Angekündigt hatte Markus Söder ein Genderverbot schon länger. Nun hat der bayerische Ministerpräsident Ernst gemacht. Die Debatte um das Gendern reißt damit aber nicht ab – ganz im Gegenteil.

Dieser Meinungsbeitrag stellt die Sicht von Thomas Eldersch und Thomas Pillgruber dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Für die einen ist es ein wichtiger Beitrag zur Gleichberechtigung, für die anderen eine Verschandelung der deutschen Sprache: Das Gendern polarisiert und führt zu hitzigen Diskussionen.

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Wenig überraschend wurde das Genderverbot der CSU an öffentlichen Einrichtungen kontrovers aufgenommen. Ab dem 1. April ist die Verwendung von geschlechtersensibler Gendersprache an Bayerns Behörden, Schulen und Hochschulen ausdrücklich verboten.

Braucht es so ein Verbot oder betreibt Söders CSU einfach nur Klientelpolitik im konservativen Lager? Zwei unterschiedliche Meinungen aus unserer Redaktion.

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Pro: Gendern grenzt aus, statt zu inkludieren

von Thomas Eldersch

Die bayerische CSU samt Häuptling Markus Söder wird nicht müde, vor allem den Grünen den Stempel Verbotspartei aufzudrücken. Jetzt hat sie selbst den Zeigefinger gehoben und das Gendern in Behörden, Unis und Schulen verboten – zu Recht. Denn Gendern ist nicht der große Wurf für die Gleichberechtigung. Im Gegenteil, es grenzt Menschen aus.

Ein Großteil der Deutschen lehnt das Gendern ab. Das zeigen die Umfrageergebnisse zahlreicher Befragungen der vergangenen Jahre deutlich. Dort werden teilweise Spitzenwerte von bis zu 80 Prozent Ablehnung erreicht. Dabei ist es auch egal, welcher Altersgruppe oder welchem Geschlecht die Menschen angehören und welchen Bildungshintergrund sie haben.

Das heißt, bis zu 80 Prozent der Deutschen werden ausgegrenzt, wenn sie nicht gendern wollen. Teilweise werden sie sogar von fanatischen Gendersternchen-Krieger*innen angefeindet, wenn sie nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Existenz aller Geschlechter betonen.

Derweil hat das generische Maskulinum immer schon beide Geschlechter inkludiert, beziehungsweise hat es sie ignoriert. Denn definitionsgemäß ist es die geschlechtsneutrale Verwendung maskuliner Substantive und Pronomen. Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg formuliert es so: "Wer das generische Maskulinum verwendet, ist vom Bezug auf ein natürliches Geschlecht befreit, er formuliert allgemeiner."

Das ist besonders für Behörden, aber auch für Bildungseinrichtungen essenziell, denn hier darf und sollte niemand ausgeschlossen werden. Hier gelten klare Regeln und ein Wust aus Gender-Möglichkeiten verwirrt und kompliziert. Das Gendern trägt nicht zur Inklusion bei, sondern betont die Unterschiede.

Wer in Bayern zukünftig der Gleichberechtigung wegen gendern will, kann das im Privaten tun. Sollte sich aber die Frage stellen, ob das Engagement, eine geschlechtsbetonende Sprache durchzusetzen, nicht besser an einer anderen Stelle angebracht wäre. Denn mit der Gender-Pay-Gap – also die Ungleichbezahlung von Frauen und Männern – existiert ein Problem, das Frauen tatsächlich und nicht nur gefühlt diskriminiert.

Contra: Kulturkampf statt Debatte – Bayern halt

von Thomas Pillgruber

Das Genderverbot an bayerischen Behörden passt zu Markus Söders Politikstil wie süßer Senf zur Weißwurst. Es ist populistisch, wahrheitsverzerrend – und löst kein einziges reales Problem.

Immer wieder hat Söder geschlechtergerechte Sprache so dargestellt, als würde sie den Bürgern etwas verbieten. Dass die Menschen nicht mehr sprechen dürften, wie sie es wollen. Der logische Schluss daraus: Natürlich ein Sprachverbot einführen.

Nur während das Genderverbot jetzt Realität ist, wird der angebliche Zwang zum Gendern lediglich von konservativen Stimmen wie der CSU herbeigeredet.

Paradox ist das Verbot schon, weil Konservative Forderungen nach inklusiver Sprache gern mit dem Argument wegwischen: Es gebe doch wahrlich größere Probleme. An den bayerischen Schulen, die Söder jetzt vom angeblichen Joch des Gendersternchens und Binnen-I befreit hat, stimmt das sogar.

Viele sind marode und der Lehrermangel ist auch im Freistaat ein großes Problem. Merkwürdig, dass die Lösungssuche dafür auf Söders To-Do-Liste noch unter einem Genderverbot steht. Und dass das niemanden in der CSU stört.

Sprache hat sich schon immer weiterentwickelt. Aber in Bayern will man das nicht anerkennen. Dort behauptet Staatskanzleichef Florian Herrmann lieber, das Verbot würde Diskursräume in der Gesellschaft offenhalten. Es ist also ein Ausdruck von Freiheit, wenn man Menschen qua Erlass ein Stück mundtot macht? Käme so eine Aussage von den als "Verbotspartei" verschrienen Grünen – die CSU würde sie dafür wochenlang in jeder Talkshow rund machen.

Natürlich gibt es legitime Argumente, warum Gendern in seiner jetzigen Form nicht jedem gefällt. Etwa, weil es Sätze komplizierter macht und den Lesefluss stören kann. Doch sollte man sich in einer offenen Gesellschaft darüber austauschen und auch streiten dürfen. Nur so sind Lösungen und Kompromisse möglich.

Aber ehrliche Debatten zu führen und Probleme zu lösen ist nun mal schwieriger, als Kulturkampf zu betreiben. Das weiß Markus Söder schon lange.

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