isaf-Einsatz wissen müssen.
Feuergefechte am Boden, Luftangriffe als Unterstützung: Harekate Yolo wird für immer ein Meilenstein in der Geschichte der deutschen Bundeswehr bleiben. Hinter dem persischen Begriff für "Korrektur der Front" verbirgt sich die erste offensive Militäroperation deutscher Truppen seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Rahmen der Aktion vertrieben etwa 160 deutsche Fallschirmjäger im November Taliban-Truppen aus dem Norden Afghanistans.
Bereits seit 2001 sind deutsche Soldaten im Rahmen des Kampfeinsatzes der internationalen Schutztruppe Isaf ("International Security Assistance Force") in Afghanistan stationiert. "Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt," sagte der damalige Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) im Jahr 2004. Die Nato beendet nun am 31. Dezember den Isaf-Einsatz. Doch was passiert dann in dem Land? Und was ist die Bilanz des 13-jährigen Engagements in Afghanistan? Die Antworten.
Wer hat in Afghanistan interveniert?
Die Bundeswehr engagierte sich in Afghanistan im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe, kurz Isaf. Die NATO leitet die Sicherheits- und Wiederaufbaumission in Afghanistan seit 2001. Initiiert wurde der Einsatz von den Teilnehmern der ersten Afghanistan-Konferenz 2001 durch ein Gesuch an die internationale Gemeinschaft und mit Genehmigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Resolution 1386 vom 20. Dezember 2001). Bei dem Engagement handelt es sich um einen sogenannten friedenserzwingenden Einsatz, was ihn von einer nur friedenssichernden Blauhelm-Mission unterscheidet.
Wie hat sich Deutschland an dem Isaf-Einsatz beteiligt?
Am 22. Dezember 2001 verabschiedete der Bundestag das erste Afghanistan-Mandat. Damit wurde die Bundeswehr mit bis zu 1.200 Soldaten zur Unterstützung der Isaf-Truppen beauftragt. Im Januar 2002 trafen die ersten deutschen Soldaten in Afghanistan ein. Vom 10. Februar bis zum 11. August 2003 übernahmen Deutschland und die Niederlande die Führung der Isaf-Truppen und übergaben sie anschließend an die NATO. Während des Einsatzes verfolgten die deutschen Truppen drei Hauptziele: die Stabilisierung Afghanistans, den Wiederaufbau des Landes sowie den Aufbau und die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte.
Wie viele Soldaten aus wie vielen Ländern sind in Afghanistan?
Im Januar 2012 beteiligten sich 50 Länder mit 129.895 Soldaten an der Isaf. Alleine die USA stellten davon 90.000 Soldaten. Die US-Amerikaner sind laut einem Bericht der Bundesregierung aus dem November 2014 auch größter Geldgeber der Isaf, vor Japan auf dem zweiten und Deutschland auf dem dritten Platz.
Wo genau agierten die Isaf-Truppen?
Die deutschen Truppen sind hauptsächlich im Norden des Landes stationiert. Bekannt aus vielen Medienberichten sind die Städte Kundus und Mazar-i-Sharif. Im Süden agieren größtenteils Truppen aus den Niederlanden, Großbritannien und Kanada. Im Westen Afghanistans befindet sich der Schwerpunkt der italienischen Kräfte, in der Stadt Farah sind zudem verstärkt die US-Amerikaner präsent. Die US-Amerikaner agieren schwerpunktmäßig im konfliktreichen Osten des Landes, wo auch die umkämpfte Hauptstadt Kabul liegt.
Was hat Isaf bewirkt und was hat sich in Afghanistan geändert?
"Wer produktive Lehren aus der Intervention ziehen will, muss zunächst das Scheitern akzeptieren," schreibt Peter Rudolf in dem Essay "Afghanistans blühende Demokratie" aus dem September 2014. Der Politikwissenschaftler ist Mitglied der "Forschungsgruppe Amerika" der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aus Berlin. Er spricht in seinem Text von "euphorischer Naivität" und attestiert weiten Teilen der Öffentlichkeit in den teilnehmenden Ländern eine Ausblendung der Gewaltanwendung und den damit verbundenen, zahlreichen Opfern innerhalb der afghanischen Bevölkerung. "Militärisch geht es in der amerikanischen Afghanistan-Strategie seit geraumer Zeit um kaum mehr als die Ausschaltung möglichst vieler Aufständischer durch Tötung und Gefangennahme," so sein Urteil. Ein Forschungsbericht über den deutschen Afghanistan-Einsatz im Auftrag der Bundesregierung aus dem November 2014 weist darüber hinaus auf die massiven wirtschaftlichen Probleme Afghanistans hin. Auch die Rechtsstaatlichkeit des Landes, die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte und die Sicherheitslage sei nach wie vor kritisch, heißt es in dem Papier. Als positiv beschreibt die Untersuchung allerdings "ein in den Anfängen funktionierendes demokratisches Gemeinwesen, an dessen Zukunft seine Bürger mehrheitlich glauben und das von seinen Sicherheitskräften wirksam verteidigt wird". Dennoch bilanziert der stellvertretende Isaf-Kommandeur Carsten Jacobson im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) am 3. November 2014: "Afghanistan ist und bleibt ein Land im Krieg. Afghanistan ist und bleibt gefährlich."
Was passiert nach dem Ende der Isaf-Mission?
Internationale Truppen werden weiterhin in Afghanistan bleiben – dort allerdings andere Ziele verfolgen. Die Nachfolge-Mission "Resolute support" plant mit insgesamt 12.500 Soldaten, darunter 850 Soldaten der Bundeswehr. Sie sollen nicht mehr ins Kampfgeschehen eingreifen, sondern die afghanischen Armee- und Polizeikräfte beraten. Die Soldaten sollen laut Angaben von Generalleutnant Jacobson überwiegend in der Hauptstadt Kabul, außerdem in Mazar-i-Sharif, Kandahar und Bagram stationiert werden. Ein Papier der Bundesverteidigungsministeriums gliedert "Resolute support" in drei Phasen: Ausgehend von Kabul sollen die internationalen Verbände die afghanischen Staatskräfte Ausbilden, Beraten und Unterstützen. In einem zweiten Schritt sollen diese Aktivitäten schrittweise zurückgefahren werden und in der dritten Phase, dem endgültigen Rückzug, Generalleutnant Jacobson sagte der "FAZ", dass "Resolute support" in zwei Jahren enden solle, also zum 1. Januar 2017. Nach Angaben der Bundesregierung hat Deutschland für sein Engagement in Afghanistan alleine bis zum Februar 2012 etwa acht Milliarden Euro ausgegeben. Die Bundeswehr spricht von 55 Soldaten, die im Rahmen des Einsatzes gestorben sind, Hunderte leiden an psychischen und physischen Folgeschäden.
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