- Deutschland steht immer wieder wegen Missständen in Sachen Lobbyismus, Korruption und Transparenz in der Kritik.
- Das zeigt einmal mehr ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zur sogenannten Maskenaffäre.
- Auch die Europäische Kommission findet, die Bundesregierung müsse mehr gegen die Einflussnahme von Lobbyistinnen und Lobbyisten unternehmen.
Für Aufsehen sorgte in dieser Woche ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur sogenannten Maskenaffäre: Die ehemaligen CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein (Bundestag) und Alfred Sauter dürfen ihre im Zusammenhang mit umstrittenen Geschäften erlangten Provisionen in Millionenhöhe behalten. Das liegt daran, dass die Gesetzeslage in Deutschland Fachleuten zufolge bis heute nicht streng genug ist in solchen Fällen. Selbst der BGH sieht das so: Dass sogar "die missbräuchliche Kommerzialisierung des Mandats unter Ausnutzung einer nationalen Notlage von beispielloser Tragweite" nach aktuellem Stand straflos bleibe, erscheine kaum vertretbar und stehe in eklatantem Widerspruch zum allgemeinen Rechtsempfinden.
"Maskenaffäre": Bundesgerichtshof-Urteil zeigt Probleme
Im bayerischen Landtag, in dem Sauter weiterhin sitzt, läuft die Aufklärung der "Maskendeals" im Rahmen eines Untersuchungsausschusses noch immer weiter. Wenn es um rechtliche Vorgaben zu Korruption, Lobbyismus und Transparenz geht, steht die Bundesrepublik insgesamt seit vielen Jahren in der Kritik. Anlässlich der Veröffentlichung des jährlich erscheinenden Korruptionswahrnehmungsindex der Nichtregierungsorganisation "Transparency International" (TI) sagte der TI-Deutschland-Chef Anfang 2022, die stagnierende Platzierung des Landes (Rang zehn) zeige, "dass wir bei der Korruptionsbekämpfung leider kaum vorankommen".
Auch die EU-Kommission ruft die Regierung in ihrem neuen Bericht zum Stand der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsländern dazu auf, mehr gegen die Einflussnahme von Lobbyistinnen und Lobbyisten zu tun. Sie bezog sich dabei etwa auf den auch auf europäischer Ebene häufig kritisierten "Drehtüreffekt": den Wechsel von Personen aus Politik, Verwaltung und Lobbyismus auf die andere Seite – und manchmal auch wieder zurück. Verbessern müsse Deutschland auch "die Transparenz der Genehmigungen für die künftige Beschäftigung hochrangiger Beamter und die Dauer der Karenzzeiten für Bundesminister und parlamentarische Staatssekretäre", hieß es in dem auf Englisch veröffentlichten Bericht.
Lobbyismus: Auch die EU-Kommission kritisiert Deutschland
Weitere Kritikpunkte bezogen sich unter anderem bei Parteispenden auf die lange Dauer zwischen Einnahme und Meldepflicht, mangelnde Vorschriften zur Offenlegung von Vermögenswerten und Immobilien sowie das Thema Sponsoring. Dieses sei kaum reguliert, "obwohl es die Möglichkeit bietet, sich Zugang zu wichtigen Regierungsvertretern zu verschaffen". Parteien lassen sich immer wieder bei Veranstaltungen wie Parteitagen von Konzernen sponsern, die im Gegenzug dann etwa auf Ständen werben oder mit hochrangigen Persönlichkeiten sprechen dürfen.
Eine Recherche von "ThePioneer" zeigte Ende Juni, dass mehr als 30 Unternehmen und Organisationen auf einer Sponsorenliste der jährlich stattfindenden Spargelfahrt des Seeheimer Kreises stehen (Bezahlinhalt), einer Untergruppe der SPD-Bundestagsfraktion. Darunter fanden sich Rüstungs- und Energiekonzerne wie Rheinmetall, EON und RWE. Zu Gast auf der Fahrt waren auch Mitglieder der Bundesregierung.
Ein weiterer "ThePioneer"-Artikel zeigte kürzlich, dass sich Firmen über die zum Teil steuerfinanzierte Deutsche Parlamentarische Gesellschaft (DPG), einer Vereinigung von Abgeordneten aus Bundes- und Landtagen sowie dem Europaparlament, Nähe zur Politik eingekauft haben (Bezahlinhalt).
Dass die Bundespolitik weiterhin ein Lobbyproblem hat, zeigt sich auch an einer neuen Recherche der "Zeit" und der Transparenzplattform "abgeordnetenwatch.de". Demnach sind 28 Abgeordnete neben ihrer politischen Tätigkeit offiziell als Funktionärinnen und Funktionäre für Verbände oder andere Organisationen tätig. Sie engagieren sich den Angaben zufolge unter anderem in der Rüstungsindustrie, der Energiebranche oder bei Handelskammern.
Gleichzeitig Lobbyist und im Bundestag
Eine erste systematische Auswertung des seit Anfang 2022 existierenden Lobbyregisters zeige, dass sich aus der Doppelfunktion in einigen Fällen Interessenkonflikte ergeben würden. Laut "abgeordnetenwatch.de" ist die Zahl 28 "nur die Spitze des Eisbergs". Auch andere Bundestagsabgeordnete üben demzufolge "herausgehobene Tätigkeiten in einer Organisation aus, im Lobbyregister taucht ihr Name jedoch nicht auf".
Als Reaktion auf das Urteil zur "Maskenaffäre" will die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP das schon länger von Expertenseite als unzureichend erachtete Gesetz zur Bestechlichkeit von Mandatsträgern nach § 108e Strafgesetzbuch (StGB) verschärfen und findet dafür Unterstützung auch bei Unionsabgeordneten.
Bundesregierung plant Verbesserungen
Die an der Bundesregierung beteiligten Parteien haben sich in ihrem Koalitionsvertrag außerdem in weiteren Punkten im Bereich Lobbyismus und Transparenz Verbesserungen vorgenommen. Eine allgemeine Offenlegungspflicht für Lobbykontakte zum Beispiel, wie sie Initiativen wie "Abgeordnetenwatch.de" und "Lobbycontrol" fordern, ist bisher aber nicht geplant. (mit AFP)
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