Saudi-Arabien ist für Deutschland ein weniger bedeutender Handelspartner als oft behauptet. Waren im Wert von knapp 9 Milliarden Euro wurden 2014 exportiert, ein Bruchteil davon waren Rüstungsgüter. Die strategische Bedeutung der Golfmonarchie ist dennoch groß.

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Maschinen, Autos und Autoteile, chemische Erzeugnisse, Waffen. Die deutsche Industrie hat 2014 Waren im Wert von 8,9 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien exportiert, 209 Millionen Euro entfielen auf Rüstungsgüter.

Diese Exporte machten rund ein Prozent der deutschen Ausfuhren aus, damit lag das Land an 26. Stelle der Außenhandelsstatistik. Die Einfuhren aus der Golf-Monarchie nach Deutschland fallen geringer aus. Mit Einfuhren in Höhe von 1,1 Milliarden Euro reicht es für Saudi-Arabien nicht einmal für einen Platz unter den 50 wichtigsten Importeuren.

Sein Rohöl bezieht Deutschland vor allem aus Russland, Norwegen sowie aus Nordafrika.

Saudi-Arabien als "positive Exportüberraschung"

Dennoch reisten im vergangenen Jahr deutsche Politiker von Rang und Namen in die saudische Hauptstadt Riad: Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) oder Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD).

Warum wird den Kontakten eine so große Bedeutung beigemessen, obwohl die Lage in Sachen Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte – wie die jüngsten Massenhinrichtungen gezeigt haben – als katastrophal gilt?

Das Land war nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) 2015 mit Exporten von rund zehn Milliarden Euro "eine der wenigen positiven Exportüberraschungen". Offenbar sieht die deutsche Wirtschaft also für die Zukunft ein größeres Potenzial im Handel mit Saudi-Arabien.

Die Saudis sind nach den Vereinigten Arabischen Emiraten schon jetzt der zweitwichtigste Absatzpartner Deutschlands in der Region. Siemens, die Deutsche Bahn oder das Leverkusener Chemieunternehmen Lanxess freuen sich über gute Geschäfte.

Drittwichtigster Abnehmer für Rüstungsgüter

Und auch für die deutsche Rüstungsindustrie ist Riad nicht zu vernachlässigen. Die Bundeswehr bestellt immer weniger Waffen bei deutschen Anbietern, daher sind Rüstungskonzerne wie Airbus oder Rheinmetall zunehmend auf Exporte angewiesen.

Im ersten Halbjahr 2015 war Saudi-Arabien hinter Großbritannien und Israel der drittgrößte Abnehmer deutscher Rüstungsgüter – 2015 könnte zum Rekordjahr für die deutsche Waffenindustrie geworden sein.

Allerdings kündigte Vizekanzler Gabriel nach den jüngsten Massenhinrichtungen an, die Rüstungsexporte künftig genauer unter die Lupe nehmen.

"Es zeigt sich, dass es richtig war, weder Kampfpanzer noch die Maschinengewehre G 36 nach Saudi-Arabien zu liefern. Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir in Zukunft auch defensive Rüstungsgüter kritischer beurteilen müssen", sagte Gabriel.

Politiker fordern Sanktionen

Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Grüne, forderte im ZDF sogar einen sofortigen Stopp der Handelsbeziehungen – auch von Waffenlieferungen.

Ähnlich kritisch positionierte sich die Linkspartei. Der Nahost-Experte Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) aus Berlin äußert sich zu solchen Forderungen vorsichtig.

"Der Einfluss auf Saudi-Arabien ist nicht so groß, wie wir uns das gerne manchmal vorstellen oder einreden würden", sagte Sons der Deutschen Presse-Agentur.

Wirtschaftliche Sanktionen seien kontraproduktiv und würden nicht dazu führen, dass Saudi-Arabien seine Politik ändere, erklärte er.

Sanktionen würden nur dann Sinn machen, "wenn alle wichtigen Handelspartner Saudi-Arabiens sich daran beteiligten".

Der Stopp von Waffenlieferungen wäre für die Golfmonarchie, die in den letzten Jahren massiv aufgerüstet hat, tatsächlich schmerzlich.

Wirtschaft hofft auf Iran

Große Hoffnungen setzt die gesamte deutsche Wirtschaft unterdessen auf den Erzrivalen der Saudis, den Iran.

Anfang 2016 werden die Wirtschaftssanktionen des Westens gegen das 75-Millionen-Land vermutlich fallen, der letzte große Absatzmarkt der Welt könnte schon bald geöffnet werden.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erwartet zweistellige Wachstumsraten, bei der Bahn-Tochter Schenker spricht man gar von "Goldgräberstimmung".

Nach dem Ende der Sanktionen könnte sich das deutsch-iranische Handelsvolumen bis 2018 auf 5 Milliarden Euro verdoppeln.

In den nächsten fünf bis sieben Jahren halten Experten einen Anstieg auf 10 Milliarden Euro für möglich – obwohl es auch im Iran um Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte nicht viel besser als in Saudi-Arabien bestellt ist.

Aber das war ja bisher nur selten ein Hinderungsgrund, um gute Geschäfte zu machen.

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